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Es ist was faul im

sentant aller deutschen Tugenden in einer feierlichen Sitzung
auf das Feierlichste erklärte: Er werde etwas thun! Bei
dem deutschen Volke aber ries er jene unendliche Anzahl von
Adressen hervor, diese fürchterlichen papierenen Armeen, die
eine solche Furcht unter den Dänen hervorgerufen haben, daß
man hier in Kopenhagen die unartigen Kinder damit zu Ruhe
bringt, wie mit Knecht Ruprecht und sonstigen Gespenstern.
Jedes deutsche Vaterland sagte in seiner Sprache den bedräng,
ten, meerumschlossenen Landsleuten die kräftigsten Sympalhieen
zu; und so wurde den edlen Vorkämpfern der deutschen Sache
in Schleswig-Holstein die süße Ueberzeugung, daß, wenn sie
auch ihre schönen Bestrebungen mit zehn bis zwanzigjähriger
Festungsstrafe büßen müßten, im fernen deutschen Vaterlande
dennoch viele tausend Herzen ihren Heldenmmh bewundern
und fie im Stillen um diesen Heldenmuth beneiden würden.
Die längste unter allen diesen Adressen war die der sürstlich
lippe-detmoldischen Unterthanen, welche, unter Anrufung der
Manen Armins und der ältesten Eichen ihres Teutoburger
Waldes, geradezu Protest dagegen einlegten, daß die Schleswig-
Holstein-Meerumschlungenen gegen das Siaatsrecht vererbt
werden sollen; indem fie die nordischen Landsleute dadurch
für eine Art Erbstück erklärten und am Schluffe hinzufügten:
Auch fie, nämlich die fürstlich lippe-detmoldischen deutschen
Unterthanen, würden es sich unter ähnlichen Umständen nie
gefallen lassen, an einen andern vererbt zu werden, als an
einen legitimen Sproß ihres Fürstenhauses. — Diese Adresse
hat man einstimmig als ein Meisterstück von loyaler Beredt-
samkeit in dem dänischen Staatsarchiv zu Kopenhagen nieder-
zulegen beschlossen.

Was die letzten Tage deS allverehrten höchstseligen Königs
anbetrifft, so waren fie nur erbaulichen Betrachtungen gewid-
met, und nach Abweisung aller irdischen Schlacken beschäftigte
sich Seine Seele mit dem Höchsten und sein Gemürh war der
Versöhnung geöffnet. Deßhalb ließ er den englischen, fran-
zösischen und russischen Gesandten, welche Herren in der letzten
Zeit auf einem etwas gespannten Fuße gelebt hatten, vor sein
königliches Lager entbieten, ergriff ihre Hände, fügte fie in
einander, sie zur Eintracht und zum besten Vernehmen drin-
gend ermahnend. Und indem er sein schon verlöschendes Auge
auf eine Generalkarre von Deutschland, die über seinem Belle
hing, und auf welcher die Glanzen der einzelnen Monarchien
mit rother Farbe bezeichnet waren, heftete, fügte er hinzu:
„Nehmt dieses glückliche Land — euch zum Vorbilde, dann
werdet ihr groß und mächtig sein."

Nachdem die Gesandten abgetreten waren, eilte sein Sohn,
der jetzige König, mit trauererfülllem Herzen an das Bett sei-
nes geliebten Vaters, um den letzten Segen zu empfangen.
Als der sterbende König ihn erblickte, verllärte sich noch ein-
mal sein Auge, und indem er seine Hand auf die Abschrift
sämmtlicher Schleswig - Holstein'schen Adressen, die neben ihm
auf einem Tische lagen, finken ließ, flüsterte er seinem Erben
halb vernehmbar in's Ohr: „Der Weise erkennt die Zeichen
seiner Zeit; jetzt, mein Sohn, oder nie!" und unter den
Thränen seines Kindes verschied der geliebte Vater.

(Zwei Tage später.)

