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Memoiren eines Opferpfennigs.

habe ihn so betrübt; aber später Hab ich erfahren, daß der
Grund seiner Betrübniß darin lag, weil er meine Gesellschaft
gegen die Marietta's hatte vertauschen müssen. Das hätte sich
doch kein Mensch träumen lassen, meine Gesellschaft und die
einer achtzehnjährigen Puppe — schloß kopfschüttelnd der Pfarrer.

„Darunter will ich nicht verstanden sein," antwortete die
strickende Gesellschaftsrichterin, „ich fänd's im Gegentheil unbe-
greiflich, wie es einer fich hätte anders träumen lassen können.
Ich habe dadurch erst einige Achtung vor euerm Kupfergast er-
halten, da er doch Gefühl zeigt und Unterscheidungskunst."

Der Pfarrer war beleidigt und appellirte an das Rechts-
gefühl der Gesellschaft. —

„3a Rechtsgefühl haben wir," sprach das Mädchen, und Hub
ein Papier auf, das rem Alten aus seinem Manuscriptpäckchen
gefallen war; „hier ist etwas von euernr Eigcnthum, sucht eine
Gesellschaft, wo man es euch so schnell wieder zurückgestellt hätte.
Doch halt, zuerst muß ich doch lesen, was droben steht." —

„Nichts," rief der Alte, „her damit du Vorwitz" und so
riß er ihr das Blättchen zornig aus der Hand.

„Ach, das begreif ich gar nicht," entgegnete das Mädchen
im weinerlichen Ton, „ibr seid doch Pfänderspieldirector und
Archivar unserer feinsten und theuersten Gefühle, und so lang
ich denke, war ein Pfänderspieldirector immer der höchsten Sanft-
muth beflissen und hat fich Alles gefallen lassen, und seit ich
euch kenne oder ihr mich, was gestern an meinem Geburtstag
achtzehn Jahre gewesen find, habt's Ihr auch immer so gemacht.
Wie seid Ihr so sonderbar?"

Der Alte mußte lachen, und das um so mehr, da jetzt auch
der Gerichtshalter mit folgender Stylisirung angesegelt kam:

„Ich bin zwar über den Inhalt des ftaglichen Blättchens
nicht vollständig instruirt, sollte er aber desselben Betreffs sein,
wie das Vorgelesene, respective, wenn das, was auf dem
Blättchen steht, auf den alten Melcher et Consorten reslectirt,
so dürfte die Communication und Mittheilung besagten Blättchens
anher sehr wünschenswerkh erscheinen."

Dem Mädchen wurde das Papier wieder eingehändiget mit
dem Auftrag, es vorzulesen. — „Aha," rief sie, „jetzt weiß ichs,
warum der Herr Pfänderdirector dies nicht hat vorlesen lassen
wollen. Es ist ein Brief von derselben Marietta, wegen der
er schon auf seinen Kupfergeist eifersüchtig war. Und der Brief,
ach! ist auch an Jemand Andern, als an unfern liebgeschätzten
Pfänderdirector gerichtet!"

Aber ein ihr sehr gut anstehender Ernst ebnete ihre von
j Muthwillen aufgeregten Gefichtszüge, als sie den Brief ein
' wenig näher betrachtete. Mit wohlklingender Stimme las sie:

„Der alte Melcher schreibt dir, liebe Marietta, folgenden Brief:

Da ist mein Sohn todt gewesen und da Hab ich unendlich
; viel geweint; einmal über sein Todtsein und dann über die
; Reden der Leute, ich sei daran Schuld. Und wie fie bei seiner
! Leiche gebetet, da Hab ich mich nicht hingetraut, denn fie hätten
mich noch mehr ausspotten können; ich saß heraus hinter rem
Holzhaufen und betete mit. Da wurd' ich so traurig, daß ich
nicht mehr beten konnte, ich schaute ganz starr in die finstere
Nacht hinaus; gerade so dunkel, so finster, dacht ich mir, liegt I

i_

die Ewigkeit vor mir, und bald, bald muß ich zu ihr hinüber.
Als ich so in den dunkeln Himmel hinausschaute, da leuchtete
ein Stern auf aus seiner Tiefe, so daß ich vor Freude schier
erschrocken bin. Ich hörte wieder das Beten, es war deine
Stimme, die so hell herausklang durch's Fenster; gerad wie
ich den Stern sah, warft ihr bei der Litaney und ich hörte dich
deutlich antworten: „Erbarme dich seiner.

O Erbarmen Gottes, seliger Stern in der Nacht der Ewig-
keit für alle Sünder. Wie bist du mir damals so lieblich vor-
gekommen. O verlaß mich nicht mehr. Amen."

Die Leserin faltete den Brief und steckte ihn mäuschenstill
unter ihr Brusttuch, der Pfarrer ließ es geschehen. — „Wie
kam der Brief in deine Hand?" — fragte jetzt einer aus der
Gesellschaft. — „Der alte Melcher hat ihn mir gegeben, als
ich letzthin in der Stadt war, denn dort lebt er beim alten
General." — „Hat er nicht Langeweile in der Stadt?" —
„Nein, die Marietta vertreibt ihm prächtig die Zeit." —
„Ist die bei ihm?" ftagten drei weibliche Stimmen zugleich.

„Freilich," sprach der alte Pfarrer lächelnd; „daß der alte
Melcher beim alten General ist, das ist sehr natürlich zuge-
gangen, wie aber Marietta die schöne Frau des jungen Ge-
nerals geworden ist, das soll eine sehr wunderbare Geschichte
sein, aber ich hab's nie von der Frau Generalin heraus bringen
können; deßungeachtet frag ich fie jedesmal darum, so oft ich
zu ihr konime; fie wird so hübsch roth dabei und an ihrem be-
scheidnen Lächeln seh ich mich nie satt; wers aber von euch
Mädchen wissen will, der gehe hin und ftage fie selbst." —
„Was?" rief die Strickerin, „Marietta ist die Frau des
jungen Generals geworden? die Treulose! armer Pfünderspiel-
director, armer Bleichino!" — M. O.

Nur konsequent.

Doktor. „Machen Sie in Ihrem Spitale auch Versuche?"

Professor. „Das glaub' ich! da haben wir z. B. für die
Lungenentzündung drei Abtheilungen. In der ersten bekommen
die Kranken gar nichts, in der zweiten bekommen fie Brech-
weinstein, in der dritten Brechweinstein und Aderlässe. Es
sterben überall gleichviel."

Doktor. „Glauben Sie nicht, daß mancher Kranke der ersten
Abtheilung durch eine Aderlässe zu retten gewesen wäre?"

Professor. „Ganz gewiß, aber dies darf nicht sein. Wir
müssen consequent bleiben, um zu einem Resultate zu gelangen."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Nur consequent"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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Maß-/Formatangaben

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Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Kranker <Motiv>
Hochschullehrer <Motiv>
Karikatur
Arzt <Motiv>
Experiment
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 9.1848, Nr. 202, S. 74
 
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