Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0252
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Beauvais

schönes Exemplar aus der Zeit um 1782 verzeichnete die ehemalige Sammlung Lowen-
gard (Abb. 260, versteigert Paris 10. Juni 1910); der Nachlaß Louis Germeau (Paris,
Hotel Drouot, 13./25. II. 1905, Nr. 1372) brachte zwei Cantonnieres (um 1780) mit
Salembier'schen Blumenranken und Grotesken; eine ähnliche Lösung (Blumen und
Arabesken) zeigt ein Stück der Auktion Mme A. (Paris, 3./4 XII. 1903) usw. Ent-
sprechend dem Möbel wechselt die Farbe der „Cantonnieres", Blau kommt am häu-
figsten vor (Abb. 260), wir finden jedoch auch Musterungen in Lila, Mattgrün und
Scharlach, ferner doppelseitig getönte Draperien: z. B. Vorderseite violett, Ilückblatt
grün. Die naturfarbenen Blumenmotive treten in der Spätzeit des 18. Säkulums stark
zurück, Ranken im Stile Salembiers werden „grande mode"; wir begegnen den „des-
sins arabesques ä palmier et ä effet de draperie ecarlate" und den «cantonnieres ä
peau tigre"(!). Zumeist bestehen die gewirkten Fenstervorgardinen nicht aus einem
Stück, sondern aus den beiden seitlichen Cantonnieres und dem Lambrequin. Ver-
einzelte Teile dieser Dekorationen kommen noch heute auf dem französischen Kunst-
markt verhältnismäßig häufig vor (101).

Zum Schlüsse dürften die noch hie und da im Handel auftauchenden Supraporten
zu erwähnen sein, die entweder aus einer großen „tenture" stammen oder von vorn-
herein als Einzelstücke gewirkt sind. Sie schildern fast durchgängig Puttenspiele in
der Art Bouchers — Wein- und Kornernte, Vogelfänger (102), Bad (1768) —, mitunter
auch militärische Episoden nach Casanova oder Pastoralen; die einfachsten Exemplare
beschränken sich auf Blumenzusammenstellungen. Eine besondere Abart sind die
über den großen Spiegeln eingefügten Kleinwirkereien: mythologische, Tier- oder
Kinder-Szenen in Grisaillotechnik. Die Mode kommt verhältnismäßig spät (um 1790)
auf (103).

Die vorliegenden, stark gekürzten Ausführungen erschöpfen naturgemäß nicht ent-
fernt die Eigenart der Möbelwirkereien von Beauvais.

Ein kurzes Wort über die in Beauvais geübte Technik: Hinart und Behagle mit
ihrem Stamm flämischer Wirker waren ausgesprochene Basselissiers. Das tieflitzigc
Verfahren bleibt auch unter ihren Nachfolgern mit gewissen Verbesserungen (Vaucan-
son) die maßgebende Betriebsart; die hochlitzige Technik kommt nur äußerst selten
zur Anwendung. Die letzten Hautelisse-Gezeuge sollen angeblich erst 1827 nach den
Gobelins überführt worden sein (104).

234
 
Annotationen