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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0224
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Gobelins

Die „Blumenvase" nach dem Bilde der Mme Peigndi wird vor 1801 in den Gobelins
übertragen und dem König von Etrurien (1801/1802) als Geschenk überwiesen. Die
zweite, dritte (1802) und vierte Wiederholung (1804) gehen spurlos verloren; die
fünfte (1805) und siebente Kopie (1806) wandern 1806 an den badischen Hof; das
sechste Exemplar (1805) wird gelegentlich der Vermahlung Jeremies (1806) dem Fürsten
Borghese überreicht. „Frühstück" — Kuchen, Rübchen und ähnliche Leckerbissen —
und „Dessert" — Cremetopf, Biskuits usw. —, nach Mlle Yallayer, übertragen (1811)
Deyrolle fils und Laurent Desroy in die tieflitzige Technik. Die Stücke werden der
Herzogin von Angouleme 1814 verehrt und sind verschollen.

7. Möbelwirkereien.

Die Hast und der oft unmotivierte plötzliche Wechsel in der Anordnung, die sich
vielfach bei den von Napoleon in Auftrag gegebenen Wandteppichfolgen störend be-
merkbar machen, zeigen sich in nicht geringerem Maße bei der Durchführung der gro-
ßen Möbelgarnituren der Gobelins (129).

Als Nachfolger des 1784 verstorbenen hervorragenden Blumen- und Ornamenten-
malers Jacques erscheint Laurent Malaine. Er entwirft um 1801 eine Garnitur —
Blumen auf lilaseidenem Fond —, die mit zwei Kanapees, zwölf Fauteuils und zwei
Schirmen um 1803 abgeliefert wird, sich 1807 noch im Magazin befand, um dann mit
unbekannter Bestimmung zu verschwinden.

Ein zweites Möbel — Blumen auf lila Grund —, nach den alten Entwürfen von
Louis Tessier, wird um 1807 für den Salon der Kaiserin Josephine auf Schloß Com-
piegne mit zwei Kanapees, zwölf Fauteuils und einem Schirm fertiggestellt; es erfährt
um 1810 eine Ergänzung von zwölf Stühlen — kleine Blumensträuße nach Zeichnung
von Dubois. Charakteristisch ist keines dieser Möbel für die napoleonische Epoche.
1807 gibt der Kaiser eine Garnitur für sein Arbeitskabinett in den Tuilerien in Auf-
trag; die drei Portieren tragen Siegesgöttinnen mit den verschiedensten Attributen auf
purpurnem, von Bienen ühersätem Grunde, in ornamentale Bordüren gerahmt. In
entsprechender Weise sind die Fenstervorhänge und das gesamte Möbel gedacht; die
Rücklehne des kaiserlichen Sessels zeigt eine schwebende geflügelte Viktoria, in den
Händen Krone und Palme — als Gegenstück erscheint eine Minerva im Fauteuil der
Kaiserin —, ein in Kreisform angeordneter Lorbeerkranz wird von Bienen in konzen-
trischem Reifen gerahmt; das Sitzblatt bringt in der Mitte einen Stern, in Kreisen von
Perlstab, Lorbeerkranz, Bienenleiste und einem ornamentalen Motiv — Sterne zwischen
palmettenartigen Gebilden — gefaßt. Entsprechend sind die Sitze für die Prinzen
und Prinzessinnen des kaiserlichen Hauses gelöst: die Rückblätter tragen antike Waffen-
trophäen mit Lorbeer und Bienenring. Der sechsteilige Wandschirm zeigt die Ge-
stalten des Nachruhms, des Herkules, Mars, Apollo, Merkur und der Diana auf orna-
mentale Sockel zwischen lorbeergeschmückte Säulchen gestellt, von dem kaiserlichen
Adler und dem napoleonischen N überhöht, durch gekreuzte Palmen und einen Frucht-
stab nach unten abgeschlossen. Die beiden Ofenschirme bringen als Mittelstück den
Genius des Schweigens — ein nackter, geflügelter Jüngling, der bedeutungsvoll den
Zeigefinger der Linken an den Mund führt und in der herabhängenden Rechten ein
Schriftstück hält —, kreisförmig von einem Lorbeerkranze auf rotem bienenbesätem
Grunde gerahmt, ein Lorbeergewinde dient als Bordüre. Das Möbel wirkt in erster
Linie durch die Farben und die Verwendung des Goldfadens; die Motive an und für
sich sind denkbar langweilig. Die Ausführung (1813) geht verhältnismäßig schnell
vonstatten, nach dem Sturze der napoleonischen Herrschaft werden die Embleme ent-
sprechend geändert.

Die Garnitur (Blumenmotive auf hellgrünem Grunde) für das Zimmer der „Kin-
der von Frankreich" — den König von Rom — bestimmt, wird später in den Salon
des Herzogs von Berry, des bourbonischen Thronerben, nach dem Pavillon de Marsan
überführt; sie bestand aus zwei Fauteuils, acht Klappsesseln, einem Ofenschirm und

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