A — i und I— a.
163
Der Feuerleiter.
als gewöhnlich. Oft war er nach der Gar-
tenseite gegangen und hatte ängstlich spähend
den Weg hinabgeschaut — umsonst! Jetzt
fingen die Nachbarn an, sich ein wenig zu
rühren. Der Amtsfritze war in edlem Ei-
fer, Alles vergeffend, voran, und richtete
die erste Spritze auf das Dach des Wohn-
hauses im Hofgut. Das Beispiel half
zwar, aber die Arbeit schien nicht belohnt
zu werden. Schon glimmte das Dach
bald an dieser, bald an jener Ecke — die
Leute an den Spritzen wurden lässig, und
endlich gab ein feister Freibauer dem all-
gemeinen Gedanken Worte. „Wenn der
Amtmann nicht bald kommt," sagte er,
„so gebe ich für das Hofgut, wie es da
ist, keine fünf Stüber." Und die Andern
nickten dazu und hörten auf mit Pumpen.
Umsonst bat und beschwor der Amtsfritze
die Bauern, nicht einzuhalten—er wußte
freilich, daß Alles nichts hilft, wenn ein
Bauer einmal seinen Kopf aufgesetzt hat —
er lief zum Hofbauer und wollte den bit-
ten, seinen Einfluß aufzubieten — aber
der stieß ihn rauh zurück, und rief ihm einen Fluch nach. Das Hofgut
schien ihm unrettbar verloren, als plötzlich der Ruf: „der Amtmann, der
Amtmann kommt!" wie ein electrischer Schlag durch Betheiligte und Zu-
schauer fuhr. Die letzteren traten scheu zurück, um dem Feucrrciter Platz
zu machen. Und er kam! Auf schaumbedecktem Pferde flog er daher, der
sonderbare Mann — wild flatterten seine grauen Haare im Winde und
der Widerschein des Brandes schuf in seinen großen, runden Augen ein
seltsam zuckendes Licht. Er hatte bald die Stätte der Gefahr erreicht.
Niemand wagte es, den Feuerreiter zu grüßen — alle Herzen pochten in
abergläubischer Angst und Vielen schlugen hörbar die Zähne zusammen.
Nur der Amtsfritze lächelte und suchte sich Marien zu nähern, die am
Hofthore auf dem Steine saß und ihr Schluchzen mit dem Tuch zu er-
sticken versuchte; aber der Hofbauer war vor sie getreten, hatte die Kappe
vom Kopf genommen und hielt sie mit gefalteten Händen vor derBrust,
in athemloser Erwartung. Der zaubergewaltige Feuerreiter säumte nicht
eine Minute der Erholung, er begann sogleich sein geheimnißvollcs Werk.
Im schnellsten Roffcslauf umkreiste er die brennende Scheune. Schwierig
war das Unternehmen, da galt es über einen Hag, dort über einen Gra-
ben zu setzen, in den lockeren Gartenbeeten versank des Pferdes Huf bis
zur Fessel, das enge Mauerpförtchen ließ kaum den Reiter durch — aber
es ward doch vollbracht. Einmal! Wie mit verdoppelter Wuth entfaltete
jetzt das Feuer seine ganze Macht und Pracht stärker nud riesenhafter, als
je zuvor, die wuthigsten Männer bebten bei dem Anblick der gewaltigen
Lohe — aber der Amtmann nicht. Fort ritt er im selben Umkreis —
und es war, als sei sein Pferd der dämonischen Macht des Reiters theil-
hastig, denn es blies die Nüstern auf und schien Funken zu sprühen, die
großen, schwarzen Augen wurden immer größer, und der magere, abge-
triebene Rappe schien auf einmal die Flügel des Windes und die Kraft
des Löwen bekommen zu haben. (Schluß folgt.)
Auf dem Berg in Baumeszweigen
Sitzt ein Faulthier so allein.
Unten hin, in sel'gem Schweigen,
Bummelt sacht ein Eselein.
Horch! da schallt es von dem Baume:
A — i! A — i! laut in's Thal.
Aus dem süßen Bummlertraume
Wachet Langohr auf zur Qual.
Welch ein Mißlaut! wirst du schweigen!
Ruft er eifernd, kampfbereit,
Denn er wähnt, daß seines Gleichen
Dort statt I—a A—i schreit.
I—a! I —a! mußt du schreien,
Fährt er fort in heiser'm Ton;
Doch vergebens — denn vom neuen
Tönt es: A—i! A — i! schon.
Lkun entbrennt ein Kampf der Töne:
A — i her und I — a hin.
Jeder für das Wahre, Schöne,
Kämpft mit felsenfestem Sinn.
Jeder wähnt, daß er das Rechte,
Und der Andre Unrecht hat,
Und so schrei'n im Wortgefechte
Sie sich beide todesmatt.