Heute geht das Gerücht, eS sollen bei der morgen stattfin-
denden Beerdigung des Königs zu dessen Leichenfeier sämmt-
liche Redacteure deutscher Zeitungen in Dänemark lebendig

Staate Dänemark. IAA

mit begraben werden. Ich erwarte das Schlimmste und halte
mich aus meinem Zimmer.

(Drei Tage später.)

DaS Gerücht von der Beerdigung der dmtschen Redacteure
ist gottlob! nur ein Gerücht gewesen, und ich athme noch frei,
um Ihnen erzählen zu können, daß König Friedrich im voll-
sten Glanze seinen Thron bestiegen hat. Und dennoch hat !
jeneS Gerücht nicht ganz gelogen, denn feit einer Stunde ist j
mir die polizeiliche Bekanntmachung infinuirt, daß die „Fle-
dermaus, ein Blatt für deutsche Interessen in Kopenhagen,"
ihr Leben geendet hat. Und so stehe ich denn wieder am
Rande der Ungewißheit, und muß meine entwöhnten Hände
noch einmal dem Pech und der Ahle bequemen und wieder
den Schuhmacher spielen. O hätte ich doch als solcher nur
den zehnten Theil deS Pechs, das ich alS Redacteur eines
deutschen Blattes in Kopenhagen gehabt habe!

Noch eine Anecdote muß ich Ihnen erzählen: Der ver-
storbene König ging in seinem Haß gegen alleS Deutsche so
weit, daß er aufS Strengste den in Kopenhagen sich aufhal-
tenden Deutschen verbot, sich irgend eines deutschen Wortes
zu bedienen, und nur aus besonderer Gnade machte daS Wort
„Echlafmütze" eine Ausnahme. Denn weil von Seiten
der hiesigen Deutschen wegen der empfindlichen Kälte deS nor-
dischen Klimas eine starke Nachfrage nach diesem Artikel zu
geschehen pflegt, so wurde den Kaufleuten erlaubt, dieS einzige
deutsche Wort aus ihre Schilder setzen zu lassen. Nun geschah
eS, daß ein Krämer, ein Däne, der in diesem Artikel specu-
liren wollte, und dem das Wort „Schlafmütze" unbekannt
war, nach der Analogie von „Türkenbund" statt „Schlaf-
mütze," „deutscher Bund" auf sein Schild schrieb, und
so wegen Uebertretung des strengen Gesetzes in eine ansehn-
liche Strafe genommen wurde. —

Man ist sehr gespannt auf die ersten Schritte deS neuen
Königs, und ich werde Ihnen seiner Zeit Genaueres darüber j
mittheilen. —

Ich danke Ihnen für Ihre Beiträge zu der Stiftung für
unterstützungswürdige Vorkämpfer der dmtschen Nationalität
in fremden Ländern, und werde die Gelder an das betreffende,
Comitä abliefern. Zugleich übersende ich Ihnen noch einige
tausend Subscriptionsbögen zu Geldunterstützungen für zu-
künftige in's Unglück gestürzt werdende Vorkämpfer der deut-
schen Interessen in Schleswig-Holstein. Sie sind so gedruckt,
daß man nur die Namen der Herren, sobald fie durch die
Zeitungen bekannt gemacht sein werden, an die weißen Stellen
zu setzen braucht. Haben Sie die Güte, und vertheilen Sie
dieselben unter daS deutsche Volk.

Ich muß eS, sehr Hochzuverehrender Herr Landsmann,
Vetter und Freund! Ihrem gesunden Urtheil überlassen, ob i
Sie auch den ehemaligen Redacteur der „Fledermaus,
eines Tageblattes für deutsche Interessen" in
Kopenhagen unter die unterstützungswürdigen Vorkämpfer der
deutschen Nationalität in ftemden Ländern Hallen werden, und
bleibe voll Ergebung

Hochverehrtester Herr Landsmann, Vetter und Freund!

Ew. Wohlgeboren ganz unterthäniger
Jonathan Deutscher,
Festllngrstraße Nro. 8.

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