Fliegende Blätter (6.1847 (Nr. 121-144))

Der Struwwelpeter als Radikaler.

131

der perversen Weltanschauung des Propagandisten und seiner
Partei immer für das Volk. Dieses Volk (hört! hört!) oder
jener Hund beißt den Friederich

in das Bein

Recht tief bis in da« Blut hinein, —

(O blutdürstiger Wahnsinn!), und weiter:

In'S Belt muß Friedrich nun hinein,

Litt vielen Schmerz an seinem Bein;

Der Hund an Friedrichs Tischchen saß,

Wo er den große» Kuchen aß.

Aß auch die gute Leberwurst
Und trank den Wein für seinen Durst.

Kann man die Verführung zum Ausruhr wirksamer aus-
sprechen, als es hier geschieht? Wozu die leckere Aufzählung
von Befitzthümern, welche, göttlicher und menschlicher Ordnung
gemäß, einem Theile der gefitleten Welt gewährt und einem
andern versagt find und bleiben?

Die .Geschichte von den schwarzen Buben« ist, mit unver-
kennbarem Talent geschrieben, wie wir bedauernd einräumen,
ein direktes politisches Pasquill, zum Theil sogar mit Anfüh-
rung wirklicher Namen höchststehender Herren, und qualifizirt
sich zu einem rechtlichen Verfahren gegen den Verfasser. Sie
erzählt, wie drei .Buben«, — der Eine führt auf dem Bilde
in seinem »Fähnlein« den deutschen Adler (o Frechheit sonder
Maß!) — einen Mohren auf der Straße verlachten. »Da
kam«, wir citiren wörtlich:

»Da kam der große Nicolaö
Mit seinem großen Tintenfaß.

Der sprach: Ihr Kinder, hört mir z«,
Und laßt den Mohren hübsch in Ruht
Was kann denn dieser Mehr dafür,
Daß er so weiß nicht ist wie ihr? —

Die-*) aber folgten nicht,

Und lachten ihm in'S Angesicht,

Und lachten ärger al« zuvor
lleber den armen schwarzen Mohr.

Der Nicla« wurde bös und wild, —

Dn siehst es hier auf diesem Bild!

Er packte gleich die-•) fest

Beim Arm, beim Kops, bei Rock und West',

Den Wilhelm und den Ludewig,

Den Caspar anch; der wehrte sich.

Er tunkt' sie in die Tinte tief,

Wie anch der Caspar: Feuer! rief.

Bis über'» Kopf in'S Tiutefaß
Tnnkt sie der große NicolaS.«

Damit nicht der leiseste Zweifel übrig bleibe, wen der
Pasquillant unter dem großen Nicolas verstanden wissen will,
bekleidet er Allerhöchstdesselben Haupt mit einer Kosakenmütze und
die Füße mit orientalischen Pantoffeln, welche das von lächer-
licher Russophobie erdichtete Eroberungsgelüst einer rein conser-
vativen europäischen Großmacht im Orient bezeichnm. Darin
liegt der Schlüssel zu der Chiffreschrist, die wir nun bequem
und natürlich auflösen: England, Oesterreich und Preußen find
bei der orientalischen Frage durch Rußland in die Tinte ge-
kommen!

Und ein solches Buch kann in Frankfurt, unmittelbar
unter der Nase des Durchlauchtigsten deutschen Bundes unge»
rochen erscheinen? Und wir wundern uns, wenn in gerechter
Empfindlichkeit auswärtige Reclamationen dagegen protestiren,
wenn am Ende daS europäische Gleichgewicht im Tiefsten ge-
stört wird? Alles dieS zu einem Augenblick, dessen drohende
politische Eonstellation den innigsten Anschluß Deutschlands an i
jene Großmacht wünschenSwrrth, ja nothwendig macht, in einem
Augenblicke, wo, beglückenden Gerüchten zufolge, diese Groß-
macht im Begriffe steht, sich unauflöslich, mit generösen Opfern !
und Zugeständnissen, mit unS zu verbünden?!

Allein genug, zu viel schon über ein Werk, daS unter
kindischen Mitteln die teuflischesten Zwecke verbirgt. Wir könnten
noch erwähnen, daß auch LouiS-Philippe, als Zappel-Philipp,
der nicht

»still

Wohl bei Tischt fitzen will,-

Er gaukelt
Und schaukelt,

Sr trappelt

Und zappelt« ic. >c. ,c.

daß Peel, der große englische Staatsmann als fliegender Robert
verhöhnt worden; aber wir glauben, unsere Unterthanen» und
Bürgerpflicht durch vorstehende Anzeige vollkommen erfüllt zu
haben. Wer Ohren hat zu hören, der höre!

«) Ich kann es nicht über mich gewinnen, de» gemeinen Ausdruck
»Buben« in dieser Anwendung zu wiederholen.

anmcTf. d. entrüsteten Lever».

L7 *