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Die beiden Geiger.

er durch seine Fertigkeit im Geigenspiel und durch alle erdenk-
lichen schönen Worte sich die ledige Stelle beim Rath zu
erwerben gedenke."
Fünf Minuten später war Konrad, der Geiger, schon wieder
zum Thore der Stadt hinaus und sandte über den sanft wogen-
den Egerstrom hinweg der trauten, oom rothglühenden Abend-
schein übergossenen Stadt einen letzten Scheidegruß zu. Hunger,
Müdigkeit und der brennende Wunsch, den er vorhin gehegt,
seinen müden Leib auf einer weichen Streu zur Ruhe zu legen —
alles das war vergessen; unaufhaltsam zog ihn der Gedanke
vorwärts, seinem Nebenbuhler zuvorzukommen und das Ziel zu
erreichen, das ihm vor einigen Monden noch belächelnswerth
klein und gering erschienen wäre, das ihm aber nun, durch
einen besonderen, seligen Umstand verklärt, als höchster und
köstlicher Lohn aller irdischen Mühen vorschwebte.
Wie er im Abendduft, glühend vor Eifer, bald träumerisch
sinnend, bald summend und singend, dahinschritt, verblaßte
allmählich das glühende Roth des scheidenden Tages; die thau-
schwcrcn Kelche der Wiesenblumen schlossen sich im Traume,
und aus dem bleichen Blau des himmlischen Domes tauchte
Stern auf Stern. Die schönen Berglinien, die den Pfad des
Wand'rers zur Linken begleiteten, verschwammen im feinen Nebel
der Sommernacht; von Süden her, wo von Zeit zu Zeit
zwischen Feldern und Büschen ein blitzendes Stück des in
malerischen Windungen hinfließenden Egerwassers sichtbar ward,
trug der Wind das tönende Geläut ferner Klosterglocken. Nach
und nach verstummte aber der trauliche Klang, und statt der
im Sternenlicht wogenden Aehrenfelder faßte nun dichter, hoher
Wald die Straße des einsam Wandelnden ein. Tiefer und
goldiger durchwirkt erschien jetzt das Blau des Himmels zwischen
dem dunklen Rahmen der Fichtenwände, feierlicher die Stille
der Nacht und schmeichelnder, sinnbethörender der Duft von
Heckenrosen und Waldklee, die der Südwind küßte. Das Lied,
das dem Geiger die Einsamkeit vertreiben sollte, erstarb auf
seinen Lippen, stattdessen aber stieg ein gar liebes und schönes
Bild in seiner Erinnerung auf: ein goldumflossenes, rosiges
Mädchenbild mit tiefen, strahlenden Sternenaugen — ein Bild,
so zart, so weiß und roth, so beweglich, hold und nixenhaft,
daß er, um den Zauber zu bannen, sich zur Seite des Weges
in's hohe, thaufeuchte Gras warf, die Hände unter den Kopf
legte und lächelnd und unverwandt zu dem himmlischen Aether-
blau emporschaute, von woher ihm die süße Offenbarung
gekommen.'
Wie lange er so dalag, weiß nur die Drossel, die ihm
zur Seite im wilden Fliederstrauch leis und schmelzend zu
singen begann. Als er sich, lächelnd über seine eigene Thor-
heit, erhob, um rüstig weitcrzuschreiten, stand Plötzlich ein
schlanker, schmalgebauter Gesell' vor ihm, der seine ernsten, aus-
drucksvollen Augen freundlich bittend aus ihn geheftet hielt.
„Wollt Ihr heute Nacht noch weiter wandern und führt
Euer Weg gleich dem meinen nach der Feste Eger, so können
wir wohl zusammen gehen, wenn es Euch nichts verschlügt",
meinte er nach höflichem Gruß. „Ich wollte eigentlich längs
des Flusses einen näheren Weg suchen, doch gerieth ich in

Sümpfe und Moor und bin froh, die Straße nun wieder-
gefunden zu haben. Irre ich mich nicht, so sind wir eines
Schlages", fuhr er, aus Konrad's Geige deutend, fort, „mein
Name ist Fried, und meines Berufes bin ich ein Spielmann!"
Konrad's munteres Gesicht, das beim ersten Anblick des
Genossen eine dunkle Wolke des Unmuthes beschattet hatte,
klärte sich bei dessen Worten mehr und mehr auf, bis endlich
ein herzliches Gelächter seine trotzig geschlossenen Lippen ent-
siegelte und die blitzenden weißen Zähne unter dem blonden
Schnurrbart zum Vorschein brachte. Uebermüthig reichte er dem
Fremden die Hand zum Gruß.
„Daß ich Euch fand, macht mir das Weitcrwandern jetzt
überhaupt unnöthig", sagte er, durch Fricd'Z Verwunderung
nur heiterer gestimmt. „Denn wenn mich jetzt nicht alles
täuscht, so seid Ihr derselbe Schelm, der heut im „Rössel"
am Elbogncr Markt seinen Imbiß nahm, der morgen dem
Rath zu Eger durch seine Kunst das Stadtpfeiferamt abzu-
locken gedenkt, und dem ich um jeden Preis den Rang ablaufen
wollte, trotz meiner schier blutigen Füße. Nun, setzt Euch nur
ganz ruhig noch ein Weilchen zu mir her in's Grün; dadurch,
daß wir uns fanden, haben wir Beide Zeit gewonnen!"
Was dem braunen Fried nach dieser unumwundenen
Erklärung noch an Verwunderung übrig blieb, das wußte
Konrad's lustige Beredsamkeit bald vollends hinwegzunehmen,
nachdem sie den Fremden wirklich dazu vermocht, im duftigen
Gras Rast von seinem Wandern und Irren zu suchen.
Schneller und Würmer haben sich wohl nie zwei Herzen
einander erschlossen, als die der beiden Geiger in der stern-
hellen Sommernacht zwischen flüsternden Halmen und lochendem
Gezweig. Als
dann gar Einer
um den Andern
seine Fiedel vor-
nahm und aus
bewegter, über-
guellcndcr Seele
die reinsten und
zartesten Proben
seiner Kunst dem
schnell gewon-
nenen Freunde
vorzuführcn be-
gann, da horchte
die Drossel, die
der Gcigcnsang
aus dcmTraumc
weckte, hoch auf
und meinte, der
Morgen sei er-
wacht und mit
ihm der Jubel
der Lerche; als
aber die beiden
Fiedler sich im
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die beiden Geiger"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wagner, Erdmann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Spielmann
Mittelalter
Freundschaft <Motiv>
Geiger
Bitte
Violinspiel
Wald <Motiv>
Begegnung <Motiv>
Männerkleidung
Junger Mann <Motiv>
Begleitung
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 88.1888, Nr. 2218, S. 38
 
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