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Die Gartenkunst — 29.1916

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Arntz, Wilhelm: Heldenhain u. Jugendpark
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https://doi.org/10.11588/diglit.20814#0165

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Volkskraft, das millionenfache Blutopfer unserer
lebenstärksten und zukunftsreichsten Männer, uner-
faßlidien Schmerz, hunderttausendfache grauenhafte
Not und Qual danken, als eben der Aufstieg unseres
Volkes zu sieghafter Lebenshöhe? Was können wir
Daheimbleibenmüssenden Besseres geben, als an
unserem Teil mit allen Kräften dazu beitragen, daß
der Preis des markverbrauchenden Kämpfens auch
reife, auch seinen Weg wachse und sich voll entfalte?
Für ihn doch ist es, daß die Gestorbenen starben!

Kann ein Zweifel sein, welcher von den beiden
Gedanken näher dem Herzen ihrer gemeinsamen
Mutter, dieser Zeit, gewachsen ist?

Trotzdem: Auch Rückschauen ist not und dank-
bewegtes Ehren, gelobendes Gedenken.

Ist nicht das Nächste, diese beiden Grundgedan-
ken zusammen als selbstverständliche Einheit auf-
zufassen ?

Der Heldenhaingedanke und der Jugendpark-
gedanke sind große Gedanken. Man scheint zu
verkennen, daß gerade in der hartnäckigen Aus-
schließlichkeit, mit der Lange seinen Heldenhain
durchsetzen will, dessen Bedeutung liegt. Und Migge
fühlt wohl in diesem Punkt die Gleichheit des Maß-
stabes in der Forderung mit dem Gegner.

Aber der Heldenhaingedanke in dieser Form ist
fern von der harten blutwarmen Wirklichkeit gereift.
Er ist ein Gedanke aus der Lebens- und Weltfremde,
ganz abgesehen von Anderem, was in ihm sich durch-
setzen möchte.

Und wiederum: Gerade das, was sein Urheber
mit aller Rücksichtslosigkeit und instinktiver Sicher-
heit an die Spitze stellt, gerade dieses, das aufs erste
am befremdendsten erscheint, hat einen sehr be-
deutenden Kern. Es wird mißverstanden wegen der
falschen Gestalt, die ihm Romantik aufzwängt.

Es ist: Daß j eder gefallene Kämpfer einen Eich-
baum zum lebenden Gedächtnismal erhalten solle
in der Heimat.

Nehmen wir den Eichbaum als falsch gegriffenes
Symbol des Lebendigen hinweg, so wird der Gedanke
plötzlich natürlich, einfach und wohlvertraut; aber
er ist noch nicht bewußt verbreitet.

Wohl hat gerade dieser Krieg in seinem unge-
heuren Maßstabe das stärkste Gepräge des Unper-
sönlichen, richtiger ausgedrückt: des Uberpersön-
lichen. Wohl ist der Heldentod die höchste Verkör-
perung und Auswirkung des Hingegebenseins und
Lebens in einem Größeren und Höheren. Verliert
aber damit die Persönlichkeit ihren Sinn? Ist es
nicht der tiefe Sinn unserer ganzen Gegenwartsent-
wicklung, daß sie das Uberpersönliche aufbaut aus
starken, vollentfalteten freien Persönlichkeiten? Gibt
nicht die starke Einzelpersönlichkeit unserem über-
persönlichen Staatsorganismus Maßstab, Verhält-
nisse und tiefste Kraft? Geht nicht unsere ganze
Siedelungsarbeit darauf hinaus, den entwurzelten
Massen der Großstädte und Industrieorte im eigenen
Heim und der eigenen bescheidenen Scholle die Vor-
bedingungen, das Wurzelreich für eine gesunde Per-
sönlichkeitsentwicklung zu schaffen, eine Heimat zu
geben ? Sie aus der Namenlosigkeit herauszuheben ?

