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Soldarenstücklein.

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kriegerischen Ehren. Eckbrecht verlangte, Weiber, Kinder und
! hülsloscs Volk aus der Festung entsernen zu dürfen, was ab-
' geschlagen wurde, doch gab der Belagerer zwei Stunden Be-
denkzeit. Sei bis dahin daS Zeichen der Unterwerfung nicht
! aufgesteckt, sagte er, so werde die Beschießung auss Neue be-
l ginnen, zu Nacht ein Sturm erfolgen und keine Schonung
' mehr stau haben. — „Die zwei Stunden Rast und Ruhe nehmen
! wir an," versetzte Eckbrecht: „doch nur, um einmal wieder
' gemächlich zu essen und ungestört zu schlummern. Dann kommt
nur an, um euch blutige Köpfe zu holen."

Dem Hauptmann war übrigens nicht halb so zuversichtig
zu Muthe, als er sich anstellte. Zwar den Tod fürchtete er
nicht; eher noch ging ihm das Elend der Einwohner zu Herzen,
doch hatte er längst gelernt, solche Regungen des Mitgefühls
für fich zu behalten; aber mit Entsetzen bedachte er, was der
Geliebten bevorstehen konnte, wenn der zuchtlose Feind die
Festung mit Sturm gewann. Er ließ die Osstziere zum Kriegs-
rath auss Rathhaus bescheiden. Bevor er dorthin gelangte,
hatte er eine schwere Prüfung zu bestehen. Das Völklein,
mit welchem er ohnehin Bedauern fühlte, lag auf dem Markt-
platz auf den Knieen. Mit erhobenen Händen flehten Greise
und Kinder um ihr Leben, baten Weiber und Jungfrauen, sie
lieber gleich hinzuschlachten, als der Wuth der Franzosen preis-
zugeben. Eckbrecht wußte das Mitleid in seiner Brust nicht
anders zu bewältigen, als indem er schnöde Reden ausstieß.
„Zurück, Gesindel;" ries er harten Tones: „was hat des Kai-
sers Dienst mit euerm Wohl und Weh zu schaffen?" Ver-
wünschungen und Flüche solgten dem unbarmherzigen Mann,
der für das Flehen des ehrwürdigen Alters und der bedrängten
Unschuld nicht einmal ein Wort liebreichen Zuspruchs hatte.
Eckbrecht vernahm den bösen Segen, und sein Herz wurde wo
möglich noch schwerer davon. Die Kameraden boten ihm keinen
Trost. Finstern Blickes in das unvermeidliche Geschick ergeben,
sagten sie: sie wüßten keinen Rath, als zu sterben. Nur Eber-
hard, der junge Fähnrich, sprach einige Worte mehr. „Der
! Herr mag es vor Gott verantworten, wenn er so wackere
Ossiziere und so tapfere Soldaten seinem Eigensinn zulieb aus-
opfert. Denn grad nur Eigensinn ist es, wenn wir mit Leib
und Blut eine Frist bezahlen, die uns ein einziges Wort ge-
wönne." — „Wie so?" — „Wie so?" — „Mehr sogar, als
das. Wenn der Franzos stürmt, so ist er vor Mitternacht Meister
des Platzes; unterhandeln wir, so dürsten wir leicht bis morgen
früh verweilen... insofern uns etwa daran läge."— „Freilich
wahr," sagten die Kameraden: „und dennoch müssen wir
sterben." — „Nicht doch," ries Eckbrccht: „ihr könnt mich ja
zwingen, nach eueru, Willen zu thun. Ueberstimmt mich, und
in einer Viertelstunde flattert ein breiter Streifen weißer Lein-
wand aus der Thurmspitze. Wenn euch euer Leben gar so lieb
ist, wollen wir's retten." Die Kriegsleute schüttelten die Häupter.
„Alle Verantwonung ist des Befehlenden," meinten sie: „und
was liegt am Ende daran, ob uns heule das Schwert würgt
oder morgen die Kugel hinwegraffl? Ter Haupimann Eckbrecht
rhu' over lasse, was er für Recht hält. Wir gehorchen eben..." —
„Jeder verfüge sich aus seinen Posten," unterbrach Eckbrechl

rauh und scharf die Wechselreden. Rasch ging er von dannen,
indem er vor sich hinmurmelte: „Eberhard hat eigentlich recht.
Sünd' und Schmach ist es, das edle Blut so zwecklos zu ver-
geuden. Ich wollte, ich wär' ein gemeiner Fußknecht. Mit
dem Spieß in der Faust muß sich's leicht sterben, wenn einer
nur an sich zu denken hat."

