Paris
fakturen der Metropole zu überweisen sein werden, kurz daß die Pariser Bildwirkerei
des 16. Siikulums noch manchen Aufschlusses bedarf, noch manche Überraschungen
bringt. Schwierigkeiten macht in erster Linie der Mangel an einwandfrei durch ur-
kundliche Belege gesicherter Behänge; Signaturen habe ich bislang nirgends fest-
stellen können. Pariser Teppiche kommen im Kunsthandel und im Privatbesitz außer-
ordentlich selten vor, um so dankbarer bin ich einem Budapester Sammler, der mir
in liebenswürdigster Weise den Abzug eines besonders typischen Exemplars zur Ver-
fügung stellte. Der Einfluß Italiens zeigt sich in erster Linie wiederum in den Fas-
sungen; die Durchbildung der Figuren, noch mehr des Pflanzenwerkes offenbart die
nahe Verwandtschaft mit der Folge zu Langres (Abb. 18) (118).
Bereits im 16. Säkulum beginnt eine Durchdringung der Pariser Manufakturen mit
den Wirkereifilialen der Marche, Felletin gibt bald den Vorrang an Aubusson ab.
Die hauptstädtischen Meister wehren sich verzweifelt gegen die neue Konkurrenz, die
unter wesentlich billigeren Bedingungen erzeugt. Die Vorwürfe der liederlichen
Arbeit, der Verwendung schlechter Farben sind an der Tagesordnung; die eingewan-
derten Aubussoner bezichtigen wiederum die Pariser der Unfähigkeit, kurz, das Bild
ist wenig erfreulich. Der Kampf der großen Zentren der Marche mit der altange-
sessenen Pariser Wirkerzunft spitzt sich im 17. Säkulum noch mehr zu; die Tapissiers
der Metropole verlangen das Kontroll- und Siegelungsrecht aller eingeführten Folgen;
das Parlament wird mit einer Reihe von Prozessen in Bewegung gesetzt; die Meister
von Aubusson und Felletin bleiben Sieger in dem Ringen um die wirtschaftliche
Existenz. Die Einzelheiten, die gelegentlich der Besprechung der Manufakturen der
Marche eingehendere Berücksichtigung finden, können hier füglich übergangen werden;
sie lehren uns mit Sicherheit aber das eine, daß die Pariser Werkstätten des 17. Jahr-
hunderts unter einem starken Rückgang leiden, daß sie in der Hauptsache Rentraiture-
ateliers sind, die sich mit der Instandsetzung und dem Verkaufe gebrauchter Folgen über
Wasser halten, daß nur in seltenen Fällen größere Neuaufträge zur Durchführung gelangen.
Das markanteste Pariser Wirkerei atelier, das sich siegreich neben den verschie-
denen offiziösen Manufakturen der Metropole behauptet, ist das des Pierre Damour.
Der Meister ist zunächst in der Reimser Werkstatt Pepersacks tätig; er siedelt um
1650 nach Paris über. Mit seinem Namen ist in erster Linie die große Madonnenfolge
im Straßbui'gor Münster verknüpft. Die prächtige Serie hing einst in der Notre-Dame-
Kirche zu Paris, der Stifter ist der Abt Le Masle, prieur des Roches, Kanonikus der
Kathedrale (119). Das Kircheninventar von 1648 nennt bereits „Deux grandes pieces
de tapisserie representant quelque Histoire de la Vierge, armoriees en haut des armes
de feu Monseigneur le cardinal duc de Richelieu, et au bas de celles de Monsieur des
Roches, dont l'une est donnöe par ledict sieur des Roches et l'autre par le sieur Char-
pentier, secretaire dudid feu seigneur cardinal". Die «Nativitatis beatissimae Virginis"
ist eine Gabe Le Masles, die „Praesentationis ejusdem in templo" ein Geschenk Char-
pontiers und zwar vom 13. November 1640, eine Feststellung, die für die Entstehung
der ersten Behänge der Folge von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Den Pa-
tronenmaler nennt uns Germain Brice in dem dritten Bande seiner „Description de
la ville de Paris": «Cette tapisserie est de Champagne qui en fit les cartons en
1636" (120). Im übrigen hat Gueffier, der Autor der «Description historique de l'eglise
de Paris, 1763", der Champagne die sämtlichen Entwürfe der Folge (1638) zuschreibt,
aller Wahrscheinlichkeit nach recht und nicht Dargenville («Voyage pittoresque de
Paris; 1778"), der sie auf die Geburt, die Darbringung im Tempel, Mariä Hochzeit,
die Verkündigung und die Krönung beschränkt.
