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186 Der billige Schweinetransport.

in Otterndorf, der Hauptstadt des Landes Hadeln und Wursten,
gewesen, wo er seinen holsteinischen Fuchs-Klepper vortheilhaft
verkauft und ein ziemlich korpulentes Schwein eingehandelt
hatte. Nachdem er sich beim Wirth „zur blauen Henne," wie
gewöhnlich, in eine gcmüthliche Stimmung versetzt hatte, machte
er sich auf den Weg nach dem heimathlichen Wurstdorf, das
fast zwei Meilen von Otterndorf entfernt liegt. Als er den
lärmenden Markt der Stadt verlassen hatte, schlug es vom
Kirckthurm 6 Uhr. So schritt Jan Peter Timm unverdrossen,
das Leitseil in der Hand, hinter seinem Schwein her-

sein Brösel brannte ja, sein Tabaksbeutel enthielt reichlichen
Stoff zu eventuellen nachfolgenden Ladungen — gewiß dachte
Jan Peter Timm, wenn es auch nicht seinen Lippen enthaucht
ward, doch in den Tiefen seines Gemüthes an das schöne Lied:

; „Was frag' ich Viel nach Geld und Gut, wenn ich zufrieden
; bin—" und die Klänge dieses gedankenschweren Sanges durch-
zittertcn die Saiten seiner Seele, wie der Abendwind leis durch
eine Aeolsharfe wallt!! —

Aber ach! es kam eine schwarze Wetterwolke, den lachen-
den Jveenhimmel Jan Peter Timm's zu trüben-

Das Schwein, bisher der stumme Zeuge seiner erhabenen
Gefühle, zeigte allmählig einen leisen Anflug von Melancholie!
Ob vielleicht die Phantasie dieses Wesens durch das rauhe
Gewirre des Otterndorfer Marktes zu sehr erregt war, oder
ob im Wirthshause „zur blauen Henne" ein unangenehmes
Begegniß seine Stimmung getrübt hatte — wer möchte dies

zu entscheiden wagen?!-

Gewiß ist, daß allmählig diese Schwermuth sich deutlicher
zu offenbaren anfing, und daß zuletzt die Ermattung des Gei-
stes den sonst blühenden Körper überwältigte. Nämlich gerade
als Jan Peter Timm mit seinem Schweine in dem einsamen
Walde des Dobrok sich befand, sank seine Errungenschaft plötz-
lich nieder, und alle Ermahnungen, selbst die schlagendsten
Beweise für die Zweckmäßigkeit des Weitergehens von Seiten
des Inhabers, vermochten nicht, sie aus dem status quo zu
bewegen. —

„Was thun?" dachte einst der alte Heide Zeus, als ihn
ein Poet ähnlich in Verlegenheit brachte— „was thun?" dachte

auck sein Nachkomme, der Halbhufner Jan Peter Timm — ?
War auch die „Welt nicht wcggegcben," so kam sie ihm doch
in diesem Augenblick bedeutend größer vor als zu anderen Zei-
ten — es war 8 Uhr, fing schon an zu dämmern und das
heimische Wurstdorf noch „en goode Piep Tabak," ungefähr
zwei Stunden entfernt, daneben in weiter Umgegend kein Haus
zu finden, — pa aber ward es Licht, d. h. in Jan Peter
Timm! —

Er packte das müde Schwein bei den Hinterbeinen, und
zerrte, zog und stieß es in das Dickicht. Hier kniete er vor
dem Thiere nieder, zog mit größter Gemüthsruhe sein großes
Taschen- oder Käse-Meffer hervor und — horribile dictu
— erstach — — sich? — nein, das Schwein! Dann holte er
mit gewaltiger Hand eine Menge von dürrem Gestrüpp und
Blättern herbei und bedeckte damit das todte Thier — kehrte
an den verlassenen Weg zurück und eilte dem wohlbekannten
Dorfe zu. —

Als er in die Thür der Wohnstube trat, kam ihm sein
befferes Ich, das ihn ungeduldigerwartet hatte, mitderThran-
lampe in der Hand entgegen — prallte aber zurück, als es
die Blutspuren an Händen und Kleidern Jan Peter Timm's
erblickte. —

„Jan Peter, wat häst Du dahn?" ries sie aus, „Du süst
je nt, as wenn Du Een umbrecht harst —"

„Dat häw ik ook" — brummte der Ehegemahl, und warf
sich auf die Ofenbank.

„Herr Jedi, wat för Een denn?" —

„Mien Reis'gefährten — aber, wat geiht Di dat an, giw
mi wat to eeten," antwortete mürrisch Jan Peter Timm.

Frau Timmen starrte ihre andere Hälfte groß an —

„Wat har he Dir denn dahn?" fragte sie außer sich.

„He wull je nie wat ik wull," lautete die Antwort.

Diese unerschütterliche Ruhe ihres Ehcherrn, bei dem sie
gerade keinen Spaß gewohnt war, brachte die Frau in Todes-
angst. Sie rannte aus der Hofthür und schrie nach besten
Kräften: „Wien Mann is verrückt worr'n, mien Mann is
verrückt-"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der billige Schweinetransport"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Rauchen <Motiv>
Stock <Motiv>
Karikatur
Tabakspfeife
Schwein <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 9.1848, Nr. 216, S. 186
 
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