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DIE WESTFÄLISCHE MALEREI

Hamburg und Lübeck das gesamte niederdeutsche Gebiet unter dem Nenner
einer gemeinsamen Kunstübung. Daß Westfalen der Ausgangspunkt und die
Wiege der neuen niederdeutschen Kunst gewesen wäre, wird durch diese Tat-
sache nicht bewiesen, da die Voraussetzung wie die Ausbreitung des Stiles
über seine engere Heimat hinausweisen. Und keinesfalls geht es an, die zahl-
reichen Werke einer über weite. Gebiete sich erstreckenden Richtung unter
dem Namen eines Meisters zusammenzufassen, den ein Zufall der Überlieferung
vor der Vergessenheit bewahrt hat.
Während die Meisternamen, die in kölnischen Urkunden genannt werden,
an keiner Stelle mit Sicherheit auf eines der erhaltenen Gemälde der Zeit
bezogen werden können, hat in dem benachbarten Westfalen Meister Konrad
von Soest durch eine ausführliche Inschrift auf dem Hochaltar der Stadtkirche
von Nieder-Wildungen seinem Nachruhm ein dauerhaftes Fundament gegeben.
In den Urkunden der Stadt Dortmund scheint sein Name zu begegnen, es
wird in den Jahren 1413 bis 1422 ein „mester Conrad maler“ mehrfach ge-
nannt. Aber über seine Persönlichkeit und seine Bedeutung vermag allein jener
Kreuzigungsaltar (Abb. 41) Aufschluß zu geben, der, schon 1404 entstanden,
als das Urbild und der Vorläufer zahlreicher ähnlicher Kompositionen er-
scheint, die im niederdeutschen Kunstgebiet erhalten sind. Keine dieser
vielen Nachahmungen und Abwandlungen reicht an das Meisterwerk Konrads
heran, der sich als einer der bedeutendsten Träger der neuen Kunst in deut-
schen Landen erweist.
Wieviel die westfälische Heimat einem Künstler, der um die Jahrhundert-
wende die Höhe der Meisterschaft erreichte, zu geben vermochte, läßt sich
angesichts des gelichteten Denkmälerbestandes nicht mehr ermessen. Immer-
hin hat man, ähnlich wie in Köln, Kunde von einer westfälischen Malerei
des 14. Jahrhunderts, die noch völlig in der hochgotischen Tradition zeichne-
rischer Ausdrucksform befangen war. Eine große Altartafel aus der Wiesen-
kirche in Soest weist unter Arkaden einzeln stehende Figuren von Heiligen,
deren anmutiger Umriß nicht anders denn als ein Flächenornament zu
wirken bestimmt ist.
Schrittweise führt die Stufenfolge der Entwicklung von dieser Altartafel
zu der anderen mit dem thronenden heiligen Nikolaus in der Propstei von
St. Patroklus in Soest, die vielleicht von einem unmittelbaren Vorläufer des
Meisters stammt. Hier erscheint der aus dem italienischen Trecento über-
kommene reiche Thronaufbau noch als reines Schmuckmotiv verwertet, wie
ihn die böhmische Malerei verstand, und es lebt noch der ungebrochen gotische
 
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