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V

Das Seefräulein.

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wieder, auch die Rastbank und selbst das Schifflein lag ruhig
in seiner Bucht. Eine Seerose, die er darinnen sah, hob er
mit freudiger Ueberraschung auf. Sie mußte aus dem Kranz
der Elfe gefallen sein und galt ihm als ein finniges Gedächlniß
ihrer jungen Bekanntschaft.

Er setzte sich auf die Bank und ließ seine Augen in der
Landschaft schwelgen, nebenbei auch bedacht, was etwa schön zu
malm wäre und gut in ein Bild paßte. Die Sonne in ihrer
vollm Pracht und ein herrlich blauer Himmel lagen über dem
duftmdm Thale. Der See glänzte und das alte Schloß dräute
und der Bauemhof in den Apselbäumm ließ seine Fensterlein
höchst einladend schimmem. Zuweilen ging ein leiser Morgen-
wind von dem Fichtenwald herab, säuselte durch das Schilficht
und kräuselte dm See.

„Ein anmuthiges Bild!" sagte er zu sich selber. „Aber
wie blaß find doch diese Hellen, sonnmscheinigm Schönheiten
gegm die poetische Göttcrdämmemng von gestern. Etwas Räthsel-
hastes bleibt cs immer. Ich wollt' es wäre eine Nire, eine
Elfe, ein Seeftäulein — jedenfalls ist es ein ungewöhnliches
Wesm, denn diese liebliche Keckheit, die hat von Hunderttausen-
dm nicht eine."

Er schlmderte fort am Gestade, immer bemüht, die Erschein-
ung fich zu erklären, und die schwachm Züge, die ihr Antlitz
in seinem Gedächtnisse hinterlassen, zu einem deutlichen Bilde
zusammmzumalm. So stand er plötzlich vor dem Bauernhöfe
in dm Apselbäumm. Die Bäurin saß auf der Sommerbank
und spann; die Dime nicht weit davon, that mit der Sichel
elliche leichte Sonntagsschnitte ins hohe Gras.

„Mit Verlaub," sagte der Jüngling, „ist da nicht ein Fräulein
gesehm wordm, jung und schön, in einem weißen Gewände?"

„Gewiß nit," sagte die Bäurin, „dahemm gibps keine
Fräulein."

„Habt ihr also keine Stadtlmte in der Wohnung, die den
Sommer auf dem Lande zubringm?"

„Was thätm wir mit dm Stadtleutm," sagte die Dirne
kühn und lachend. „Wir beten alle Tage, daß fie uns in
Ruhe laffm."

„Also gar keine Spur?"

„Nft von weitem!" antwortete die Bäurin. „B'hüt euch Gott."

Der Jüngling ging kopffchüttelnd seines Weges, und war
noch nicht wett gekommm, als die Dime kichemd zur Bäurin
sagte: „Das wird die Herrschaft ftmm, wmn fie heim kommt,
daß wir dm jungm Herm so richtig losgewordm find."

Der Jüngling stieg zum Karlstcin hinauf und ttat durch
dm hohm Thorweg in die öden Mauem, aus dmen allenthalben
frische Kräuter sproßtm, während junge Buchen spielmde Schat-
tm auf die zerbröckelndm Bmstwehrm warfm. Er hoffte noch
immer ein Zeichm zu finden, vielleicht eine gepflückte Blume,
einm Ramm frisch in den Baum geschnittm, ein vergessenes
Buch — vielleicht auch fie selbst, die geisterhafte, in ihrem
weißm Gewände unter dem Laubdache dahinwandelnd — Nichts
— es war, als wmn seit Jahrm hier keine Mmschen zugekehrt.

Fast hoffnungslos ging er wieder auf den Weg hinunter,
der durch eine wilde Schlucht an das Wirthshaus führt, wo

er die Nacht zugebracht. Vor ihm wanderte in festlichem Feier-
tagsstaate mit Blumen auf dem Hute ein ansehnlicher Land-
mann, dm der Jüngling bald einholte und begrüßte. Der
Bauer kehrte ihm ein schöngefärbtes heiteres Geflcht zu, in
welches schlichte, weiße Haare hingen, und sagte lächelnd: „Nu,
so find wir doch unser zwei; es geht fich immer etwas ftischer."

„Wo kommt ihr denn her?" ftagte der Jüngling.

„Ich Hab' meinen Hof da oben," antwortete der Bauer, „da
obm nicht weit vom See, beim Seebichler heißt man's."

„Habt ihr vielleicht auch Stadtleute in der Wohnung?"

„Ich nicht; kein Platz dafür — aber da drüben beim See-
bauem, der hat fich erst seinm Hof ein Bissel Herrichten laffm,
da möchten wohl etliche sein."

„Bin schon dort gewesm, aber die Bäurin will nichts davon
wissen, und die Dime noch weniger. Und doch ist mir gestem
ein Fräulein begegnet, ich weiß nicht wie."

„Nun, wmn ein schöner Tag ist, da kommen fie oft von
Reichenhall heraus und gehen spazieren."

„Es war aber schon ganz spät am Abende im Mondschein."

„Ja wo denn?" ftagte der Seebichler mit fichtlicher Neugierde.

„Da oben am See. Das Fräulein fuhr im Schifflein —
ich auch damit — und führte seltsame Reden. Sie trug einen
Schleier und einen Kranz von Seerosen darauf. Ich konme
aber nicht erftagm, woher fie sei und wie fie heiße."

„Halt!" sagte der Seebichler, „das ist ganz etwas Andres."

„Und was denn?"

„'S paßt nicht für jeden und da sind wir lieber still."

„Nun möcht' ich's aber gar zu geme wissen, lieber, ange-
nehmer Seebichler!"

„Ja, wmn's da oben ist gewesen am See, im Schifflein, im
Mondschein, ganz unbekannt und so weiter, dann bedeutet's
ein Seeftäulein. Die kommen zuweilen herauf und vor Altem
hat man fie oft gesehm. Das find schöne Mädeln und wenn
fie einen gem habm, können fie ihn recht glücklich machen."

„Wunderlicher Mensch!" sagte der Maler, „geht euch dmn
das Ding wirklich von Herzen?"

„Wenn ihr nicht wollt, so müßt ihr's ja nicht glauben.
Aber bleibt nur einmal ein halbes Jahr in unsrer Gegend; da
gibt es ganz besondre Geschichten."

„Die höp ich für mein Leben gem," sagte der Maler.
„Fangt doch gleich an damit, lieber Seebichler!"

„Jetzt schon gar nicht," mtgegnete der Bauer, „wo es aus
Mittag zugeht und Alles so hell ist und voll Sonnenschein.
Aber heut' Abend nach Betläuten, da lass ich mich wieder finden."

„Und wo denn?"

„Das wird fich weisen. Jetzt gehen wir einmal miteinander
bis ins Wirthshaus da unten und da ist eine Hochzeit. Da
heirathet das Beckerlenerl von Hausmaning den Schlagerlenz
aus unsrer Gemein'. Da bin ich der Vetter zu der Braut und
da will ich euch schon befteundt machen mit den Hochzeitgästen,
daß ihr einen lustigen Tag habt — wmn ihr überhaupt mit
Bauersleutm umgehen könnt."

„Da dürft ihr gewiß keine Angst haben," sagte der Maler.

„Nu, wir werden's bald sehen," erwiederte der Bauer.
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