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XI. DIE „POMPEIANISCH-ROTEN“ PLATTEN

Mit diesem terminus wird seit Loeschcke698 eine
Gruppe flacher, stets fußloser Schalen und Platten be-
zeichnet, die auf der Innenseite und teilweise auch noch
bis zu der Lippenaußenseite mit einem charakteristi-
schen rotbraunen, fest anhaftenden Überzug versehen
sind; die Farbe erinnert an das Rot auf dem Hintergrund
pompeianischer Wandgemälde; der Boden der Innen-
seite ist manchmal mit Kreisrillen geziert; auf der Un-
terseite finden sich Rauch- bzw. Brandspuren. Die
Oberfläche der Außenseite ist geglättet. Der dicke, oft
absplittemde Überzug mag einen Schutz gegen das An-
brennen von Speisen gewährt haben699. Diese Platten,
zu denen auch noch Deckel gehören, sind weit verbrei-
tet und finden sich auf Grabungsplätzen, die vom östli-
chen Mittelmeergebiet bis Spanien, Deutschland,
Frankreich, England reichen700; sie werden allgemein
in das erste Jh. v. Chr. und in das erste Jh. n. Chr. da-
tiert. Die Form ist einheitlich; der einzige wesentliche
Unterschied liegt in der Lippenbildung und im Durch-
messer.
Auf Grund petrologischer Untersuchungen, die an
Scherben von Fundplätzen in England durchgeführt
wurden, können mindestens sieben verschiedene Grup-
pen dieser Platten entsprechend ihrer Herkunftsgebiete
unterschieden werden701. Für den östlichen Mittel-
meerraum sind vor allem die ersten zwei von Peacock
behandelten Gruppen wichtig702: Gruppe 1 ist durch
Einschlüsse von mittelkömigem, schwarzen Sand ge-
kennzeichnet und wird in der Gegend von Pompeji oder
Herculaneum lokalisiert; die Produktion ist wahr-
scheinlich durch den Vesuv-Ausbruch im Jahre 79
n. Chr. unterbrochen worden. Die zweite Gruppe ist et-
was heller im Ton und enthält viel Glimmer; sie stammt
möglicherweise aus der Ägäis oder aus Anatolien.
Wichtige Ergebnisse brachten die Untersuchungen von

698 S. Loeschcke, Mitt. d. Altertumskommission f. Westfalen,
5,1909, 268 ff, bes. 271; A. Bruckner, Rei Cret Rom Faut Acta 7,
1965, 7 ff
699 Zur Verwendung s. Chr. Goudineau, Melanges d’Archeo-
logie et d’Histoire publies par l’Ecole Fran^aise de Rome, 82,
1970, 159 ff, bes. 165, Anm. 4.
700 pur den östlichen Mittelmeerraum s.vor allem
S. Loeschcke, AM 37, 1912, 344 ff; Kenyon in: SamariaHI,
1957, 298, zu Abb.68, 10, und 11; Robinson, Agora V, 1959;
Hayes, Hesperia 42, 1973, 416 ff, bes. 458; vollständige Litera-
tur s. Goudineau a.O. 159 ff; Wright, Hesperia 49, 1980, 135 ff,
Nr. 73-75.
701 D.P. Peacock, Pottery and Early Commerce, ed. Peacock,
(1977), 147 ff
702 Peacock a.O. 149 ff und 153 ff.

Goudineau ; in Bolsena wird die Verwendung dieser
Platten bereits um 250 v. Chr. nachgewiesen; die For-
men sind konservativ und halten sich lange; dies kann
bedeuten, daß die Kochgefäße sorgsam gehütet und
lange in Gebrauch waren, wodurch auch die relativ ge-
ringe Anzahl der Scherben zu erklären wäre. Charakte-
ristisch für die älteren Gefäße ist eine ausgeprägte Lip-
pe, die das Anfassen erleichterte und eine betonte Rille,
die die Aufnahme und das sichere Anhaften des Dek-
kels garantierte.
Aus der Basilika weisen wir fünf Pfannen nach
(Taf.195, 196):
L 1 - L 3 mit Lippe und L 4, L 5 mit glattem Randab-
schluß.
L 1 ist dickwandig und hat eine schräg abfallende,
am unteren Randende abgesetzte, gedrungene Lippe;
die Form findet sich in Bolsena ab dem frühen ersten
Jh. v. Chr704 bis in die ersten Jahrzehnte n. Chr. Ge-
drungen und kraftvoll, mit rundem Schwung ist auch
das Wandfragment L 2; die Lippe ist leicht abstehend
und an der Außenseite glatt; hierfür findet sich eine Pa-
rallele aus dem ersten Jh. v. Chr. in Albenga705. Auch
für L 3 mit der verdickten Lippe, die zusätzlich eine
feine Kante an der Innenseite aufweist, bietet Bolsena
etwa vergleichbare Formen706. Die Platten ohne beton-
te Lippe setzten etwas später ein .
Von unserer Platte L 4 sind zwei nicht anpassende
Fragmente erhalten, der Boden ist flach, die Lippe
leicht nach innen abgeschrägt. Das Fragment ist inter-
essant, weil es auf der Unterseite eine vor dem Brand
eingeritzte Signatur aufweist: LMU Solche Signaturen
werden auch für Haltern708 und Vindonissa709 erwähnt.

703 Goudineau a.O. Ulf und 179 ff.
704 a.O., Schicht 3 B, Nr. 5 und Nr. 6, Taf.7, datiert 90-60
v. Chr., Schicht 3, Nr. 13, Taf.8, datiert 90-30 v. Chr., steiler in
Schicht 2 A, Nr. 1, Taf.8, datiert 1-20 n. Chr.; Hayes a.O. 459
und Anm. 93
705 Goudineau a.O., Taf.l, Nr. 4, 90-50 v. Chr.; für den großen
Durchmesser vgl. Hayes a.O. 458 f, Nr. 171.
706 Vielleicht am nächsten, weil ebenso mit leicht geschwun-
gener Wand, ist 2 C, Nr.8, Taf. 8, datiert 40-10 v. Chr.; die ver-
dickte Lippe findet sich aber schon in 4 A 1, Nr. 43 und Nr. 44,
Taf.6, datiert 120-90 v. Chr.
707 Bruckner a.O. 8, Anm. 5, Übergang zur randlosen Form
etwa am Anfang des ersten Jhs. n. Chr., s. Abb. 1, Nr. 3; aus Obe-
raden, s. Goudineau a.O. Taf.l, Nr. 15, 16; Hayes a.O. 459,
Nr. 173, 174.
708 S. Loeschcke in C. Albrecht, Das Römerlager in
Oberaden, II, (1942), 38, Anm. 1; ders., in Bodenaltertümer in
Westfalen, 82.

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