STIMMEN DER KRITIK
10 eine einheitliche, harmonifche, auf Gewißheit beruhende Welf-
anfchauung überhaupt möglich, und hat demzufolge die Philofophie
noch Exiffenzberechtigung ? Das ifl das Problem, deflen Behandlung
lieh der Verfaffer mit der vorliegenden Arbeit gefleht hat. Unter Philo-
fophie verfleht er weder ein fertiges Syflem, noch die Gefamtheii der
bisherigen Lehrmeinungen über erkenntnistheoretifche und praktifche
Fragen; er faßt vielmehr den Begriff Philofophie im Sinne des Philo-
fophierens, und dies bedeutet für ihn das Streben und Suchen nach
einer Weltanfchauung, die den Charakter der Einheitlichkeit, Univer-
falität und Gewißheit beflißt. Da man alle bisherigen Löfungen der
innern Konflikte, die lieh einer philofophifch veranlagten Natur bieten,
ablehnen muß, findet man zumeiff unter den Gebildeten einen ziemlich
Harken Skeptizismus gegen philofophifche Forfchung, msbefondere
gegen die metaphyfifche Spekulation. Die Möglichkeit einer transzen-
denten Weltanfchauung wird von ihnen beftritien und diefer Richtung
die wiffenfchaftliche Philofophie gegenübergeffellt. Weil die Wiffenfchafl
einen fletigen Fortfehritt verzeichnet und ihre Refultate den Charakter
der Gewißheit und Allgemeingültigkeit beflißen, fo lehnen viele alle
metaphyfifche Spekulation ab und wollen auf dem Boden der „realen
Wirklichkeit“ bleiben. Das führt den Verfaffer dazu, im erflen Bande
des vorliegenden Werkes das Wefen der Wiffenfchafl und des „Wiffen-
fchafllichen“ überhaupt einer kritifchen Unterfuchung zu unterziehen.
Im erflen Hauptkapitel wird das wiffenfchaftliche Erkennen einer einläß-
lichen Analyfe unterworfen, wo wir ähnlichen Auffaffungen erkenntnis-
theoretifcher Art begegnen, wie bei Mach. Der zweite Hauptabfchniti
behandelt die Bedingungen der Wiflenfchafllichkeit, den Gegenfland
der Wiffenfchafl und die Abhängigkeitsbeziehungen zwifchen Natur-
wiffenfehaft, Emzehviffenfchaflen und Pfychologie, und endlich entwickelt
der Autor feine Auffaffung über das Ziel und die Aufgabe der Wiffen-
fchaff und unterzieht die wiffenfchafllichen Gefeße, Urfache und Wirkung,
Kaufalität und Teleologie, Erklärung und Zufall, Hypothefe und Theorie
und die Schranken der Wiffenfchaft einer kritifchen Würdigung. Man
erhält beim Studium des Werkes überall den Eindruck, daß die zur
Behandlung kommenden Fragen für den Verfaffer zu perfönlichen Pro-
blemen geworden find, zu deren Löfung er fich durchgerungen hat-
Das Buch fcheint in hervorragendem Maffe geeignet, Intereffe für philo-
fophifche Probleme zu wecken, es will nicht Philofophie lehren, fon-
dern zum Philofophieren anregen. Die Klarheit und die logifche
Schärfe, von denen die kritifchen Ausführungen getragen find, verdienen
hohe Anerkennung. Man darf auf das Erfcheinen des zweiten Bandes
recht gefpannt fein. Dr. W. K.
Sehweizerirdie Lehrerzeitung 1911, Nr. 8.
Der zweite Band (Philofophie) wird im Herbfl 1911 erfcheinen.
10 eine einheitliche, harmonifche, auf Gewißheit beruhende Welf-
anfchauung überhaupt möglich, und hat demzufolge die Philofophie
noch Exiffenzberechtigung ? Das ifl das Problem, deflen Behandlung
lieh der Verfaffer mit der vorliegenden Arbeit gefleht hat. Unter Philo-
fophie verfleht er weder ein fertiges Syflem, noch die Gefamtheii der
bisherigen Lehrmeinungen über erkenntnistheoretifche und praktifche
Fragen; er faßt vielmehr den Begriff Philofophie im Sinne des Philo-
fophierens, und dies bedeutet für ihn das Streben und Suchen nach
einer Weltanfchauung, die den Charakter der Einheitlichkeit, Univer-
falität und Gewißheit beflißt. Da man alle bisherigen Löfungen der
innern Konflikte, die lieh einer philofophifch veranlagten Natur bieten,
ablehnen muß, findet man zumeiff unter den Gebildeten einen ziemlich
Harken Skeptizismus gegen philofophifche Forfchung, msbefondere
gegen die metaphyfifche Spekulation. Die Möglichkeit einer transzen-
denten Weltanfchauung wird von ihnen beftritien und diefer Richtung
die wiffenfchaftliche Philofophie gegenübergeffellt. Weil die Wiffenfchafl
einen fletigen Fortfehritt verzeichnet und ihre Refultate den Charakter
der Gewißheit und Allgemeingültigkeit beflißen, fo lehnen viele alle
metaphyfifche Spekulation ab und wollen auf dem Boden der „realen
Wirklichkeit“ bleiben. Das führt den Verfaffer dazu, im erflen Bande
des vorliegenden Werkes das Wefen der Wiffenfchafl und des „Wiffen-
fchafllichen“ überhaupt einer kritifchen Unterfuchung zu unterziehen.
Im erflen Hauptkapitel wird das wiffenfchaftliche Erkennen einer einläß-
lichen Analyfe unterworfen, wo wir ähnlichen Auffaffungen erkenntnis-
theoretifcher Art begegnen, wie bei Mach. Der zweite Hauptabfchniti
behandelt die Bedingungen der Wiflenfchafllichkeit, den Gegenfland
der Wiffenfchafl und die Abhängigkeitsbeziehungen zwifchen Natur-
wiffenfehaft, Emzehviffenfchaflen und Pfychologie, und endlich entwickelt
der Autor feine Auffaffung über das Ziel und die Aufgabe der Wiffen-
fchaff und unterzieht die wiffenfchafllichen Gefeße, Urfache und Wirkung,
Kaufalität und Teleologie, Erklärung und Zufall, Hypothefe und Theorie
und die Schranken der Wiffenfchaft einer kritifchen Würdigung. Man
erhält beim Studium des Werkes überall den Eindruck, daß die zur
Behandlung kommenden Fragen für den Verfaffer zu perfönlichen Pro-
blemen geworden find, zu deren Löfung er fich durchgerungen hat-
Das Buch fcheint in hervorragendem Maffe geeignet, Intereffe für philo-
fophifche Probleme zu wecken, es will nicht Philofophie lehren, fon-
dern zum Philofophieren anregen. Die Klarheit und die logifche
Schärfe, von denen die kritifchen Ausführungen getragen find, verdienen
hohe Anerkennung. Man darf auf das Erfcheinen des zweiten Bandes
recht gefpannt fein. Dr. W. K.
Sehweizerirdie Lehrerzeitung 1911, Nr. 8.
Der zweite Band (Philofophie) wird im Herbfl 1911 erfcheinen.