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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Editor]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0246
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Beauvais

Eine vollständig uns überkommene „Noble Pastorale" ist mir nicht bekannt. Von den
Teilbeständen dürfte in erster Linie die Pariser Collection Rodolphe Kann mit fünf
Behängen zu erwähnen sein (jetzt in der Sammlung H. E. Huntington (Abb. 238) (73).
Die beiden Teppiche der Collection E. Cronier (versteigert in Paris, 4./5. XII. 1905)

— Fischfang und Liebcsquelle — sind meines Wissens nach Amerika abgewandert,
der Verbleib des „Fischfangs11 signiert A. C. C. BEAUVAIS aus der Sammlung De-
backer (versteigert in Paris, 1. VI. 1808, Nr. 105) ist mir nicht bekannt (74). G.L. Hunter
nennt die „Vogelfänger11 in der Harry Payne Whitney Collection und die „Liebesquelle11
in zwei Exemplaren (Senator Clark und Mrs. C. B. Alexander). Vereinzelte Behänge
der „Noble Pastorale" befanden sich im Besitze der New-Yorker Kunsthändler Duveen
Brothers — die übrigens auch einen Teppich der Götterliebschaften (Bacchus und
Ariadne) zur Clevelandausstellung (1918) herliehen — und in den Räumen der Pariser
Kunsthandlung Jacques Seligmann.

Im übrigen ist mit den erwähnten Serien die Tätigkeit Bouchers nicht abgeschlossen.
Die heraldischen Entwürfe haben bislang wenig Beachtung gefunden. In erster Linie
dürfte ein Teppich zu erwähnen sein, den die Kunsthandlung P. W. French & Co.
1922 zur Wandteppichausstellung von San Francisco lieh (75). Augenscheinlich handelt
es sich um den Behang, den die Manufaktur 1740 für das Parlament von Bouen
lieferte: »1 piece de fleurs de lys avec les armes du Roi, et 2 anges en support11 (76)
(Abb. 239). Die elegante Lösung steht in schärfstem Gegensatze zu den prunkvollen,
mitunter etwas schweren Kanzlerteppichen. Eine Art Mittelglied bildet ein Be-
hang, der mit der Sammlung des Fürsten Paul Galitzin am 10./11. März 1875 zur
Versteigerung gelangte, dessen Verbleib mir leider nicht bekannt ist. Die vorzüglich
erhaltene Wirkerei (H. 3,33 m, L. 2,45 m) trägt die Signatur S. B. Oudry, 1735. Stärke
(ein gerüsteter Krieger) und Weisheit (eine stehende Frauengestalt) nehmen zu Füßen
des von Lilienstandarten malerisch umflatterten Wappenschildes des Marschalls und
Herzogs de Bouffiers Aufstellung. Der Teppich gehört zu einer Ausstattungsserie, die
mit dem Jahre 1733 beginnt — „Dais pour le duc de Bouffiers11 —, 1738 ihre Fort-
setzung findet — „1 ciel de dais, pour le duc de Bouffiers11 —, 1740 vollendet wird

— „Portieres, 8 pieces, pour le duc de Bouffiers: Timbales, Drapeaux, Guidons, Ca-
nons etc.11 Ein zweites Exemplar mit der Signatur I. B. Oudry (H. 3,37 in, L. 2,50 m)
tauchte in einer Pariser Auktion (Hotel Drouot, 26. I. 1921, Nr. 24) auf. Kesselpauken,
Waffentrophäen, der Hermelinmantel mit den Kreuzen des Hauses Bouffiers, zwei
fauchende Jaguare füllen malerisch den Raum zwischen den beiden allegorischen
Gestalten.

Im übrigen herrscht wenig Klarheit hinsichtlich der Kleinwirkereien — der Supra-
porten und Zwischenfensterstücke —, die als Ergänzung der großen Serien entstanden
und zum Teil auf Boucher (Abb. 241), zum Teil auf von dem Meister beeinflußte
Patronenzeichner zurückgehen; mitunter werden auch Ausschnitte aus den Götter-
liebschaften als selbständige Behänge verwertet (Abb. 240, signiert A. BEAUVAIS,
1748). 1736 legt Beauvais ein gewirktes „Banner11, augenscheinlich eine Prozessions-
fahne, aufs Gezeug; 1741 finden wir gewirkte Paramente — „Un chape ä fond d'or,
le chapron de la chape. Un chasuble, croix de chasuble ä fond d'or pour M. le Pre-
mier11 —; verhältnismäßig selten sind Porträtwiedergaben — „1765. Portrait de MUe
Charron, pour M. Charron11 — usw.

Besnier stirbt 1753; an seine Stelle tritt Andrö-Charlemagne Charron unter den
gleichen Bedingungen. Wie Besnier nimmt er seinen ständigen Wohnsitz in Beauvais,
während Oudry nach wie vor in Paris seinen akademischen Pflichten und der In-
spektion der Gobelins obliegt und nur sporadisch — vertraglich mindestens sechsmal
im Jahre — am Manufakturorte auftaucht. Das "Verhältnis Oudrys und Charrons ge-
staltet sich derart, daß dem Maler, der den Titel eines Direktors der Manufaktur
führt, unabhängig von der vertraglichen Lieferung neuer Kartons und der Leitung der
Zeichenschule, die von Oudry gründlich reorganisiert wurde, die Prüfung der ge-
lieferten Kartons, einerlei, ob sie von Oudry oder einem anderen Künstler stammen,

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