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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0223
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Gobelins

gezwungenen Charakter tragen. Als Vorlage für das Thronbildnis des unglücklichen
Ludwigs XVI. dient eine Arbeit Antoine-Francois Callets (1789, H. L. Cozette, 1814 bis
1817). Sowohl das große Porträt als auch das Brustbild Ludwigs XVI. nach Anicet-
Charles-Gabriel Lemonnier (Cozette, 1815/1816) gerieten beim Gobelinsbrande (1871)
in Verlust. Als bekannteste Portratwiedergabe aus den Tagen der Restauration dürfte
das Familienbild Mario Antoinettes nach Marie-Anne-Elisabeth Vigöe-Lebrun (1787) zu
erwähnen sein. Die erste, in Wolle unter Ausschluß von Seide in den Hautelisse-
werkstätten Cozettes und Claudes 1814—1818 durchgeführte Kopie wird 1868 dem
Kaiser von Österreich überreicht; eine zweite Wiederholung aus Laforests Atelier
(1818—1822) befindet sich im Palais de l'Elysöe; die dritte, jüngsten Datums (1897 bis
1900), wurde 1900 der Kaiserin von Rußland geschenkweise überlassen. Das große
Zeremonialporträt Ludwigs XVIII. nach einem Gemälde Robert Lefebvres fand eine
zweimalige Wiederholung (1818—1820, 1821-1823, franz. Staatsbesitz). Das Brustbild
des Königs nach Francois Görard wird viermal kopiert (1. Kopie, 1825 an den König
von Preußen, 2. Wiederholung, Stadt Paris, 3. Kopie, 1816 an den Herzog von Cam-
bridge überwiesen, 4. Stück in den Gobelins 1871 verbrannt.)

Das erste große Wirkereiporträt des Grafen von Artois — der Bruder des Königs
ist in der Tracht des Sankt-Spiritus-Ordens dargestellt — wird (1818 — 1819) von Claude
in hochlitziger Technik durchgeführt und 1825 dem König von Preußen überreicht,
Von dem Wirkereiporträt „Monsieurs", in der Tracht eines Generalobersten der Kara-
biniere, waren zwei Wiederholungen vorhanden, von denen die erste (1826/1827) im
Brande der Gobelins (1871) verloren ging, während die zweite (1828/29) 1830 als Ge-
schenk an das Königspaar von Neapel abwanderte. Die späteren Arbeiten (Karl X.)
kommen zeitlich für uns nicht mehr in Betracht.

6. Tier- und Blumenstücke.

Bereits zu Beginn des 19. Säkulums wird als vereinzeltes Motiv ein Desportes'sches
Tierstück „der Geier und die Enten11 in den Gobelins in Wolle und Seide über-
tragen. Die erste Kopie aus Laforests hoclilitzigem Atelier (1804) ist verloren gegangen;
die zweite, in tief litziger Technik (1805/07), wird als kaiserliches Geschenk dem Kardinal
Fesch überwiesen, sie dürfte mit dem Exemplar der Sammlung Julien Potin identisch
sein. Charakteristisch ist die ungewöhnlich feine Kette, mit dem ausgesprochenen Be-
streben verwandt, eine möglichst glatte Flache zu erzielen und jedes Korn zu ver-
wischen. Abgesehen von zwei nicht sonderlich glücklichen Tierstücken, „der Stier-
jagd11 (B. L. 1814/18), die Herrn d'Abbadie gelegentlich einer Mission im Orient zur Ver-
fügung gestellt wurde und verschwand, und dem „von Wölfen angefallenen Pferd11
(H. L. 1814/20), das im Brande vom 24. Mai 1871 der Vernichtung anheim fiel, kommen
als Sonderheit zwei Küchenstilleben 1814/15 auf die Gezeuge, die in unvollendetem
Zustande 1850 verkauft wurden. Von Pierre-Paul Barraband (Salon 1804) stammt ein
kleines Vogelstück (Papageien und andere Vertreter der Vogel weit); die erste Kopie
in hochlitziger Technik wird von der Kaiserin als Neujahrsgeschenk (1805) benutzt;
die zweite, tief litzige Wiederholung (1806) erhält am 1. Januar 1811 die Gräfin de Sögur.

Vielfach erscheinen die Blumenstudien und Stilleben nicht als selbständige Arbeiten,
sondern in Gestalt von Supraporten. U. a. verzeichnete die Pariser Auktion vom
23. Mai 1887 zwei vorzüglich durchgeführte Motive, wahrscheinlich nach Vorlagen von
Baptiste Monnoyer gewirkt: 1. Birnen, Pfirsiche und Trauben in reizvoller Zusammen-
stellung, 2. Blumen- und Fruchtkorb, daneben Kaffeemühle, Kanne und Tasse; die
beiden Supraporten dürften 1806/07 entstanden sein.

Als beliebtes Dekorationsmittel kommt vielfach die Vase zur Verwendung. Die
beiden Bilder der Anne Vallayer-Coster (Salon 1798) — Ovalformat, neben der
blauen Blumenvase liegt ein toter Zeisig — werden in Basselissetechnik (1802—1806)
je dreimal kopiert; sie werden verschleudert; die von Thierry 1850 für 5 Francs (!)
erworbene Wiederholung fand 1884 (23. Mai) für 1200 Francs einen Käufer.

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