Daß jeder der namenlosen toten Blut-
zeugen seine Gedächtnisstätte, sein Mal,
seine Namenstafel erhalte da, wo er kein
Namenloser war, — das möge uns als wahrer
Wert an Langes Forderung zu eigen werden!

Dieses Mal um eines blassen Symboles Willen
an ein gefährdetes, unserem gleichmäßig für denk-
bar sichere Dauer gestaltenden Willen entzogenes
pflanzliches Lebewesen zu knüpfen noch dann durch
eine künstliche Etikettierung, das ist das, was uns
widerstrebt und von uns verworfen wird.

Die Pflanze, den Baum, den Hain lieben wir als
Träger und Zeugen der Natur, als lebende Ge-
staltungselemente, aber das Individuum eines Bäum-
chens zum Symbol eines ganz bestimmten unter
vielen Hunderttausenden von Einzelmenschen zu
machen, ist in einem dichterischen Märchen denkbar,
sonst nicht, nicht in der Nüchternheit unserer reinen
Wirklichkeiten. —

Würde der Heldenhaingedanke nicht an so
vielerlei Hindernissen und Unmöglichkeiten zu-
sammenbrechen, so käme alles darauf an, ihn durch-
greifend durchzuführen. Damit er ein Denkmal wäre
von überall im Lande gegenwärtiger Kraft und ver-
körpere die wuchtige Größe unserer Einheit.

Der Jugendpark, selber nur ein Teil aus einer
übergroßen Aufgabe, — er hat wohl diese Aussichten
einer allgemeinen Durchführbarkeit und damit des
im ganzen Deutschland wirkenden mächtigen Ein-
druckes.

Aber soll er solchen Sinnes Kriegerehrung sein
und die Kriegerehrung nicht schnöde als bloße Pro-
paganda vorgespannt erscheinen, so muß er dem
auch starken Ausdruck geben, so muß er wirklich auch
das Gedächtnis der Helden verkündigen und der
Jugend ihr Vorbild in die Seelen prägen.

Sein Mittel- und Höhepunkt muß die Ge-
dächtnisstätte sein.

Hierfür aber kann vielleicht der Haingedanke
irgendwie gestaltet eingesetzt werden. Hier kann
jeder gefallene Kämpfer des Ortes sein treues Mal
erhalten, sei es in Form eines eigenen Steines oder
einer Einzeltafel irgendwelcher Gestalt und Größe,
je nach den örtlichen Verhältnissen und dem Ge-
staltungsgedanken, sei es auf gemeinsamer Tafel
an einem größeren Denkmal oder bei großen Ver-
hältnissen in Form sinnvoll klar gegliederter von
einem Bauwerke (Wand, Halle, Turm) getragener
Sammeltafeln.

Wir müssen uns eindringlich klar machen, daß
die Wucht und Größe unserer Kriegerehrung damit
steht und fällt, daß sie durchs ganze Land hindurch
einen einheitlichen Träger, wie es der Helden-
hain und der Jugendpark sein sollen, verkörpert
werde. Das ist in einer Hinsicht das Wesentlichste
an dem Langeschen wie an dem Migge-Wagner -
schen Gedanken. Und das muß festgehalten werden.

Wir sehen somit den Weg offen, das Bedeutende
das in den beiden Gedanken gegensätzlich enthalten
ist, zu verwirklichen und zu lebendiger und wirkungs-
voller reicher Gestalt zu führen:
Derjugendpark mit der Gedächtnisstätte*).

Im übrigen wissen wir für die Durchführung, daß
sie auch hier, wie bei den Kriegergrabstätten, ab-
hängt von der planvollen einheitlichen Organisation.
Auch darin sei uns die Zeit und Zukunft Mahner
und Führer!

*) Man vergleiche die Ausführungen von C. Loether in der
„Gartenkunst" 1915, Seite 76 u. 77, die den gleidien Grund-
gedanken enthalten.

Für die Schnftleitung verantwortlich i Gartendirektor Heicke, Frankfurt a. H. Selbstverlag der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst.

Druck der Königl. Universitätsdruckerei H. Stürtz A. G., Würzburg.
 
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