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187

Amerikanisch« Briese.

dorther datirt sich alles Ungemach, das mich heimsucht,' dort
ist die Ursache der entsetzlichen Stürme, welche hereinbrechen
werden. Bereits hat das Niesen um sich gegriffen; der Mal-
chus hat auch angefangen, der Patscher auch und der Hinkewipp
drückt beständig die Augen zu, als wollte er jeden Augenblick
niesen. Glauben Sie mir, bester Herr Vetter und Kollege,
diese Nieserei läßt mir keine ruhige Stunde mehr, und wahrlich,
zehntausendmal lieber wollte ich, daß noch die wilden Bestien
unter unfern Bäumen herumschlichen; da weiß man doch wenig-
stens, woran man ist, aber aus so einem niesenden Sakermenter
kann der redlichste Bürgermeister nicht klug werden. Gottlob!

Der tröstenden Momente sind bei solcher Lage der Dinge
nur wenige für mich. Bisweilen mustere ich meine mit Piken
bewaffnete Leibgarde, die am Ende jedes Mal in drei donnernde
„Vivat der Herr Bürgernieister Lampe!• ausbricht, wobei sich
der Nachtwächter Bimmel, die treue Seele, durch seine schöne
Stimme am meisten hervorthut; Gottlob! Bimmel ist wahr-
haftig ein höchst gebildeter Nachtwächter, der sich seiner Aufgabe
vollkommen bewußt ist und den ich allen europäischen Nacht-
wächtern zum Muster aufstellen möchte. Mit einem Worte,
er ist unter den Nachtwächtern das, was Bileam s Esel unter
den Eseln war, und nur eins gefällt mir nicht an ihm, daß
er sich nemlich die Nase mit den Fingern schneuzt. Fehler
haben ja aber, die Bürgermeister, Gottlob! etwa ausgenommen,
alle Menschen, und deshalb weiß ich über dieses Fehlerchen
meines Bimmelt hinwegzugehen. Nächst diesen Musterungen
meiner Leibgarde habe ich keine andere Freude mehr, als daß mir
meine theure Ehehälfte, die Versüßerin meines Lebens, am Abend
die Augsburger Postzeitung borliest, worüber ich in der Regel
sanft einzuschlafen pflege. Gottlob! — Meine Frau, die sich eben
so sehr als ich, auf Ihre nahe Ankunft freut, werden Sie
kaum noch erkennen; sie hat schon ganz den amerikanischen
Pli angenommen, was von dem Umgang mit dem lieben Vieh
herrührt, denn unter diesem muß das holde Wesen von früh
bis in die Nacht zubringen, und mit den Kindern, Davidchen
und Ursulchen ist es eben so; Gottlob! Davidchen ist ein aller-
liebster, kleiner Mistfinke,
der nichts lieber thut, als
den ganzen langen Tag
in Schmutz und Koth
herumwühlen, woraus
man mit ziemlicher Si-
cherheit auf seineAnlagen
zum Baumeister schließen
kann. Eine Familie, wie
die meinige, macht gewiß
manches Unangenehme
der staatsmännischen
Stellung vergessen, allein
ganz sich von dem Bür-
germeister loszumachen,
ist unmöglich und ein Theil der Sorgen folgt überall hin. Wel-
chen Weg habe ich aber einzuschlagen? Diese Frage drängt sich
mir immer wieder auf. Wie ist der einem Bürgermeister gebüh-
rende Respekt auf einer soliden Grundlage herzustellen? Wie ist
der Nieserei ein Ende zu machen? Wie bekomme ich einen zweiten
Gensdarmen? Wie einen zweiten Nachtwächter? Ach, es gibt
noch viele hundert.Wie', die mir jetzt nicht einsallen, da mir
in Wahrheit der Verstand stille steht;— und dabei immer die

Gefahr, daß des Kirkmeiers Pistole losgehen kann! Nein, das
ertrage ein anderer Mensch, als ein Bürgermeister; anders
muß es werden, und wenn es nicht anders wird, so— ja —
so warte ich noch ein wenig; Gotllob! — Und wenn es dann
noch nicht anders wird, so. so warte ich noch-

mals ein wenig; und wenn es hierauf noch nicht anders wird,

dann, ja dann, lieber Herr Detter und Kollege, dann.

weiß ich noch nicht, was ich thun werde! Gottlob! — Doch
ich hoffe, daß es nicht bis zu diesem Aeußersten kommen wird;
wenn es aber nicht bis dahin kommen soll, so dürfen mich
vor Allem die Bürgermeister aller gebildeten Völker nicht im
Stiche lassen. Sie, lieber Herr Vetter und Kollege, müssen
Ihre kurze Anwesenheit in Europa noch benutzen, um die dor-
tigen Bürgermeister zu einem eklatanten Schritt zu bewegen,
etwa zur Erlassung einer Adresse an mich. Man soll bedenken,
daß ich die Sache aller Bürgermeister zusammengenommen ver-
trete und daß ich deshalb wohl auf die unverholenen Sympa-
thien der Herren Kollegen zu zählen das Recht habe. Uebrigens
kann ich (wie ich Ihnen schon zu sagen die Ehre hatte), ster-
ben, — Gottlob, ja Gottlob! und sehen soll die Welt, wie
ein Bürgermeister stirbt. Gottlob!

Vor Allem bringen Sie aber 20—25 Pfd. Bestelmeier ohne
Rippen und 8—10 Pfd. Pariser Schnupftabak mit; theils will
ich sie zur Belohnung verwenden für Hetze!, Bimmel und die
beiden Kirkmeier; (die Pistole fällt mir bei diesem Namen
immer wieder ein); theils will ich die Uebrigen damit zu be-
stechen suchen und mir vielleicht so jene gemüthliche Ruhe ver- !
schaffen, deren sich die meisten der Herren Kollegen daheim in
den vaterländischen Gefilden erfreuen. Gottlob!

O kommen Sie bald, recht bald, lieber Herr Vetter und
Kollege, damit wir mit bereinigter Krall wirken können und
die segensreiche Ordnung, wo nicht der erste Beste niesen darf,
wieder Herstellen. Vor der Hand grüßt Sie aber und wünscht
Ihnen glückliche Reise zu Land und Wasser, Ihr, wie es unter
den geschilderten Umständen nicht anders sein kann,

ttefbettübter Vetter und Kollege

lampe, Bürgermeister.

N8. Vergessen Sie um's Himmelswillen den Bestelmeier
ohne Rippen und den Pariser nicht! 3hr

_ lampe, Bürgermeister.

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Amerikanische Briefe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Bauen
Spiel <Motiv>
Erde <Motiv>
Karikatur
Baum <Motiv>
Kind <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Amerika <Motiv>

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 6.1847, Nr. 144, S. 187

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