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Abb. 112 Meister d.es Marienlebens. Geburt Mariens. München, Pinakothek

der eine König reicht. Ein weiter Abstand trennt diese Kunst von der könig-
lichen Würde und Pracht des Lochnerschen Dombildes. Die Überlegenheit
äußert sich in freierer Beweglichkeit. Im Vergleich mit der breiten und vollen
Form Lochners ist nun alles ins Zierliche und Spitze umgedeutet. Die Menschen
bewegen sich leicht, die Wendungen sind geschmeidig, die Gebärden vielfältig
und elegant. Zierlich spreizen sich die Beine. Spitzfingerig greifen die Hände.
Bei Lochner war es nur ein allgemeines Fassen. Genug, daß die Menschen über-
haupt die Dinge zu halten vermochten. Nun wird jedes Greifen individualisiert,
wie die Stellung der Füße jedesmal eine andere ist in immer graziösem Schreiten
und Eilen, Stehen und Knien.
Die Figur braucht Raum, um sich so zu bewegen. Die Bühne ist tiefer ge-
worden, sie bietet die Möglichkeit bequemer Entfaltung, und der Raum weitet
sich zu einer Hintergrundlandschaft, die den Blick in die Ferne entführt.
Nicht mehr wie früher dürfen die Gruppen geballt und zusammengedrängt
werden. Sie ziehen sich auseinander, weisen nur mehr lockere Verknüpfungen
auf. Die Wochenstube der heiligen Anna (Abb. 112) wird ein weites Zimmer,
in dem sich die Frauen gestalten, die den Raum sparsam beleben, frei zu ent-
wickeln vermögen. Einer jeden ist ihre Funktion zugeteilt. Die eine gießt
 
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