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684 XXIII HAUSTYPUS, HAUS- UND RAUMFUNKTIONEN, DIE BESITZERFAMILIE (E. Rathmayr)

IST 11 und IST 12342 (Taf. 134-136) mit Kaiser Hadrian ehrenden Inschriften betroffen haben. Sie können
sowohl auf Furius Aptus in seiner Rolle als Priester des Dionysos pro poleos als auch auf das von ihm im
Kaiserkult ausgeübte Amt eines Alytarchen bezogen werden. Wie aus einer Inschrift auf einem Altar aus
Ephesos hervorgeht, ehrten die Mysten des Dionysos pro poleos auch Hadrian343. Furius Aptus war daher
über beide von ihm ausgefüllte Ämter eng mit dem Kaiserkult verbunden.
Im Unterschied zu den bisher bekannten Vereinshäusern im griechischen Osten des späteren Hellenis-
mus und der römischen Kaiserzeit, handelt es sich bei den WE 6 und 7 ganz eindeutig um Wohnhäuser,
die dem Typus des im Osten vorherrschenden Peristylhauses folgen. Hier waren nicht nur zeitweise von
Vereinsmitgliedern etwa zum Schlafen, Kochen und für Bankette genutzte Räume vorhanden, sondern hier
residierte und präsentierte sich die Besitzerfamilie im Zentrum der Stadt. Während in den Erdgeschossen
Aktivitäten zu lokalisieren sind, die eine größere Gruppe als die Familie betrafen, befanden sich die pri-
vateren Wohnräume in dem weiter von den Hauseingängen entfernten Obergeschoss. Sowohl in der WE 7
als auch in der WE 6 waren in den Erdgeschossen nicht nur einzelne Bereiche bzw. Räume für bestimmte
kultische Aktivitäten vorgesehen, sondern darüber hinausgehend wurden die jeweiligen Kulte (Dionysos-
und Kaiserkult) programmatisch in die Architektur und Ausstattung miteinbezogen. In der starken Präsenz
von Kultbereichen in den WE 6/7 bestehen Übereinstimmungen mit den als Vergleich herangezogenen
Vereinshäusern im griechischen Osten. Dass die WE 6/7 jedoch primär ein Wohnsitz mit besonderen
Funktionen waren, die auf bestimmte öffentlich-sakrale Ämter der Bewohnerfamilie zurückzuführen sind,
wird außer durch die bereits genannten Gründe auch dadurch nahegelegt, dass hier die in Vereinshäusern
anzutreffenden Ehrungen von Vereinsmitgliedern fehlen.
Die in diesem Kapitel diskutierte Frage der Vereinbarkeit von Wohnhaus und Vereinshaus, ist nicht
nur durch archäologische, literarische und epigraphische Quellen zu belegen, sondern fügt sich zudem
sehr gut in das Bild von Wohnhäusern der späthellenistisch-spätrepublikanisch-kaiserzeitlichen Eliten, die
an ihren Wohnorten die höchsten öffentlichen und sakralen Ämter ausübten. Die damit einhergehenden
Agenden nahmen diese Personen nicht nur in den Heiligtümern und im öffentlichen Raum wahr, sondern
gleichermaßen auch in ihren Wohnhäusern. Diese hatten daher sowohl die Aufgabe, Standesgenossen und
Personen höheren sozio-politischen Status zu empfangen, als auch Wohnhaus für den Familienverband zu
sein. Dies wiederrum bewirkte, dass sich in den Häusern dieser Eliten private und semi-öffentlich-sakrale
Funktionen überlagerten344.
Elisabeth Rathmayr

342 Zu den Inschriften von ca. 129 n. Chr. s. Taeuber, Kap. VIII, der für die Brüstungen ebenfalls eine Aufstellung im EG der WE 7
annimmt.
343 Zu dieser Inschrift s. IvE 275; KNIBBE, Neue Inschriften 4-7, 75-77 Nr. 6.
344 s. z. B. RÜPKE - NÜSSLEIN - Pannke, Fasti sacerdotum, 1427, der neben dem Empfang der Klienten des Patronus, auch Ban-
kette für Freunde und die cena sacerdotalis anführt, dazu bes. auf 1428: »Man (die Priester/Vereine) traf sich nicht, um zu
speisen oder zu beraten oder zu wählen, sondern man verband normalerweise diese Aktivitäten miteinander. Das heißt nicht,
daß diese Aktivitäten nicht auch mitunter isoliert auftreten konnten, ...«.
 
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