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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Editor]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0045
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Paris

blauen Mantel der Vollendung gehüllt, vor dem Leichnam des göttlichen Sohnes.
Johannes, der Lieblingsjünger des Herrn, und Magdalena, beide in rotem Gewände,
halten den leblosen Körper. Seitlich erscheinen, dem Prinzip der Dreiteilung folgend,
St. Michael in blinkender Rüstung und St. Stephanus, auf dem Haupte den Stein, das
Sinnbild seines Martyriums. Ein in Falten geraffter Vorhang dient als Hintergrund,
rechts und links lugen schmale Landschaftsausschnitte. Der Psalmvers IN SALICIBVS
IN MEDIO EJVS SVSPENDIMVS ORGANA NOSTRA dient als Legende. Die Bordüre
verwertet neben Emblemen — Spiegel und Totenkopf — und Spruchbändern —
C1NISES — MEMENTO — die Initialen I. D. als dekorative Momente. Der Stifter
war Jean de Bray, der Sekretär und spätere Testamentsvollstrecker des Erzbischofs
de Salazar; als Wirker kommt mit gewisser Wahrscheinlichkeit Allardin de Souyn in
Betracht.

Die Gründung der Manufaktur Fontainebleau — in den dreißiger Jahren — durch
König Franz I., die Vorliebe des Herrschers für die reichen golddurchwirkten Brüsseler
Folgen, stellen dem Aufblühen und der Neuerstarkung der Pariser Ateliers naturgemäß
starke Hindernisse entgegen. Nur vereinzelt erfahren wir von der Lieferung größerer
Bildteppichreihen. Jacques Pinel und Claude Bredas „marchands, demourans ä Paris",
von denen die Herzogin von Ferrara Renöe de France 1528 die aus neun Behängen
(2-49 Pariser Quadratellen) zusammengestellte „istoire appellöe L6rian et l'Aureolle
(Hero und Leander?), sowie die „istoire appell^e les Divines fortunes" (6 Teppiche)
— der Quadratellenpreis beläuft sich auf 13 1. 6 s. 6 d. — und eine Millefleursreihe
„menue verdure'1 (12 Stück, 55 s. t. Einheitspreis) erwirbt, scheinen mehr Händler als
Wirker gewesen zu sein (100). Jehan Tubac und sein Sohn Husson betreiben um die
gleiche Zeit eine Werkstatt, deren Charakter aus den zur Verfügung stehenden
Archivalien nicht ohne weiteres ersichtlich ist. Unter dem 23. Juli 1531 schließt
Richard de Tournebeuf, Kanonikus von Chartres, mit der Firma den Vertrag auf
Lieferung einer religiösen Folge, dessen Wortlaut jedoch eher auf eine Stickerei als
eine Wirkerei schließen läßt (101).

Pierre du Larroy, „maistre tapissier de haulte lisse, demourant ä Paris rue des
Auldriettes (Haudriettes)" ist dagegen regelrechter Wirker. 1547 liefert der Meister
an zwei Pariser Goldschmiede zwei gewirkte ßettbehänge (den an den Betthimmel
anschließenden Kranz, 3 Ellen lang, 1/9 Elle hoch); als dekoratives Moment erscheinen
Wappen, verbrämt mit Laubwerk und Vögeln; der Quadratellenpreis stellt sich auf

12 Livres, setzt also eine verhältnismäßig feine Arbeit voraus. Weiterhin wird
du Laroy mehrfach als Lieferant gewirkter Saumtierdecken genannt. Zu seinen
Auftraggebern zählen Margarete von Frankreich, die Schwester des Königs (1548:

13 -f-9 Maultierdecken zum Einheitspreis von 7 livres 2 sous), der Graf von Tavannes
(1551, die Decken zeigen je fünf Wappenschilder, der Einzelpreis beläuft sieh auf nicht
weniger als 23 livres), Charles du Bec, sieur de Boury (1554, 2 Maultierdecken zu
insgesamt 55 livres 4 sous), der Kapitän Guy de Castelnau de Clermont (1567,
4 Schabracken zum Gesamtpreise von 11 6cus d'or). Es ist nicht ganz klar, ob Meister
Pierre seine Manufaktur in der rue des Haudriettes selbständig oder gemeinsam mit
Antoine du Laroy, seinem Sohne, betreibt, der in der gleichen Straße im Hause zur
Goldenen Presse wohnt. Meister Antoine findet 1586 notarielle Erwähnung, er liefert
an Pierre Queneaulx, „prßtre clerc" an der Pariser St. Genovevakirche, „l'istoire du
miracle des Ardents" zum Preise von 30 livres (102). Pierre du Laroy steht 1552
mit dem Erzbischof von Sens, dem Kardinal Karl von Bourbon (f 11. III. 1557), in
geschäftlicher Verbindung (103). Der Vertrag vom 15. März des Jahres befaßt sich
mit der Fertigstellung einer aus sechs Behängen zusammengestellten Folge, die in Güte
und Ausführung mindestens der Reihe gleichwertig sein soll, die du Laroy für die
Herzogin-Witwe von Guise auf den Gezeugen hat. Inmitten eines braunblauen mit
den Lilien der Bourbons, ,,ung baston au travers desdictes fleurs de lys", übersätem
Grunde prangt ein Medaillon — 3 Ellen lang, 2 Ellen hoch — mit einer religiösen
Schilderung, überhöht von dem Wappen und dem Kardinalshute des hohen Auftrag-

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