Aubusson
Einen gewissen Rückschlag bringt das Seuchenjahr 1587. Einer der führenden
Teppichhändler, Jehan Garreau (Gearro), erliegt der Krankheit. Es zeugt für sein
Solidaritätsgefühl, daß er jedem der für ihn tätigen Meister und Wirker von Aubusson
und Felletin testamentarisch eine Spende von 31/3 Talern zusichert. Die Tatsache ist
auch insofern von Interesse, als sie unzweideutig die,Art der Bildteppicherzeugung in
der Marche illustriert. Wie in Oudenaarde liegt der Schwerpunkt des Handels in
den Händen einzelner kapitalkräftiger Unternehmer, die je nach Bedarf die kleineren
Meister und Heimarbeiter der Umgegend für sich wirken lassen. Allerdings erreicht
die Monopolisierung in Aubusson nie eine derartige Ausdehnung wie in dem flämischen
Industriezentrum. Hand in Hand mit der Kapitalisierung der Bildwirkerei geht eine
starke Vernachlässigung der künstlerischen und technischen Pflichten. Während in
Oudenaarde im großen und ganzen die Befolgung der Zunftordnungen beobachtet
wurde ■— abgesehen von der Verwendung minderwertigen Rohmaterials und zweifel-
hafter Farbstoffe —, legt Aubusson wenig Wert darauf, die Ausbildung der Lehr-
linge und Gesellen in geeigneter Weise durchzuführen. Das Züchten von Lehrlingen,
die naturgemäß die billigste Arbeitskraft darstellen, ist gang und gäbe, die Beschränkung
der Lehrlingszahl in den Einzelbetrieben steht nur auf dem Papier. In der Regel
betrug die Lehrzeit drei Jahre, zur Erlangung der Meisterwürde war ein vierjähriger
Gesellenstand vorgeschrieben. Die Einzelheiten, die zu zahlenden Taxen usw. können
unerörtert bleiben, sie geben im wesentlichen das gleiche Bild wie in den Manufak-
turen Flanderns und Brabants. Wann Aubusson mit stärkerem Eifer die Herstellung
von Personenteppichen zu betreiben beginnt, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen;
noch zu Ende des 17. Jahrhunderts bilden die Verdüren die Hauptmasse. Daß die
uns erhaltenen Verträge in der Hauptsache Figurenteppiche behandeln, kann nicht
weiter Wunder nehmen. Es handelte sich in diesen Fällen um die Ausnahme, nicht
um die Regel. Der größte Teil der Grünteppiche, „menu vert", zeigte den mit
Blumen oder Zweigen übersäten blauen, roten oder braungelben Grund, von dem
sich nicht selten das Wappenschild des Besitzers abhob (Abb. 265). Neben der
billigen Sorte, den „tapis de feuillage ä fil simple", wie sie z. B. Antoine Nermot
(1598) vertrieb, finden wir in den Ateliers der Marche auch feinere Qualitäten, u. a.
die außerordentlich interessanten großblättrigen Verdüren, die in ihrem Charakter
nicht unerheblich von den gleichnamigen Erzeugnissen der flämischen und hollän-
dischen Manufakturen abweichen. Das Inventar der Kathedrale zu Bourges (1537)
nennt „sept pieces de tapisserie de verdure ä grands feuillages", allerdings ohne Ma-
nufakturangabe (10); die Mobilienaufstellung des Schlosses Turenne im Limousin ver-
zeichnet unter dem f. VII. 1615 zehn bereits stark abgenutzte Wandteppiche „faictes
en facon de fontaine et de grands feuilhages et de bestes sauvages". Ein weiterer
Absatz beschreibt die zugehörige Bettgarnitur „tout ä grandz feuillages vers de roses
et raisins faietz en facon de fontaine avec des bestes sauvages et de grands franges
de laine verte, rouge et jaulne". Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wandelt sich die
bisher übliche großblättrige Verdüre — mit Blumen und Sinnsprüchen verbrämtes,
stark aufgerolltes Blattwerk — in die „feuillage renversö d'Auvergne", die sich mehr
dem flämisch-holländischen Typ anpaßt. So hängen 1615 in dem Schlosse von Saumur
(11) eine ganze Anzahl „tapisseries de la Marche avec grands feuillages et bestes
sauvages". Gabriel Constantin, Sieur de Varennes et de la Lorie (f 22. I. 1683), be-
sitzt in seinem Stadthause zu Angers „une tapisserie de feuillage renversö d'Auvergne"
(12) usw.
