Paris
ständig verloren gegangen, von 8 Teildarstellungen sind Fragmente vorhanden. 70 Bilder
sind intakt geblieben. Die Schriftbänder — weiße gotische Lettern mit roten Initialen
auf braunschwarzem Grunde — sind bis auf bedeutungslose Reste vernichtet; die Ur-
sache dürfte in dem Einfärbeverfahren (10) zu suchen sein, das der Wolle nur eine
kurze Lebensdauer sicherte.
Die sieben Behänge der Apokalypse sind nach der bislang in der französischen
Literatur vertretenen Ansicht in verhältnismäßig kurzer Zeitspanne (1377—1381) ent-
standen. Abgesehen von dem Nichtvorhandensein urkundlicher Belege für die letzten
vier Teppiche lassen heraldische und stilistische Gründe die Hypothese nicht ohne
weiteres als gesichert erscheinen. Schmetterlinge umflattern das Gehäus des medi-
tierenden Johannes, die Flügel tragen die Wappen von Anjou (Lilien) und Bretagne
(Hermelin) — Marie de Bretagne, die Gattin des Herzogs, verstarb 1404. Die krönenden
Engel an dem von Fialen flankierten gotischen Giebel halten Banner mit dem Schilde
von Anjou und dem Emblem (Doppelkreuz) des von Ludwig gegründeten Ordens des
Wahren Kreuzes (11); der baldachinartig hinter und über dem Künder der Apokalypse
gespannte Stoff faßt beim ersten und fünften Teppich (Abb. 3) in fein gezeichnetem
Bankenwerk vielfach wiederholt die Initiale Yolandes von Aragonien, der 1442 ver-
storbenen Mutter Renös von Anjou. Dagegen beschränkt sich die Eröffnungsfigur des
vierten Behanges auf die Hoheitszeichen von Anjou-ßretagne und einen mit Lilien und
Kreuzen gemusterten Baldachin, während das Rückmotiv des sechsten Teppichs die Lilie
mit dem Adler verbindet (Abb. 4). Weitere Initialfragmente sind uns nicht überkommen.
Eine nachträgliche Einfügung der Namensbuchstaben y, die sich sowohl durch Farb-
änderung der Anschlußstellen, als auch durch die auf der Rückseite unschwer er-
kennbare Unterbrechung der Kettenfäden bemerkbar machen müßte, hat nicht statt-
gefunden.
Unterziehen wir die Einzelbilder einer genaueren Untersuchung, so finden wir
wiederum die ominösen y in der siebenten Episode des ersten Teppichs (Abb. 5); die
24 Könige, in vier Feldern zu je sechs geordnet, lobpreisen das im Tode sieghafte,
von den Tieren der Evangelisten umgebene Lamm Gottes mit der flatternden Auf-
erstehungsfahne. Die y decken lediglich den dunkelblauen Grund, vor dem die 4X6
gekrönten Alten sitzen, das blutende Lamm steht gegen einen hellblauen, die Zeichen
der Evangelisten sind auf einen einfarbigen, dunkelblauen Fond gelegt. Schon aus der
Anordnung und Verteilung der y ist zu erkennen, daß von einer nachträglichen Ein-
fügung, die schon aus wirktechnischen Gründen auf die Figuren mehr Rücksicht ge-
nommen hätte, keine Rede sein kann. Das Bild ist einheitlich entstanden. Nur ein
einziges Mal noch erscheint die Initiale Yolandes im 69. Motiv, der 8. Szene des sechsten
Behanges (Abb. 6); während dagegen der Fond der 42. Episode (11. Bild des 4. Tep-
pichs) die L. M. Ludwigs von Anjou und Marias von Bretagne als schmückendes
Moment wählt (Abb. 7).
Prüfen wir die Einzelbilder hinsichtlich ihrer technischen und stilistischen Eigenarten.
Im 3. Motive des ersten Behanges — das als Studienmaterial unvergleichliche Werk
Demotte's „La Tapisserie gothique" bringt die farbige Wiedergabe auf Tafel 4 — liegt
der Evangelist in Demut zu Füßen des Herren, ein breites Schwert halten die Lippen
des Richters der letzten Tage (Abb. 8). Das Gesicht Christi hat eine ungewöhnlich
weitgehende Detaillierung erfahren; in starker Plastik heben sich die Runzeln der Stirn,
die Jochbeine der Augen und die Flügel der Nase; die Haare sind strähnenweise mo-
delliert; ganz eigenartig ist die Struktur der Füße. Das Gesicht des Johannes ist in
der gleichen Weise gelöst, nur mit dem Unterschiede, daß das Antlitz des Jüngers in
weißgelblichen Tönen — gleichfalls mit starker Modellierung —, das Gesicht des Hei-
landes in lebhaften braunroten Nuancen erscheint. Die Durchbildung des Bodens, dem
die stilisierten Bäume entsprießen, erinnert stark an frühe deutsche Arbeiten; durch
massige Farbtöne und Randlinien gefaßte, fast vierkantige Hügelchen rahmen das durch
sechs bis zehn schraffenartige Strähnen angedeutete Grasbüschel, aus dem eine drei-
teilige Blüte emporwächst. Nur an der linken Seite sitzen die Schraffen des Grases
4
ständig verloren gegangen, von 8 Teildarstellungen sind Fragmente vorhanden. 70 Bilder
sind intakt geblieben. Die Schriftbänder — weiße gotische Lettern mit roten Initialen
auf braunschwarzem Grunde — sind bis auf bedeutungslose Reste vernichtet; die Ur-
sache dürfte in dem Einfärbeverfahren (10) zu suchen sein, das der Wolle nur eine
kurze Lebensdauer sicherte.