Das Charakteristische der ganzen Folge ist der stark Brüsseler Einschlag, in Sonder-
heit sind die Bordürenmotive mit Arbeiten aus der Manufaktur des Geraert van der
Strecken aufs engste verwandt. Ich habe mich bereits im ersten Teile meiner Wand-
teppiche mit dieser für die Wechselbeziehungen der großen Manufakturen außer-
ordentlich bedeutungsvollen Tatsache befaßt. Abb. 19 bringt die Beglückwünschung
Konstantins, eine der besten Arbeiten des berühmten Brüsseler Meisters, Abb. 20 einen
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fakturen der Metropole zu überweisen sein werden, kurz daß die Pariser Bildwirkerei
des 16. Siikulums noch manchen Aufschlusses bedarf, noch manche Überraschungen
bringt. Schwierigkeiten macht in erster Linie der Mangel an einwandfrei durch ur-
kundliche Belege gesicherter Behänge; Signaturen habe ich bislang nirgends fest-
stellen können. Pariser Teppiche kommen im Kunsthandel und im Privatbesitz außer-
ordentlich selten vor, um so dankbarer bin ich einem Budapester Sammler, der mir
in liebenswürdigster Weise den Abzug eines besonders typischen Exemplars zur Ver-
fügung stellte. Der Einfluß Italiens zeigt sich in erster Linie wiederum in den Fas-
sungen; die Durchbildung der Figuren, noch mehr des Pflanzenwerkes offenbart die
nahe Verwandtschaft mit der Folge zu Langres (Abb. 18) (118).
Bereits im 16. Säkulum beginnt eine Durchdringung der Pariser Manufakturen mit
den Wirkereifilialen der Marche, Felletin gibt bald den Vorrang an Aubusson ab.
Die hauptstädtischen Meister wehren sich verzweifelt gegen die neue Konkurrenz, die
unter wesentlich billigeren Bedingungen erzeugt. Die Vorwürfe der liederlichen
Arbeit, der Verwendung schlechter Farben sind an der Tagesordnung; die eingewan-
derten Aubussoner bezichtigen wiederum die Pariser der Unfähigkeit, kurz, das Bild
ist wenig erfreulich. Der Kampf der großen Zentren der Marche mit der altange-
sessenen Pariser Wirkerzunft spitzt sich im 17. Säkulum noch mehr zu; die Tapissiers
der Metropole verlangen das Kontroll- und Siegelungsrecht aller eingeführten Folgen;
das Parlament wird mit einer Reihe von Prozessen in Bewegung gesetzt; die Meister
von Aubusson und Felletin bleiben Sieger in dem Ringen um die wirtschaftliche
Existenz. Die Einzelheiten, die gelegentlich der Besprechung der Manufakturen der
Marche eingehendere Berücksichtigung finden, können hier füglich übergangen werden;
sie lehren uns mit Sicherheit aber das eine, daß die Pariser Werkstätten des 17. Jahr-
hunderts unter einem starken Rückgang leiden, daß sie in der Hauptsache Rentraiture-
ateliers sind, die sich mit der Instandsetzung und dem Verkaufe gebrauchter Folgen über
Wasser halten, daß nur in seltenen Fällen größere Neuaufträge zur Durchführung gelangen.
Das markanteste Pariser Wirkerei atelier, das sich siegreich neben den verschie-
denen offiziösen Manufakturen der Metropole behauptet, ist das des Pierre Damour.
Der Meister ist zunächst in der Reimser Werkstatt Pepersacks tätig; er siedelt um
1650 nach Paris über. Mit seinem Namen ist in erster Linie die große Madonnenfolge
im Straßbui'gor Münster verknüpft. Die prächtige Serie hing einst in der Notre-Dame-
Kirche zu Paris, der Stifter ist der Abt Le Masle, prieur des Roches, Kanonikus der
Kathedrale (119). Das Kircheninventar von 1648 nennt bereits „Deux grandes pieces
de tapisserie representant quelque Histoire de la Vierge, armoriees en haut des armes
de feu Monseigneur le cardinal duc de Richelieu, et au bas de celles de Monsieur des
Roches, dont l'une est donnöe par ledict sieur des Roches et l'autre par le sieur Char-
pentier, secretaire dudid feu seigneur cardinal". Die «Nativitatis beatissimae Virginis"
ist eine Gabe Le Masles, die „Praesentationis ejusdem in templo" ein Geschenk Char-
pontiers und zwar vom 13. November 1640, eine Feststellung, die für die Entstehung
der ersten Behänge der Folge von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Den Pa-
tronenmaler nennt uns Germain Brice in dem dritten Bande seiner „Description de
la ville de Paris": «Cette tapisserie est de Champagne qui en fit les cartons en
1636" (120). Im übrigen hat Gueffier, der Autor der «Description historique de l'eglise
de Paris, 1763", der Champagne die sämtlichen Entwürfe der Folge (1638) zuschreibt,
aller Wahrscheinlichkeit nach recht und nicht Dargenville («Voyage pittoresque de
Paris; 1778"), der sie auf die Geburt, die Darbringung im Tempel, Mariä Hochzeit,
die Verkündigung und die Krönung beschränkt.
Das Charakteristische der ganzen Folge ist der stark Brüsseler Einschlag, in Sonder-
heit sind die Bordürenmotive mit Arbeiten aus der Manufaktur des Geraert van der
Strecken aufs engste verwandt. Ich habe mich bereits im ersten Teile meiner Wand-
teppiche mit dieser für die Wechselbeziehungen der großen Manufakturen außer-
ordentlich bedeutungsvollen Tatsache befaßt. Abb. 19 bringt die Beglückwünschung
Konstantins, eine der besten Arbeiten des berühmten Brüsseler Meisters, Abb. 20 einen
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