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Die Gartenkunst — 29.1916

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Schneider, Camillo: Amerikanische Beobachtungen
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Bücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.20814#0070

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weiterer Irrtum; auch hier in Amerika herrscht
Geldknappheit, es ist zum mindesten das Geld
im Lande nicht so viel wert, wie in Europa. In
Friedenszeiten rechnet man den Dollar zu vier
Mark. Hätte er im Lande selbst den Kaufwert,
den vier Mark bei uns haben, so wäre alles gut
und schön. Aber der Kaufwert beträgt im Durch-
schnitt etwa 1,80 — 2,50 Mark. Nun erhält bei-
spielsweise ein Arbeiter in der Stadtgartenver-
waltung in San Francisco 2,00 — 2,50 Dollar den
Tag, das wären genau umgerechnet 8—10 Mark.
Wie würde es bei uns ausschauen, wenn wir den
Gartenarbeitern diesen Lohn zahlen müßten.

Ich bin an einer Studie über die Größe und
Kosten der Gartenanlagen hiesiger Großstädte,
die ich auf Grund der neuesten Jahresberichte
der betreffenden Verwaltungen ausarbeiten und
für die Gartenkunst fertig stellen zu können
hoffe. In diesem Bericht werde ich deutlich
zeigen, wie es hier mit diesen Dingen steht.
Heute gebe ich nur Hinweise.

Und da scheint mir besonders folgender
wichtig. Man spricht so viel von der Leistungs-
fähigkeit amerikanischer Arbeiter, d. h. daß sie
so viel mehr leisten, als die unsrigen. Das trifft
indes nicht so ohne weiteres zu. Gewiß leistet
der gelernte Amerikaner in besonderen Fällen
oft mehr als der gleiche Arbeiter bei uns. Aber
im Durchschnitt ist das keineswegs der Fall. Ich
bin sogar erstaunt, immer wieder beobachten
zu können, daß trotz allem Dranges nach Geld
und trotz des Vorherrschens einer rein materia-
listischen Lebensauffassung hier so wenig ge-
arbeitet wird. Leute, die den Betrieb sehr gut
kennen, sagten mir, daß im Allgemeinen der
Amerikaner sich, um einen populären Ausdruck
zu gebrauchen, kein Bein ausreißt, daß er aber
gegebenenfalls in kurzer Zeit Erstaunliches leis-
ten kann. Die durchschnittliche Arbeitszeit ist
hier auch kürzer als bei uns. Im Arnold Arbo-
retum z. B. arbeiten die Gartenarbeiter von 7 bis
5 Uhr. Sie sind Italiener und verdienen 1,80 bis
2,25 Dollar den Tag.

So lehrt uns eine aufmerksame Beobachtung
auf Schritt und Tritt, daß wir uns in Amerika
nicht durch vereinzelte großartige Leistungen
bestechen lassen dürfen, sondern um ein rich-
tiges Urteil zu gewinnen, den Durchschnitt prüfen
müssen. Vor allem dürfen wir nie die Tatsache
aus dem Auge verlieren, daß hier die alte Kul-
tur, auf deren Grundlagen wir in Europa weiter-
bauen, durchaus fehlt. Daraus entspringen für
die Amerikaner Nachteile wie auch Vorteile. Es
ist ganz gewiß, daß mit der Zeit sehr viel Neues
und uns ganz Wesensfremdes hier geschaffen
werden wird. Doch das setzt voraus, daß der
Boden für die neue Kultur gehörig vorbereitet
wird, was nur im Laufe langer Zeiträume ge-
schehen kann. Es setzt voraus, daß der Ameri-
kaner begreifen lernt, worin die Unterschiede

zwischen „Kultur" und „Zivilisation" liegen; daß
er die alte Welt unbefangener bewerten lernt
und ihren Entwicklungsgang versteht. Er kann
ihre Einflüsse nicht ohne weiteres abschütteln
oder neue Werte schaffen, indem er es einfach
anders macht, als es drüben geschieht.

Wenn man freilich unser Gebiet, die Garten-
und Landschaftsgestaltung, betrachtet, so muß
man sich sagen, daß schon sehr viel verdorben
ist, was nie wieder gut gemacht werden kann,
weil der Amerikaner nicht hat von uns lernen
wollen und weil er für eigene Leistungen noch
zu unreif ist. Er hat allerdings eine gute Über-
lieferung aus England im großen Ganzen ange-
nommen. Aber wir wissen ja, daß in der Park-
oder Landschaftsgestaltung England nie bis zu
einem Pückler kam, geschweige denn darüber
hinaus. Aber gerade in Amerika bieten sich in
dieser landschaftlichen Richtung große Aufgaben,
die ihre Meister noch suchen.

Bücherschau.

Soldatengräber und KriegsdenKmale. Heraus-
gegeben vom K. K. Gewerbeförderungsamt in Wien.
Kunstverlag Anton Scbroll & Co., Wien 1915. -
Unter den mir bis jetzt vor die Augen gekommenen
Veröffentlichungen, die sich mit der künstlerischen
Gestaltung von Malen zur Erinnerung an die große
Zeit und ihre Opfer befassen, verdient dieses Buch
an erster Stelle genannt zu werden. Es ist ent-
standen auf Anregung des K. u. K. Gewerbeförde-
rungsamtes und des K. u. K. Oesterreichischen Mi-
nisteriums für Kunst und Industrie in Wien und
enthält auf 130 Tafeln Entwürfe für Sammel- und
Einzelgräber, Soldatenfriedhöfe, Grabmale und Denk-
male in einer Fülle von Formen, bei denen Selb-
ständigkeit in der Erfindung und Fernhaltung von
abgewandelten herkömmlichen Formen augenfällig
zutage treten.

„Soldatengräber" und „Kriegsdenkmale"! Das
Buch geht von einer klaren Unterscheidung dieser
beiden Begriffe aus. „Grabmale sind Erinnerungen
an Menschen, Denkmale Erinnerungen an Ideen" —
wer denkt da nicht an die Heldenhaine mit einem
Eichbaum für jeden Gefallenen! — „Grabmale müs-
sen immer unmittelbaren Zusammenhang mit der
Erde haben, mit dem Lasten, mit dem Vergehen —
Denkmale dagegen etwas Emporstrebendes, Befrei-
endes und in den Himmel Ragendes sein." Ich finde,
daß selten der Unterschied zwischen Beidem so
treffend zum Ausdruck gebracht ist. Es will mir
scheinen, als liege der Wert des Buches fast mehr
in seinen überaus klaren und gemeinverständlich
gefaßten Ausführungen über die Sache, wie in den
zahlreichen Entwürfen. Die einzelnen Entwürfe
sollen im allgemeinen auch nicht unmittelbar als
Vorlage für die Ausführung in besonderen
Fällen dienen oder unfehlbar richtige Vorbilder
dazu geben — das Werk will ein Dokument des
Gestaltungswillens und der Baugesinnung der Zeit
im Hinblick auf die sich aus dem Krieg ergebenden
besonderen Aufgaben sein — also Anregungen
bringen.

Es gibt in dieser Hinsicht in knappen Sätzen
eine Fülle beachtenswerter Winke, stellt Grundsätz-
liches klar, weist eindringlich auf die Gefahr hin,
die die üble Gepflogenheit mit sich bringt, künst-

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