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V. DIE WEIßGRUNDIGE KERAMIK

In diesem Kapitel stellen wir diejenigen Gefäße der
späthellenistischen Zeit zusammen, welche mit einem
weißem Überzug und zierlicher Malerei versehen
sind375. Der Dekor fällt durch seinen schwungvollen
„impressionistischen“ Stil auf und breitet sich über
Hals und Schulter von Kannen und anderen geschlosse-
nen Gefäßen sowie auf der Außenseite von Thymiateri-
en aus; Hals, Schulterknick, Fußring der Kannen sowie
der mittlere Wandvorsprung bei Thymiaterien sind
durch parallele Linien hervorgehoben, welche somit
gleichzeitig die Dekoration umrahmen und die Gefäß-
formen betonen. Der Farbton der Verzierungen reicht
von Gelb über Orange bis zu Braun- und Rottönen so-
wie Schwarz; die Abstufungen werden durch verschie-
den dichtes Aufträgen von Farbe hervorgerufen. Die
beliebtesten Motive des Dekors sind mit dem dionysi-
schen Kreis in Verbindung zu bringen376 (Kränze, Mu-
sikinstrumente, bestimmte Gefäße wie Amphore, Lagy-
nos, Kantharos, weiters der Delphin, Efeu und
Lorbeer); ebenso stand die Lagynos selbst bei Festen
und Feiern in Verwendung377. Die verbreitetsten For-
men sind die Lagynos378 sowie das Thymiaterion379,
doch finden wir auch Amphoren, Kratere, Teller380.
Die hier behandelte Gruppe treffen wir hauptsäch-
lich im östlichen Mittelmeerraum, vom Schwarzen
Meer bis Zypern, Ägypten, Syrien381. Im östlichen
Raum lassen sich auch Vorläufer besonders für die
Thymiaterien feststellen382. Die Gefäße sind allgemein
im zweiten Jahrhundert angesetzt383, obwohl vereinzelt
ältere Beispiele erwähnt werden384.

375 G. Leroux, Lagynos, (1913); Thompson, Hesperia 3, 1934,
311 ff., 450 ff.; O. Vessberg - A. Westholm, SCEIV 3 (1956)
The Hellenistic and Roman Periods in Cyprus, 40 und passim; P.
Hellström, Labraundall 1, 17 ff.; Schäfer, PF 2, 101 ff.; Bru-
neau, Delos XXVH, 251 ff.; M. Cook, Greek Painted Pottery
(1966) 207 ff.
376Leroux a.O. 91 ff.; Hellström a.O. 18; Schäfer a.O. 105 ff.
377 Hellström a.O. 21; Schäfer a.O. 106; P.H. Frazer, Ptole-
maic Alexandria (1972) s. die Lagynophoren, passim.
378 Schäfer a.O. 105; Bruneau a.O. 251.
379 Schäfer a.O. 106.
380 Schäfer a.O. 104; Bruneau a.O. 252.
381 Hellström a.O. 18 mit Anm. 1 unterscheidet die östliche
Gruppe von einer westlichen (u.a. Canosa); Schäfer a.O. 101 mit
Anm. 1-5 stellt sie anderen Gruppen gegenüber, wie den Vasen
aus Karthago, den Hadra-Vasen, den hellgrundigen Reliefvasen
aus Ägypten, den Centuripe-Vasen sowie der Canosa-Keramik.
382 J. Boardman, Greek Emporio (1967) 174, Nr. 891-899;
Samaria HI (1957) 96, 176 f„ Abb. 25.

Unter der Basilika fanden sich 17 Bruchstücke, die
zu Lagynoi oder zu einer anderen Kannenform mit wei-
tem Hals gehören (E 1 - E 17).Die Form der Lagy-
nos385 ist weitgehend einheitlich: über einem Ringfuß
erhebt sich eine schräg oder gerade aufsteigende Wand,
die mit scharfem Knick in den schrägen, verzierten
Schulterteil übergeht. Der Hals ist hoch und schlank.
Unterhalb der Mündung setzt der vertikale Bandhenkel
an, der auf der Schulter endet. Das Halsfragment E 14
veranschaulicht, wie der Halsabschnitt gesondert auf
den Schulterteil aufgesetzt wurde. Fast bei allen Basili-
ka-Lagynoi ist der Ton beige-braun oder zimtbraun und
enthält relativ wenig Glimmer, manchmal auch weiße
Einsprenkelungen; die Gefäße sind hiit einem sehr fei-
nen, elfenbeinfarbenen Überzug versehen, der fest an-
haftet (Ausnahmen stellen E 12 und E 15 dar, bei wel-
chen der Überzug rosa, grob ist). Von der Bemalung ist
außer den Streifen meist nur noch ein karger Rest der
ursprünglich schwungvollen Verzierung erhalten, aus
dem kaum mehr die Darstellung erschlossen werden
kann (außer den Dreiecken auf E 2). Die Kannen sind
zu unvollkommen erhalten, als daß man einen Über-
blick über ihre Formen und deren Entwicklung gewin-
nen könnte. Obwohl der Fundbestand aus der Basilika
bescheiden ist, waren sie in Ephesos keineswegs unbe-
liebt: die Anzahl der Scherben aus der Basilika wird
durch zahlreiche Funde aus dem Prytaneion ergänzt386.
Wir folgen den Beobachtungen an anderen Orten und
möchten auch für Ephesos eine Verwendung der weiß-
grundigen Lagynos bei Festen annehmen (vgl.
Anm. 377).
Zahlenmäßig an zweiter Stelle stehen die Räucher-
ständer387; sieben Gegenstände dieser Art lassen sich
für die Basilika nachweisen388 (E 19 - E 25); die Form
variiert; gemeinsam ist ein hoher, leicht ausschwingen-
der Fuß und die offene Schale, beide durch einen Mit-
telteil verbunden, der durch einen vorspringenden
Wulst betont werden kann. Der Ton der ephesischen
383 Leroux a.O. 101 ff.; Schäfer a.O. 111; Hellström a.O. 19;
de Luca, AvP XI 2 Nr. 101/2 (zweites Jh.), Nr. 206-208 (nicht
vor dem dritten Viertel des zweiten Jhs.); Tölle-Kastenbein, Sa-
mos XIV, 155 f.; auch in Delos, Bruneau, D£los XXVU, 251 f.
384 Hellström a.O.; auch Davidson, Corinth XU, Nr. 893.
385 Leroux a.O. passim; Schäfer a.O. 105 f.; Hellström a.O.
17 f.; Boardman a.O: Nr. 928 und Nr. 929.
386 Über 40 Lagynosfragmente, mit Girlanden, Schachbrett,
Netz- und Blattmotiven
38'Schäfer a.O. 106 ff.; Boardman a.O. 891-899; Robinson,
Agora V, Taf. 21 und P 17530 auf Taf. 39.
388 Aus den Prytaneion sind neun weitere Beispiele bekannt.

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