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162

„Er ist ein Feuerreiter!" entgegncte der zuletzt aus der Kegelbahn
hereingetretene alte Rittmeister.

Alle Eingeborenen nickten befriedigt mit dem Kopf und suchten
nach Stock und Hut, aber die Fremden gaben sich noch nicht zufrieden.

„Ein Feuerreiter?" frugcn sie; „aber bestcrRittmeister, ist denn
das eine Charge, und was für eine, und wie hat er es riechen kön-
nen, daß es brennt?"

Der Rittmeister zuckte die Achsel und antwortete mit geheimniß-
voller Miene: „Die Sache ist sehr merkwürdig und wenig außerhalb
unserer Gegend bekannt. Es gibt hier zu Land gewisse Leute, aber
nur wenige, und sonderbarer Weise nur Amtmänner und Schulzen,
welchen eine Macht über jedes Feuer verliehen ist. Wenn sie das
Gehöfte, in welchem es brennt, dreimal umreiten, dann sind alle
übrigen Gebäude gerettet, aber bann müssen sie sich auch in schnellster
Flucht vor dem Feuer zu retten suchen, das erzürnt, einen Raub auf-
geben zu müsien, den kühnen Beschwörer so lang verfolgt, bis es
diesem gelingt, ein Wasier zwischen sich und das nachschießende Element
zu bringen. Wehe ihm, wenn ihm das nicht gelingt — man findet
dann nichts mehr von ihm, als ein Häufchen Asche."

„Unmöglich! Sehr poetisch! Aberglaube! Tollheit!" riefen die
Gäste lachend; „wer wird in unserer aufgeklärten Zeit noch an so
etwas glauben?"

„Meine Herren," sprach der Rittmeister ziemlich ernst, „es muß
etwas Wahres an der Sache sein. Sie haben selbst gesehen, wie
eben der Amtmann —"

„Und Sie wollen uns glauben machen, daß es jetzt wirklich
irgendwo in der Nähe brennt?"

„Hören Sie die Antwort!" ries der Rittmeister.

In demselben Augenblicke schrillte vom Thurm herab der Ruf der
Feuerglocke, die Spritze rasselte durch die Gasse und das Feurjo!
Feurjo! schallte markdurchschütternd aus hundert Kehlen.

Wie anders war es geworden indem vor wenigen Stunden noch
so ruhigen, zufriedenen Dorfe! Die untergehcnde Sonne hatte eineu
Nebenbuhler gefunden, und warf beschämt riesige Schatten, während
aus dem Dache einer Scheune, keine vierzig Schritte von dem Hofgut
entfernt, eine wunderbare Feuersäule, umwogt von rothem wirbelndem
Qualm, triumphirend gen Himmel schlug, als lecke sie nach den

Wolken. Viele Menschen waren versammelt, in jeder
Minute eilten neue hinzu, auch Spritzen waren genug
vorhanden, aber Alles stand unthätig. Niemand versuchte
zu löschen. Es wäre dies auch höchst unnöthig und
nutzlos gewesen. Die Scheune, etwas abgelegen von
den Gebäuden des Bauerngutes, zu dem sie gehörte, war
noch zur Hälfte mit Stroh und Heu, außerdem mit Haide-
kraut und Reisigbündeln gefüllt gewesen, das Stroh-
dach und das leichte Sparrenwerk brannte ohnedies wie
Schwefel, und so flackerte eine Gluth empor, deren
majestätische Schönheit eine wahre Ehrfurcht cinflößte.
Es war ein ergreifender Anblick, die Menschenmenge in
lautlosem Anstarren der wunderbaren entfesselten Kraft
des Elements versunken stehen zu sehen, Menschen zumal,
auf welche sonst so leicht nicht eine Naturscene großen
Eindruck macht. Dieser Bann löste sich erst, als der
Eigenthümer der Scheune aus seinem Hause trat. Ec
war der älteste Mann der Gemeinde, ein hoher Achtziger,
wohlhabend und besonders wegen seiner großen Frömmig-
keit und Rechtschaffenheit geschätzt. Er brachte den Knechten,
die mit den Spritzen gekommen waren, Brod und Brannt-
wein. Ein Gemurmel der Theilnahme lief durch die
Massen; der Greis hörte es, hob den Kopf und sagte
laut: „DerHerr hat's gegeben, der Herr hat's genommen,
der Name des Herrn sei gelobt! Ich danke Euch Nach-
barn — aber Eure Hülfe ist hier nicht mehr nöthig,
der Wind weht von meinem Hause ab. Drüben aber,
beim Hofbauern, ist Hülfe nöthig. Gott schütze ihn und
Andere!"

Aller Augen richteten sich nach dem Hofgut, dort
war allerdings große Gefahr. Der Brand hatte jetzt
seinen Gipselpunft erreicht, wie von dämonischen Kräften
gepeitscht krümmten und bäumten sich die zischenden,
pfeilgeschwinden Flammen, bald in himmelhohen Pyra-
miden schossen sie empor, bald rollten sie sich in dunkel-
rothe Knäuel zusammen, aus welchen Blitze zuckten; als
sei noch eine Seele im todtcn Hvlz, so ächzten die Balken,
welche die gierige Gluth zernagte und unheimlich raschelte
und knisterte es im Inneren des Baues, als kämpften
tausend Schlangen dort einen Vernichtungskampf. Das j
Hofgut war von dem Feuer so grell erleuchtet, daß man
auch den kleinsten Gegenstand so deutlich wie am hellen .
Mittag erkennen konnte. Der Wind hatte sich erhoben
und wehte einen Funkenregen hinüber auf die Dächer des
Hofbauern; Milliarden kleiner, glänzender Sterne füllten
die Luft, und wehe der Wohnung, in deren Strohdach
sie sich so fingen, daß sie zu lebendiger Flamme ange-
blasen wurden! Der Hofbauer hatte die drohende Er-
scheinung nicht übersehen; seine Knechte standen auf den
Dächern und breiteten über das Stroh naffe Laken, welche
die Mägde unter Mariens Leitung hinaufwarfen, aber
deren waren viel zu wenig, die Arbeit ging trotz allem
Eifer nur langsam von Statten. Bcrzweiflungsvoll ging
der Hofbauer auf und ab, aber nicht einen Schritt rascher,

Der Feuerreiter.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Feuerreiter"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Reiter <Motiv>
Haus <Motiv>
Feuer <Motiv>
Brand <Motiv>
Nacht <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 9.1848, Nr. 213, S. 162
 
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