Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Müllerstreit.

90

Müllermädchen hat in dem Augenblick die Thür geöffnet, Ihr
habt Euch schnell umgedreht, um die Eintretende, wie es Eure
löbliche Sitte ist, mit Höflichkeit zu bewillkommnen; dadurch
ist der Stuhl, auf dem Ihr standet, umgekippt, Ihr habt Euch
an dem Schranke zu halten gesucht, dieser ist gleichfalls in's
Wanken gerathen, und so ist Stuhl, Tisch und Schrank mit

Euch zusammengestürzt. Ein Gottes Glück nur, daß Ihr selbst
noch mit dem Leben davon gekommen. So habe ich die Sache
meinen Bekanntinnen erzählt und so glaubt fie die ganze Stadt."

„Aber wie ist es mit Margarethe? Wird sie nicht das
Ding anders darstellen?"

„Kein Gedanke daran," versicherte Susanna. „Ich habe
gesagt, Margarethe sei von dem Schreck und dem Gepolter so
außer fich gewesen, daß fie fast ohnmächtig geworden und fich
von dem Müllerburschen habe müssen führen lassen. Seid gewiß,
wenn fie anders spricht, glaubt ihr Niemand. Mein Wort gilt.
Die Müller find so verhaßt bei jedem ordentlichen Bürger, daß
keiner auf ihr Geschwätz etwas gibt." —

Kaum vermochte nun der Stadtkämmerer fich auf das Rath-
haus zu schleppen — und die Begierde, fich zu rächen, be-
schleunigte außerordentlich seine Herstellung — so beschloß er
gleich jenem Römer jede Sitzung mit den Worten: krseteres
censeo, tlortüsAinem esse «ieleiuism! das heißt auf deutsch:
Schließlich trage ich darauf an, daß man die Müller ihrer
vorgeblichen Rechte und Freiheiten beraubt!

Auch brachte er eine Schrift zu Stande, worin er sonnen-
klar bewies, wie unrecht, wie verderblich und wie schändlich es
sei, daß die Müller die Bede, Geschoß und Feuerschilling nicht
zahlten, und wie nothwendig und christlich es sei, fie mit den
übrigen Bürgern gleiche Lasten tragen zu lassen.

Es bedurfte aber eines solchen Beweises gar nicht, jeder
Frankenberger war davon im voraus überzeugt. Es ftagte fich
nur, warum man die Müller nicht schon längst dazu angehalten
habe und wie man fie überhaupt dazu zwingen könne und wolle?

Was das Erste betraf, so kam hier Mancherlei zur Sprache,
waS die Herrn vom Rache nicht gern veröffentlicht gesehen
hätten. Denn die Müller hatten ja ihre Rechte durch einen
fteiwilligen Tribut fich erhalten. Nahm man ihnen diese, so

fielen natürlich die vielen reichen Geschenke in Zukunft weg.
Allein große Zeiten bringen auch große Entschlüsse hervor, und
so wurde man denn nach ernsten und häufigen Berathungen
eins: diesen Ausfall im Haushalte hintanzusetzen und strenges
Recht ohne Ansehen der Person zu üben. In dem dem Stadt-
kämmerer zugefügten Leibesschaden und durch die fteilich unbe-
abfichtigte Bedrohung seines Lebens, d. h. weil Margarethe
zufällig in dem Augenblicke die Thür geöffnet hatte, wo Herr
Pistorius über dem Aktenschranke kramte, war die Ehre und
das Leben der ganzen Stadt bedroht und beschimpft und man
durfte ein kleines Opfer nicht ansehen.

Man schritt also zum zweiten Punkt, und kam überein: es
müsse den Müllern vor allen Dingen bekannt gemacht werden,
daß ihre vorgeblichen Rechte und Freiheiten von nun an auf-
gehoben seien.

Ihrerseits waren die Müller auch nicht müßig gewesen; der
alte Gebhard konnte als das Haupt der ganzen Genossenschaft
betrachtet werden. Obgleich er fich nun die Verbindung mit
dem einflußreichen Stadtkämmerer als sehr annehmlich gedacht,
so hielt er doch streng auf Zucht und Sitte; und Margarethe
hatte nicht ermangelt, die Behandlung des säubern Herrn mit
grellen Farben zu malen. Ohne die zufällige Dazwischenkunft
Kurts, sagte fie, wäre fie ganz in der Gewalt des Ehrlosen
gewesen. Susanna sei eine schändliche Kupplerin, und von den
Gerüchten vom Leckerberge, die jetzt plötzlich wieder auftauchten,
könne man auf den ganzen Lebenswandel des Stadtkämmerers
schließen.

Glaubt er etwa, er könne mit uns verfahren, wie er wolle,
weil er in der Stadt wohnt und wir nur Müller find? hatte
man gesagt. Wir wollen ihm aber zeigen, daß wir uns eben
so viel dünken, wie er! Ja, keinem Bürger, keinem Stadt-
kämmerer und selbst dem Bürgermeister wollen wir weichen.
Wir find freie Männer und wollen es bleiben!-

Für gewöhnlich herrschte Neid und Zwiettacht unter den
Müllern. Jeder that dem Andern, wo er konnte, jeden mög-
lichen Tort an. Und dem alten Gebhard namentlich waren alle
gram. Jetzt waren auf einmal Alle die besten Freunde und
machten die Gebhard zugefügte Beleidigung zu ihrer eigenen.
Selbst auf die andern, auch jenseits des Stadtgebietes liegenden
Mühlen dehnte fich die Verschwörung aus, welche gegen die
Bürger von Frankenberg angezettelt wurde. Boten wurden ab-
gesendet zu beiden Ufern der Edder entlang. Versammlungen
wurden berufen, Reden gehalten, und der unbedeutende, von
Niemand beachtete Kurt war plötzlich eine wichtige Person ge-
worden, dessen Wort etwas galt.

Das Gerücht, welches bei solchen Gelegenheiten nie müßig
ist, hatte die Müller schon früher von den Rathsbeschlüffen in
Kennmiß gesetzt, ehe sie noch gefaßt worden waren, und fie
wußten also, welche Gefahr ihnen drohte. Darum säumten fie
denn nicht, Gegenmaßregeln zu wessen, und beschlossen, ihr
Gewerbe vor der Hand einzustellen, wenigstens für keinen
Frankenberger Bürger Frucht zu mahlen, und durch mulhiges
Zusammenhalten zu verhindern, daß dies auch sonst wo anders
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Müllerstreit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schmolze, Carl Hermann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Schrank
Sturz <Motiv>
Karikatur
Buch <Motiv>
Zimmer <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 9.1848, Nr. 204, S. 90
 
Annotationen