Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
82

Der Müllerstreit.

Nicht so leicht aber, als die Angelegenheit wegen der Metzger,
war der Streit mit den Müllern geschlichtet. Und damit
verhielt es fich also:

3m 3ahre 1280 erhob fich nämlich eine Zwietracht zwischen
den Bürgern von Frankenberg und den Müllern vor der Stadt.
Die Letzteren waren von allen städtischen Abgaben, Geschoß,
Bede, Feuerschilling re., sowie auch von den städtischen Diensten
seit undenklichen Zeiten befteit gewesen, und hielten darauf, als
auf ihr wohlerworbenes Recht. Gar manchmal zwar hatte man
den Versuch gemacht, den Müllern gleiche Lasten, wie den
übrigen Einwohnern aufzulegen; da fie aber gute Freunde
unter den Rathsmitgliedern hatten, und nicht innerhalb der
Stadtmauern, sondern an der Edder wohnten, so waren alle
Versuche ohne Erfolg geblieben. Die Wohlhabenheit der Müller
hatte unter solchen Umständen sehr zugenommen und der Neid
darüber natürlich auch. Darum wurden der Feinde immer
mehrere und in dem gedachten 3ahre trug sich außerdem noch
etwas zu, das die Vorrechte der Müller aufs neue bedrohte.

Unter den einflußreichen Bewohnern der Stadt war nach
; dem regierenden Bürgermeister keiner, der mehr gegolten hätte,
l als der Stadlkämmerer Christoph Becker oder Pistorius, wie
er fich nach damaliger Sitte und als ein Gelehrter lieber nannte.
Cr war ein langer, hagerer Mann, wohl erfahren in den Rechten
und Verordnungen der Stadt, geschickt und eifrig in seinem
Amte. Und da er zugleich auch mit weltlichen Gütern gesegnet
war, so hätte gewiß manche Mutter ihn fich zum Eidam ge-
wünscht, und seine Fehler — von denen ja jedes Menschenkind
einen größeren oder geringeren Antheil besitzen soll — willig
übersehen. Nichts desto weniger beharrte Ehren-Pistorius im
ehelosen Stande. Ein Jahrzehent nach dem andern verstrich;
die Gestalt des Sladlkämmerers wurde immer hagerer, seine
Wangen runzeliger, seine Haare dünner, und noch immer führte
er mit der alten Haushälterin dasselbe einförmige, freudlose
Dasein. Diele konnten nicht begreifen, warum der angesehene
Herr Becker fich zu solchem Opfer verdamme? Andere behaup-
teten, er sei zu geizig, durch Frau und Kinder seine Ausgaben
zu vergrößern; auch litte das seine Haushälterin nicht, die ihn
gewaltig unter dem Pantoffel halte. Noch Andere wollten
wissen, der Stadtkämmerer sei gar kein so standhafter Verächter
des schönen Geschlechts, als er äußerlich scheine, und entschädige
fich im Geheim am Leckerberge für den aufgelegten Zwang.
Don diesem Leckerberge aber berichtet ein ehrlicher Chronist:
„Es saßen hier die Spinnerinnen, Wollkämmerinnen, Nähterin-
nen und andere gute Dirnen, da gingen die leichtsinnigen Ge-
sellen zu und geschähe viel Leckerei daselbst."

Ohne bestimmen zu wollen, wieviel an dem Gerede wahr
sei oder nicht? so ließ fich doch nicht läugnen, daß Herr Chri-
stoph Pistorius seit einiger Zeit öfter wie sonst einen Nach-
mittag oder auch einen ganzen Abend bei dem Müller Gebhard
zubrachte und eine ganz besondere Neigung zu dem Hause zu
haben schien. Dem allen Gebhard, meinte man, könnten unmög-
lich diese Besuche gelten; denn der sei ein ungebildeter, aufge-
blasener Mensch, wenn er auch dem Stadlkämmerer in Betracht
vor dessen hoher Stellung und Einfluß im Rathe mit großer

Ehrfurcht begegne und fich durch seine Freundschaft geschmeichelt
fühle. Gewiß sei die schöne Margarethe, des Müllers einziges
Töchterlein, ein weit stärkerer Anziehungspunkt für den ver-
liebten alten Junggesellen. Und das bestätigte fich dann auch
immer mehr.

Anfangs hatte er nur freundlicher gelächelt und zierlicher
fich ausgedrückt, wenn die Jungfrau in's Zimmer trat. Bald
aber wußte er fich ihr mehr zu nähern, fie in ein Gespräch zu
verflechten, oder sonst ihr seine Aufmerksamkeit zu beweisen.
Zuletzt brachte er sogar kleine Geschenke, und das Gewählte,
Jugendliche, womit er fich seit Kurzem kleidete, gab der ganzen
Stadt die Gewißheit, daß auch für den Stadtkämmerer endlich
die Stunde geschlagen habe.

Nur Margarethe in ihrem schuldlosen, unbefangenen Sinn
merkte nichts. Herr Christoph Pistorius war ihrem Vater ein
geschätzter Gast, dem sie als solchen schon nicht unhöflich be-
gegnen konnte, und dem fie die seinem Amte, seinen Jahren und
Kenntnissen schuldige Achtung mit Freuden selbst dargebracht
hätte, wäre er ihr nicht durch sein süßliches, zudringliches Wesen
widerlich geworden. Zudem besaß der Müllerbursche Kurt ihr
ganzes Herz. — Die Liebe spielt oft sonderbar. Kurt war der
ärmste von allen Knechten ihres Vaters und nicht einmal schön.
Aber ein offenes, ehrliches Gesicht hatte er, und die blauen

Augen blickten so treu und wahr, daß Margarethe meinte, so
ein Blick ließe fich nie vergessen. — Gesagt hatten fich die
Beiden noch nichts und das war auch nicht nöthig. Aechte
Liebe bedarf des Wortes nicht. Es konnte auch nicht besser
werden, als es war. Denn das Mädchen verhehlte fich nicht,
daß ihr Vater den ganz mittellosen Kurt nicht sehr fteundlich
empfangen würde, wenn dieser als der Bewerber der einzigen .
Tochter aufttat. Im Ganzen aber kümmerte fie es wenig. Sie
war noch jung, er war noch jung, fie konnten also Watten.
Blieben fie sich nur treu unter allen Umständen, so müßte fich
die Sache schon machen.

Nun ttaf es fich, daß den Vorgesetzten der Stadt die üblichen
Geschenke überbrachr werden mußten. Damals nämlich war
noch die gute Zeit, wo der wohlhabende Bürger es nicht für
möglich hielt, etwas Wichtiges zu feiern, ohne daß die Vor-
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Müllerstreit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schmolze, Carl Hermann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Knecht <Motiv>
Bildnis
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 9.1848, Nr. 203, S. 82
 
Annotationen