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XVI DER SPIELTISCH IM PERISTYLHOF 38b (Ulrich SCHÄDLER)

aus den Katakomben an der Via Ardeatina sind noch drei nach außen gerichtete Blätter erhalten6. Ein Spiel-
brett aus den Praetextus-Katakomben in den Vatikanischen Museen zeigt zwei mit den Spitzen nach außen
weisende Blätter im rechten unteren Feld7. Aus den Callixtus-Katakomben stammt schließlich ein weiteres
Fragment einer äußeren Felderreihe mit nach außen weisenden herzförmigen Blättern8.
Auffällig ist, dass die mittlere Felderreihe nicht genau die Mittelachse des Spielbrett-Rechtecks markiert,
sondern etwas darunter (östlich) verläuft. Dieses Detail findet eine einleuchtende Erklärung durch die Beob-
achtung, dass es sich bei dem dargestellten Spielbrett um eine Nachbildung eines klappbaren Spielbretts aus
Holz handelt. Würde die Mittelreihe genau die Längsachse des Bretts markieren, verliefe der Schnitt der
beiden Bretthälften genau durch die Feldermarkierungen. Da war es einfacher, die Mittelreihe vollständig
auf einer der beiden Bretthälften unterzubringen. Wer auch immer das Spielbrett in die Marmortischplatte
gemeißelt hat - er hielt sich sehr genau an sein Vorbild. Dass dieses Vorbild ein hölzernes Klapp-Spielbrett
war, legen auch die beiden jeweils in der Mitte der Langseiten dargestellten Henkel nahe. Sie sind omega-
förmig und, auch das ist detailgetreu wiedergegeben, als mit je zwei Nägeln oder eher Splinten am Brettrand
befestigt gedacht.
Klappbare Holzspielbretter mit Bronzehenkeln wurden verschiedentlich nachgewiesen9. So fanden sich
etwa im sog. Warrior’s Grave der gallo-römischen Nekropole von Stanway bei Colchester (Mitte 1. Jh.
n. Chr.) noch die beiden Scharniere sowie vier metallene Eckbeschläge. Jeweils in der Mitte neben den
Langseiten des ehemals hölzernen, aber längst vergangenen Spielbrettes lagen die beiden Henkel10. Aus
Baidock stammt der Nachweis eines Klappbrettes mit einem Henkel aus spätflavischer Zeit. Nicht klapp-
bare Spielbretter wie etwa das Holzspielbrett aus Grab 3 der Nekropole von Qustul im Nubischen Museum
Assuan kommen ebenfalls mit nur einem Henkel aus* 11. Weitere Spielbretter mit einem Bronzehenkel wur-
den in verschiedenen Gräbern der Haßleben-Leuna-Gruppe nachgewiesen, so in Gommern (3. Jh. n. Chr.)
und den Gräbern 4 und 7 in Neudorf-Bomstein (3./4. Jh. n. Chr.).
Neben solchen Holzspielbrettem handlichen Formats waren auch einteilige Spielbretter aus Holz von
deutlich größeren Dimensionen in Gebrauch, offenbar vor allem in Gaststätten. Wie Darstellungen auf
römischen Wandmalereien aus pompejanischen Cauponae12 und Mosaiken (vgl. das »Mosaique des jou-
eurs« aus El Djem13 im Bardomuseum und das »Mosaique des chevaux« in Karthago14) zeigen, wurden
diese dann nicht etwa auf einen Tisch gelegt, sondern von den beiden Spielern auf den Knien gehalten. Dies
gilt ganz sicher nicht für die Marmorspielbretter, die zahlreich in römischen Katakomben als Loculiver-
schlüsse verwendet wurden, denn Material und Maße ergeben hier leicht Gewichte von 30 kg und mehr. Die
weit verbreitete Annahme, es handele sich um sekundär im Grabkontext verwendete, ursprünglich häusliche
Spielbretter, darf deshalb angezweifelt werden.
2 DAS SPIEL
Da die Identifikation des Spieles für die Betrachtung des Kontextes nicht unerheblich ist, sei an dieser
Stelle kurz zusammengefasst, was ich andernorts bereits ausführlicher diskutiert habe15. Wie oben bereits
angedeutet, gehört das Spielbrett mit den 3 Reihen von je 2 x 6 Feldern zu einem Spiel, das in der frühen
Kaiserzeit »Ludus Duodecim Scriptorum« (Quint, inst. XI 2, 38; Cic. de orat. 1, 217), in der Spätantike
»Alea« (Isid. orig. XVIII 60) hieß. Ob das Spiel jemals »Tabula« bzw. griech. »TdßXq« genannt wurde, ist

6 Ferrua, Tavole lusorie, 84 Nr. 58.
7 Ferrua, Tavole lusorie, 133 Nr. 104.
8 DE Rossi, Roma sotterranea, 374.
9 s. dazu Schädler, Doctor’s game, 359-360.
10 Crummy u. a„ Stanway, 170 Abb. 80, S. 186-190 Abb. 89-91, S. 359 f.
11 Emery - Kirwan, Royal Tombs, 345 Taf. 87a; Emery, Nubian Treasure, 46 Taf. 32.
12 s. jüngst Ritter, Wirtshaus, 155-200 Taf. 7, 1.3.
13 El Djem: G. Charles-Picard, Mosaiqued’El-Djem, BCTH 1950, 156 f. Taf. 9; Dunbabin, Africa, 260-261 Nr. 28 Taf. 47.
118; Yacoub, Bardo, 138. 210 Abb. 105 (Inv. 3197); Balmelle - ben Abed Ben Khader, mosaique, Taf. 13 und passim.
14 Salomonson, Mosaique, 24 f. Taf. 58 (1); Darmon, Joueurs, 106-118.
15 Vgl. Schädler, XII Scripta, 73-98.
 
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