Ter Hauptmann stieg zur Burg empor, um die letzten An-
stalten zur Vertheidigung zu ordnen. Bis zum Abend sollte
eine Brustwehr da aufgeworfen sein, wo der eingestürzte Thurm
den Graten ausgcfüllt hatte. „Sobald es dunkelt," sprach er
zu sich selber: „zieh' ich die ganze Besatzung in's Schloß. Den
Weg verrammeln wir mit umgestürzten Stücken, die ja sonst
zu nichts mehr dienen, da unser Pulver in die Lust geflogen.
Die letzten Kugeln mögen wir etwa aus der Hand den Stür-
mern auf die Köpfe schleudern. Dann wird das Beste sein,
die Stadt an allen vier Ecken mir Feuer anzustoßen. Wenn
wir's auch unterließen, so würd' es der Franzos später thun;
es geschehe also, da es uns noch nützen kann. Die Feuers-
brunst mag uns zwölf Stunden Frist gewinnen."

Mit solchen Gedanken beschäftigt, erreichte Eckbrecht das
Schloß. Im Hof ttaf er, die zu begegnen er zugleich ersehnt
und gefürchtet hatte. Romana sah bleich doch gefaßt aus, die
Mutter dagegen war ein Bild des Jammers und der Furcht.
Eckbrccht ergriff der Angebeteten beide Hände, drückte sie an's
Herz und sagte traurig: „Du bist mir das Liebste aus rer
Welt, und ich muß die Welt verlassen, ohne dich mein zu
nennen." — Worauf sie: „Unsere Herzen gehören einander,
holder Freund." — Er: „Um so schwerer fällt das Scheiden.
Denn wisse, Kind, heut Nacht wird dieses Haus erstürmt. Ich
kann es nicht behaupten, und dennoch gebeut die Pflicht, daß
ich es nicht gutwillig dahingebe. Es handelt fich um meine
Ehre." Gerttud fiel ihm in's Wort: „Also ist dem Herrn
seine Ehre mehr werth, als seine Liebe. Er ist entschlossen,
mein Leben und meiner Tochter Ehre dem feindlichen Soldaten
zu opfern." — „Nicht also, Frau Mutter," sagte Romana
entschiedenen Tones: „ich bin ein echtes Soldatenkind und weiß
zur rechten Zeit zu sterben. Sei unbesorgt, Eckbrecht; drüben
sehen wir uns wieder, beide in ungettübtem Glanz der Ehren."
Auf des Freundes Stirn einen Kuß hauchend, eilte sie von dannen.
Eckbrecht wußte nicht, wie ihm geschehen, noch wie ihm fürder
geschah. Einem Schlafwandler gleich ging er seines Weges,
doch nicht, wohin er kurz zuvor gewollt... —

Gleich darauf flatterte die weiße Fahne auf der Thurmspitze.—

Gegen Abend zeigten sich kaiserliche Reitergeschwader im freien
Felde. Sie bildeten den Vortrab eines heranrückenden Heerhau-
fens, der zum Entsatz ei» wenig zu spät kam, doch viel zu
früh für Eckbrechls Ehre und Glück.

tSchluß felgt.)
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Soldatenstücklein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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Werktitel/Werkverzeichnis

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Entstehungsort (GND)
München

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Publikation

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Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

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Thema/Bildinhalt (GND)
Degen
Hut <Motiv>
Karikatur
Handschelle <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
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Fliegende Blätter, 6.1847, Nr. 134, S. 108
 
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