Die sieben Behänge der Apokalypse sind nach der bislang in der französischen
Literatur vertretenen Ansicht in verhältnismäßig kurzer Zeitspanne (1377—1381) ent-
standen. Abgesehen von dem Nichtvorhandensein urkundlicher Belege für die letzten
vier Teppiche lassen heraldische und stilistische Gründe die Hypothese nicht ohne
weiteres als gesichert erscheinen. Schmetterlinge umflattern das Gehäus des medi-
tierenden Johannes, die Flügel tragen die Wappen von Anjou (Lilien) und Bretagne
(Hermelin) — Marie de Bretagne, die Gattin des Herzogs, verstarb 1404. Die krönenden
Engel an dem von Fialen flankierten gotischen Giebel halten Banner mit dem Schilde
von Anjou und dem Emblem (Doppelkreuz) des von Ludwig gegründeten Ordens des
Wahren Kreuzes (11); der baldachinartig hinter und über dem Künder der Apokalypse
gespannte Stoff faßt beim ersten und fünften Teppich (Abb. 3) in fein gezeichnetem
Bankenwerk vielfach wiederholt die Initiale Yolandes von Aragonien, der 1442 ver-
storbenen Mutter Renös von Anjou. Dagegen beschränkt sich die Eröffnungsfigur des
vierten Behanges auf die Hoheitszeichen von Anjou-ßretagne und einen mit Lilien und
Kreuzen gemusterten Baldachin, während das Rückmotiv des sechsten Teppichs die Lilie
mit dem Adler verbindet (Abb. 4). Weitere Initialfragmente sind uns nicht überkommen.
Eine nachträgliche Einfügung der Namensbuchstaben y, die sich sowohl durch Farb-
änderung der Anschlußstellen, als auch durch die auf der Rückseite unschwer er-
kennbare Unterbrechung der Kettenfäden bemerkbar machen müßte, hat nicht statt-
gefunden.
Unterziehen wir die Einzelbilder einer genaueren Untersuchung, so finden wir
wiederum die ominösen y in der siebenten Episode des ersten Teppichs (Abb. 5); die
24 Könige, in vier Feldern zu je sechs geordnet, lobpreisen das im Tode sieghafte,
von den Tieren der Evangelisten umgebene Lamm Gottes mit der flatternden Auf-
erstehungsfahne. Die y decken lediglich den dunkelblauen Grund, vor dem die 4X6
gekrönten Alten sitzen, das blutende Lamm steht gegen einen hellblauen, die Zeichen
der Evangelisten sind auf einen einfarbigen, dunkelblauen Fond gelegt. Schon aus der
Anordnung und Verteilung der y ist zu erkennen, daß von einer nachträglichen Ein-
fügung, die schon aus wirktechnischen Gründen auf die Figuren mehr Rücksicht ge-
nommen hätte, keine Rede sein kann. Das Bild ist einheitlich entstanden. Nur ein
einziges Mal noch erscheint die Initiale Yolandes im 69. Motiv, der 8. Szene des sechsten
Behanges (Abb. 6); während dagegen der Fond der 42. Episode (11. Bild des 4. Tep-
pichs) die L. M. Ludwigs von Anjou und Marias von Bretagne als schmückendes
Moment wählt (Abb. 7).
Prüfen wir die Einzelbilder hinsichtlich ihrer technischen und stilistischen Eigenarten.
Im 3. Motive des ersten Behanges — das als Studienmaterial unvergleichliche Werk
Demotte's „La Tapisserie gothique" bringt die farbige Wiedergabe auf Tafel 4 — liegt
der Evangelist in Demut zu Füßen des Herren, ein breites Schwert halten die Lippen
des Richters der letzten Tage (Abb. 8). Das Gesicht Christi hat eine ungewöhnlich
weitgehende Detaillierung erfahren; in starker Plastik heben sich die Runzeln der Stirn,
die Jochbeine der Augen und die Flügel der Nase; die Haare sind strähnenweise mo-
delliert; ganz eigenartig ist die Struktur der Füße. Das Gesicht des Johannes ist in
der gleichen Weise gelöst, nur mit dem Unterschiede, daß das Antlitz des Jüngers in
weißgelblichen Tönen — gleichfalls mit starker Modellierung —, das Gesicht des Hei-
landes in lebhaften braunroten Nuancen erscheint. Die Durchbildung des Bodens, dem
die stilisierten Bäume entsprießen, erinnert stark an frühe deutsche Arbeiten; durch
massige Farbtöne und Randlinien gefaßte, fast vierkantige Hügelchen rahmen das durch
sechs bis zehn schraffenartige Strähnen angedeutete Grasbüschel, aus dem eine drei-
teilige Blüte emporwächst. Nur an der linken Seite sitzen die Schraffen des Grases
4