21*
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Der Feuerleiter.
als gewöhnlich. Oft war er nach der Gar-
tenseite gegangen und hatte ängstlich spähend
den Weg hinabgeschaut — umsonst! Jetzt
fingen die Nachbarn an, sich ein wenig zu
rühren. Der Amtsfritze war in edlem Ei-
fer, Alles vergeffend, voran, und richtete
die erste Spritze auf das Dach des Wohn-
hauses im Hofgut. Das Beispiel half
zwar, aber die Arbeit schien nicht belohnt
zu werden. Schon glimmte das Dach
bald an dieser, bald an jener Ecke — die
Leute an den Spritzen wurden lässig, und
endlich gab ein feister Freibauer dem all-
gemeinen Gedanken Worte. „Wenn der
Amtmann nicht bald kommt," sagte er,
„so gebe ich für das Hofgut, wie es da
ist, keine fünf Stüber." Und die Andern
nickten dazu und hörten auf mit Pumpen.
Umsonst bat und beschwor der Amtsfritze
die Bauern, nicht einzuhalten—er wußte
freilich, daß Alles nichts hilft, wenn ein
Bauer einmal seinen Kopf aufgesetzt hat —
er lief zum Hofbauer und wollte den bit-
ten, seinen Einfluß aufzubieten — aber
der stieß ihn rauh zurück, und rief ihm einen Fluch nach. Das Hofgut
schien ihm unrettbar verloren, als plötzlich der Ruf: „der Amtmann, der
Amtmann kommt!" wie ein electrischer Schlag durch Betheiligte und Zu-
schauer fuhr. Die letzteren traten scheu zurück, um dem Feucrrciter Platz
zu machen. Und er kam! Auf schaumbedecktem Pferde flog er daher, der
sonderbare Mann — wild flatterten seine grauen Haare im Winde und
der Widerschein des Brandes schuf in seinen großen, runden Augen ein
seltsam zuckendes Licht. Er hatte bald die Stätte der Gefahr erreicht.
Niemand wagte es, den Feuerreiter zu grüßen — alle Herzen pochten in
abergläubischer Angst und Vielen schlugen hörbar die Zähne zusammen.
Nur der Amtsfritze lächelte und suchte sich Marien zu nähern, die am
Hofthore auf dem Steine saß und ihr Schluchzen mit dem Tuch zu er-
sticken versuchte; aber der Hofbauer war vor sie getreten, hatte die Kappe
vom Kopf genommen und hielt sie mit gefalteten Händen vor derBrust,
in athemloser Erwartung. Der zaubergewaltige Feuerreiter säumte nicht
eine Minute der Erholung, er begann sogleich sein geheimnißvollcs Werk.
Im schnellsten Roffcslauf umkreiste er die brennende Scheune. Schwierig
war das Unternehmen, da galt es über einen Hag, dort über einen Gra-
ben zu setzen, in den lockeren Gartenbeeten versank des Pferdes Huf bis
zur Fessel, das enge Mauerpförtchen ließ kaum den Reiter durch — aber
es ward doch vollbracht. Einmal! Wie mit verdoppelter Wuth entfaltete
jetzt das Feuer seine ganze Macht und Pracht stärker nud riesenhafter, als
je zuvor, die wuthigsten Männer bebten bei dem Anblick der gewaltigen
Lohe — aber der Amtmann nicht. Fort ritt er im selben Umkreis —
und es war, als sei sein Pferd der dämonischen Macht des Reiters theil-
hastig, denn es blies die Nüstern auf und schien Funken zu sprühen, die
großen, schwarzen Augen wurden immer größer, und der magere, abge-
triebene Rappe schien auf einmal die Flügel des Windes und die Kraft
des Löwen bekommen zu haben. (Schluß folgt.)
Auf dem Berg in Baumeszweigen
Sitzt ein Faulthier so allein.
Unten hin, in sel'gem Schweigen,
Bummelt sacht ein Eselein.
Horch! da schallt es von dem Baume:
A — i! A — i! laut in's Thal.
Aus dem süßen Bummlertraume
Wachet Langohr auf zur Qual.
Welch ein Mißlaut! wirst du schweigen!
Ruft er eifernd, kampfbereit,
Denn er wähnt, daß seines Gleichen
Dort statt I—a A—i schreit.
I—a! I —a! mußt du schreien,
Fährt er fort in heiser'm Ton;
Doch vergebens — denn vom neuen
Tönt es: A—i! A — i! schon.
Lkun entbrennt ein Kampf der Töne:
A — i her und I — a hin.
Jeder für das Wahre, Schöne,
Kämpft mit felsenfestem Sinn.
Jeder wähnt, daß er das Rechte,
Und der Andre Unrecht hat,
Und so schrei'n im Wortgefechte
Sie sich beide todesmatt.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"A - i und I - a"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 9.1848, Nr. 213, S. 163
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg