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Bei den oft von 600-1000 Pfeilern gebildeten Riefen-
hallen oder „choultries“, welche zwifchen oder um gewiffe
Tempel liehen, kommen andere mitwirkende Elemente hinzu.
Ihre Beltimmung, Pilger aufzunehmen oder den Tanz- und
Gefangsfeierlichkeifen der Tempelmädchen und auch den jähr-
lichen Feiern des myftifchen Bundes zwifchen männlichen und
weiblichen Gottheiten zu dienen, läßt Stimmungen ahnen, von
denen wir Chriften uns fchwerlich eine Vorftellung machen
können. Die Stimmung einer 100 Säulen langen und 10 Säulen
breiten Halle, wie die von Tinnevelly oder die 41 Säulen lange
und 24 breite zu Chillumbrum ift fchon an fich kaum befchreibbar.
Bedenkt man aber, daß alle diefe Säulenpfeiler oder Pfeiler-
fäulen von oben bis unten mit einem Reichtum von Reliefs
bedeckt find, der mit dem der Certofa von Pavia wetteifert,
fo wird der Eindruck ins Unermeßliche gefteigert.
Kommt endlich hinzu, wie es in der fünffchiffigen Vorhalle
eines kleinen Tempels zu Chillumbrum oder in Trimul Naik’s
Choultry der Fall iß, daß in diefem Urwald der Phantafie
ein klares Strukturfyßem ordnend mitwirkt, und fich ein genial
eleganter Aufbau entwickelt, daß Rhythmus in den tragenden
und getragenen Teilen eines auf Übertragung beruhenden
Deckenfyßems herrfcht, in welchem die phantaßifchen, aber
doch verßändlichen Formen mit ruhigen Flächen abwechfeln,
fo wird es begreiflich, dafj wir hier vor einem ganz beftimmten
Mittel flehen, eine religiöfe Stimmung befonderer Art hervor-
zurufen.
Es ift das Verflnken in traumartiges Staunen und in ein
Ri lies feierliches Sinnen, welches uns den unermeßlichen Reichtum
der Allmacht Gottes ahnen läßt, wenn wir vor einem namen-
toten Reichtum des Materials, der Formen und der Phantafie

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