Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
50

Die beiden Geiger.
Von Zchein.
(Fortsetzung.)

Valentin Goßwein, der
<7^1 Bürgermeister van Egcr, war
ein strenger Herr; — wenigstens ließ
er die Leute gern glauben, daß er's sei,
und wenn ihm etwas sein schweres Amt
erleichterte, so war es diese Klugheit.
Uebrigens wußte er, wenn er das
faltenreiche Amtskleid angethan und die
goldene Ehrenkette um den Hals befestigt
hatte, auch sein volles, angenehmes Ge-
sicht in so entsprechend ehrsame Falten
zu legen, daß Keiner angesichts dieser
Zeichen von Würde an seiner Strenge
gezweifelt hätte.
Fried, der Geiger, war der Letzte,
dem dies eingefallen wäre. Noch bleicher,
als er sonst auszusehen pflegte, stand er
vor dem stattlichen Herrn, welcher sich eben
zum Gang nach dem Rathhaus gerüstet
hatte und nun den demüthigen Gesellen
nicht zum Freundlichsten musterte. Zwischen
Erglühen und Erblassen, wie ein vom
Glück schon oft betrogener und verlachter
Mensch es thut, trug der Fiedelmann
seine Bitte vor.
Das Loos, welches zwischen den beiden
neuen Freunden entschieden, wer den
Gang um's Glück zuerst wagen sollte,
hatte für Fried gesprochen, und so war denn dieser, mit seiner
Geige in der Hand, muthig seinem Geschick entgegengeschritten.
Ein Knabe, den er um den Weg gefragt, hatte ihn von der
Herberge bis an's Thor des Bürgermeisterhauses geführt, in
das er mit klopfendem Herzen eingetreten. Um sein thörichtes
Bangen zu bezwingen, war er, statt zu der gezeichneten Eichcn-
stiege, durch den Thorweg hindurch nach dem Gärtchen zu-
geschritten, dessen Rosen und Feuerlilien ihm treulich zu winken
schienen. Statt aber hier Beruhigung zu finden, fand er nur
stürmischeres Bangen, denn wie er so unbedacht auf dem fremden
Boden dahinwandelte, sah er sich plötzlich einem lachenden
Mädchengesicht gegenüber, das wie das Antlitz eines fröhlichen
Märchengeistes aus der grünen Dämmerung einer Eschenlaubc
auftauchte, deren Schatten wehend über das schöne Köpfchen
glitten. So überaus lieblich, zart und klar hatte er sich trotz
all' seiner kühnen Phantasie das von Konrad so oft und
treulich beschriebene Angesicht der Bürgermcisterstochter nicht
vorgcstellt; ein solches Gemisch von Holdseligkeit und Schel-
merei hatte er sich überhaupt noch nicht träumen lassen. Daß
er's fertig brachte, trotz der Gedankenstrich, die schier über-
mächtig über ihn hercinbrach, das lächelnde Jungfrüulein in
zierlich gesetzter Rede nach dem gestrengen Herrn Bürgermeister
zu fragen, war ein Heldenstück, das ihm der Dichter voll
warmer Anerkennung nachfühlt. Mit höflichem Anstand wies

sie ihn nach derselben Eichentreppc, die
sein kleiner Führer ihm schon vorher
bezeichnet. Während er sich dann vor ihr
verneigte und noch einmal ihre ganze
lichtumflossenc Gestalt und ihr holdes,
lächelndes Gesicht mit schnellem Blick um-
faßte, reifte ein Gedanke in ihm, der ihn
vorher schon, wenn auch unklar und ver-
worren, beherrscht; wo ein solches Kleinod
für seinen Herzbrudcr, den guten, ehr-
lichen, fröhlichen Konrad, auf dem Spiele
stand, da mußte er mit allen seinen
Wünschen zurücktreten! Aber den Herrn
Bürgermeister mußte er doch sprechen, —
jetzt erst recht! — —
Und wie er nun nach einer etwas
verwirrten und zitternden Einleitung seinen
vollen Muth fand, um dem ehrwürdigen
Manne seine Bitte an's Herz zu legen,
da lauschte dieser verwundert auf: das
war das erste Mal in seinem nun schon
leis' zur Rüste gehenden Leben, daß Jemand
mit einem so närrischen Anliegen ihm
in den Weg trat. Es kostete dem Herrn
etwas Mühe, die ernsten Falten seiner
Stirn zu bewahren; daß ihm trotz Allem
ein warmer Tropfen über das strenge
Antlitz rann, sah der dcmüthig gebückte
Bittsteller nicht.
„Ja, aber bist Du denn nicht eigentlich recht treulos, daß
Du mir so Alles und Alles sagst, was Dein Freund Dir
anvertraut? Weißt Du nicht, daß ich den kecken Burschen aus
den Thoren der Stadt werfen lassen kann, statt ihm zu einem
Amt und.zu einer Frau zu verhelfen?"
Da lächelte Fried gar seltsam bewegt. „Unser Herrgott
ist auch ein strenger Herr, und wir beichten ihm doch!" sagte
er; dann aber war's mit seiner Fassung vorbei, und das mochte
wohl znm Theil daher kommen, daß der Herr Bürgermeister
sich mit einer hastigen, schier ungeduldigen Bewegung znm
Gehen wandte, zum Theil daher, daß aus einem fernen Gemach
ein leiser, lieblicher Mädchcnsang zu ihm hcrtöntc, der ihn
aufzuhorchen zwang.
Als er nach einem Rundgang uni's Städtchen, den er zur
Beruhigung seiner erregten Sinne für dienlich hielt, in die
Herberge kam, in der er mit Konrad ein Unterkommen gesunden,
fand er diesen ans der Herdbank stehend und den Mägden und
Burschen, die sich aus der Nachbarschaft zusammcngcfunden,
ein lustiges Stücklcin zum Tanze geigend. Bei Fried's Anblick
sprang er herab und warf die Fiedel zur Seite.
„Nun, wie steht cs?" sagte er, indem er mit seinen
warmen Fingern Fried's magere Rechte umschloß.
„Ich habe sie gesehen", flüsterte dieser statt jeden Bescheides,
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die beiden Geiger"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wagner, Erdmann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Staunen
Wegweisung
Begegnung <Motiv>
Geiger <Motiv>
Schöner Mensch
Junger Mann <Motiv>
Karikatur
Garten <Motiv>
Junge Frau <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 88.1888, Nr. 2219, S. 50
 
Annotationen