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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0027
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Paris

theriusreihe der Kathedrale zu Tournai kann durchaus nicht als Prototyp für die
„riches draps d'Arras" gelten — technisch und künstlerisch in der Regel über den
Pariser Erzeugnissen standen. Die Verbindungen des Nicolas Bataille mit dem Haupt-
orte des Artois sind wenig geklärt, schon lebhafter sprudeln die Belege, die sich mit
seinem Geschäftsfreunde Jacquet Dourdin befassen. Meister Jacquet besitzt 1399 ge-
meinsam mit dem Arraser „Tapissier" Andreas de Mouchy den Weinzoll, 1405 treten
Baudin Fastoul und Gilles Crespin, gleichfalls in Arras ansässig, als Teilhaber in das
Unternehmen ein. Dourdin figuriert in den Bürgerlisten von Arras und Paris. Er be-
sitzt Lehen in Acq, Agnez und Achicourt.

Die Yerkaufsbelege wirbeln bunt die Behänge „fil de Paris" und „fin file d'Arras"
durcheinander, gleichgültig, ob der betreffende Händler in Paris oder Arras ansässig
ist. Die Differenzierung und Bestimmung des Herkunftsortes ist um so schwieriger, als
diese Ausdrücke rein technischer Natur sind, sich lediglicli auf das verwandte Wollen-
material — die „fin file d'Arras" ist erheblich teurer —, nicht auf das Atelier beziehen.
Das ständige Hin- und Herfluten der Erzeugnisse von Paris und Arras dürfte in Zeiten
der Hochkonjunktur sogar zu einer umschichtigen Beschäftigung der Ateliers, über die
wir leider nur ungenügend unterrichtet sind, geführt haben, Arraser Wirker arbeiten
für Pariser Händler und umgekehrt.

Nicolas Bataille ist um 1340 geboren; eine Urkunde vom 4. September 1395 erwähnt
seinen etwa 24 Jahre alten Sohn Jehan Bataille (aus erster Ehe); seit 1400 erscheint
seine Witwe (aus zweiter Ehe) Marguerite de Verdun; die unmündigen Kinder unter-
stehen der Fürsorge des Tapissiers Jehan Paillart (23). In den ersten Jahrzehnten
seiner Tätigkeit betreibt Bataille vornehmlich den Sargenhandel; der Wandteppich-
umschlag tritt zunächst zurück. Bereits unter dem 6. September 1368 erscheint Bataille
mit fünf „sarges vermeilles (rot)" für die Ausstattung eines Gemaches im Pariser Schlosse
Philipps des Kühnen bestimmt (24); am 1. Juni 1369 bezieht Nicolas Bataille „marchand
de tapis" 42 Francs für sechs „sarges de Caen de grant moison (mesure)" (25). Am
23. September 1373 liefert Colin Bataille „tapissier et bourgeois de Paris" wiederum
dem Burgunderherzog vier „sarges vers, de moienne moison (mittlerer Größe), pour
faire couvertures de liz pour les fames (femmes) de Mme" zum Preise von 16 Francs,
ferner 6 „tapis d'euvre d'Arras, armoyes des armes de Mgr, pour couvrir les sommiers
de Mgr, quant il chevauchera" (26). Bataille tritt als reiner Händler auf; die Sargen
stammen sicher nicht aus seiner Werkstatt, die mit 20 Francs bezahlten Maultierdecken
sind Arraser Erzeugnis. Anfangs Mai 1371 wird Meister Nicolas, „marchant de tapisserie
sarredinoise, (!)" mit der Besorgung von vier grünen Sarges betraut, die an Regnault
Chevalier, den Schneider der Herzogin, abgeliefert werden (27). Unter dem 27. Feb-
ruar 1372 veranlaßt die Gemahlin Philipps des Kühnen die Auszahlung des Betrages
von 44 1. 4 s. tourn. für zehn „sarges vermeilles que Mme fist acchetter de lui (Bataille)
pour tendre avec sa chambre de camocaz" (28). 1373 beschafft Bataille wiederum
verschiedene Sarges sowie sechzig Ellen Tuch für den herzoglichen Schneider. Die
angeführten Belege, die sich aus den Prost'schen Inventaren für die folgenden Jahr-
zehnte unschwer noch erheblich erweitern lassen, genügen vollauf, um zu erkennen,
daß Bataille ein Händler großen Stiles ist, zum mindesten soweit die Lieferung von
Seidenstoffen und Tuchen in Frage kommt. Auch die „Quarreaulx", die Meister Nicolas
in den achtziger Jahren in großen Mengen dem burgundischen Haushalte anstellt — es
handelt sich um viereckige oder runde Belege —, sind keine Wirkereien, sondern
Seidenstoffe; Bataille „marchant, demourant a Paris" erhält u. a. am 12. Januar 1387
zweieinhalb Goldfranken „pour la couverture de six quarreaux couvers de sarge pour
la chambre de mons. le comte de Nevers" (29).

Bataille ist ferner in starkem Maße für den Herzog von Anjou tätig und führt in
dieser Eigenschaft die Amtsbezeichnung eines „valet de chambre". Die Annahme
Guiffreys (30), daß dieser Charakter zumeist Personen geringerer Herkunft (Handwerkern)
verliehen wurde, vermag ich nicht zu teilen. Der Kammerdienertitel des 14. Säkulums
hat mit der Anschauung des modernen Sprachgebrauches nur wenig gemein. Zweifels-

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