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Zugleich lud die Renaiffance die Malerei als Schwefter-
kunll zu einer verklärenden und heiligenden Mitwirkung ein,
für die fie mit Ausnahme der doch nur einteiligen Glasmalerei
in der Gotik keine Wandflächen mehr gefunden hatte.
Welche Wunderialen die wahrhaft religiöfe Malerei mit
der Baukunft zu vollbringen vermag, hat Michelangelo an der
Decke der Sixtinifchen Kapelle gezeigt. Archifektonifch ift diele
eine der ärmften Kompofiiionen — eher eine Reitfchule als
das, was man fich unter einer Kapelle denkt. Sie hat das
Genie Michelangelos zu einem in der Chriftenheit einzig da-
ftehenden Wunder umgewandelt.
Und in den Stanzen Raffaels im Vatican hat das Gott-
begnadete Genie des Urbinaten die Sala della Segnatura
und die des Heliodor — profane Räume, deren Architektur
ebenfo armfelig ift wie die der Sixtina — mittels der Vifionen
des Ewig-Schönen, die er uns dort Vorfahrt, zu Wohnungen
des Heilig-Schönen verklärt.
Es darf nicht befremden, wenn die hier entwickelte An-
Ichauungsweife manchem einteilig und übertrieben erfcheinen
füllte. Es kann dies auch gar nicht anders fein. Sie zeigt,
was der Stil nach feinen Elementen und Fähigkeiten hätte
leiften können, nicht was er für den oberflächlichen Beobachter
fcheinbar geleiftef hat. Zwilchen diefer Leiftungsfähigkeif und
dem Geleilteten fcheinen Abgründe zu liegen, denn kein
Baultil der Welt ift von fo fchweren Schickfalen heimgefacht
worden wie die RenailTance, kein Stil ift weniger bekannt als
die RenailTance. Uber keinen Stil herrfchen unrichtigere Vor-
flellungen als über diden. Wer aber die Studien unternehmen
will, die meiner hier ausgefprochenen Überzeugung zu Grunde
liegen, wird erkennen, daß er vor keiner Übertreibung fleht.
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