Die älteste Pcrsonenfolge, die sich urkundlich mit der Manufaktur Aubusson in Ver-
bindung bringen läßt, ist das „Leben des St. Martial'1, das die Gebrüder Augereaux
im Auftrage des Klosters Saint-Martial zn Limoges auf die Gezeuge legten. Abgesehen
von kurzen Angaben über die Motive der herzustellenden Folgen, finden wir im
Laufe des 16. Jahrhunderts nur wenige urkundliche Belege, die sich eingehender über
die Art der Durchführung einer umfangreicheren Personenserie äußern. Umso interes-
santer sind die vertraglichen Unterlagen, die die Lieferung der Reihen der Esther
245
Einen gewissen Rückschlag bringt das Seuchenjahr 1587. Einer der führenden
Teppichhändler, Jehan Garreau (Gearro), erliegt der Krankheit. Es zeugt für sein
Solidaritätsgefühl, daß er jedem der für ihn tätigen Meister und Wirker von Aubusson
und Felletin testamentarisch eine Spende von 31/3 Talern zusichert. Die Tatsache ist
auch insofern von Interesse, als sie unzweideutig die,Art der Bildteppicherzeugung in
der Marche illustriert. Wie in Oudenaarde liegt der Schwerpunkt des Handels in
den Händen einzelner kapitalkräftiger Unternehmer, die je nach Bedarf die kleineren
Meister und Heimarbeiter der Umgegend für sich wirken lassen. Allerdings erreicht
die Monopolisierung in Aubusson nie eine derartige Ausdehnung wie in dem flämischen
Industriezentrum. Hand in Hand mit der Kapitalisierung der Bildwirkerei geht eine
starke Vernachlässigung der künstlerischen und technischen Pflichten. Während in
Oudenaarde im großen und ganzen die Befolgung der Zunftordnungen beobachtet
wurde ■— abgesehen von der Verwendung minderwertigen Rohmaterials und zweifel-
hafter Farbstoffe —, legt Aubusson wenig Wert darauf, die Ausbildung der Lehr-
linge und Gesellen in geeigneter Weise durchzuführen. Das Züchten von Lehrlingen,
die naturgemäß die billigste Arbeitskraft darstellen, ist gang und gäbe, die Beschränkung
der Lehrlingszahl in den Einzelbetrieben steht nur auf dem Papier. In der Regel
betrug die Lehrzeit drei Jahre, zur Erlangung der Meisterwürde war ein vierjähriger
Gesellenstand vorgeschrieben. Die Einzelheiten, die zu zahlenden Taxen usw. können
unerörtert bleiben, sie geben im wesentlichen das gleiche Bild wie in den Manufak-
turen Flanderns und Brabants. Wann Aubusson mit stärkerem Eifer die Herstellung
von Personenteppichen zu betreiben beginnt, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen;
noch zu Ende des 17. Jahrhunderts bilden die Verdüren die Hauptmasse. Daß die
uns erhaltenen Verträge in der Hauptsache Figurenteppiche behandeln, kann nicht
weiter Wunder nehmen. Es handelte sich in diesen Fällen um die Ausnahme, nicht
um die Regel. Der größte Teil der Grünteppiche, „menu vert", zeigte den mit
Blumen oder Zweigen übersäten blauen, roten oder braungelben Grund, von dem
sich nicht selten das Wappenschild des Besitzers abhob (Abb. 265). Neben der
billigen Sorte, den „tapis de feuillage ä fil simple", wie sie z. B. Antoine Nermot
(1598) vertrieb, finden wir in den Ateliers der Marche auch feinere Qualitäten, u. a.
die außerordentlich interessanten großblättrigen Verdüren, die in ihrem Charakter
nicht unerheblich von den gleichnamigen Erzeugnissen der flämischen und hollän-
dischen Manufakturen abweichen. Das Inventar der Kathedrale zu Bourges (1537)
nennt „sept pieces de tapisserie de verdure ä grands feuillages", allerdings ohne Ma-
nufakturangabe (10); die Mobilienaufstellung des Schlosses Turenne im Limousin ver-
zeichnet unter dem f. VII. 1615 zehn bereits stark abgenutzte Wandteppiche „faictes
en facon de fontaine et de grands feuilhages et de bestes sauvages". Ein weiterer
Absatz beschreibt die zugehörige Bettgarnitur „tout ä grandz feuillages vers de roses
et raisins faietz en facon de fontaine avec des bestes sauvages et de grands franges
de laine verte, rouge et jaulne". Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wandelt sich die
bisher übliche großblättrige Verdüre — mit Blumen und Sinnsprüchen verbrämtes,
stark aufgerolltes Blattwerk — in die „feuillage renversö d'Auvergne", die sich mehr
dem flämisch-holländischen Typ anpaßt. So hängen 1615 in dem Schlosse von Saumur
(11) eine ganze Anzahl „tapisseries de la Marche avec grands feuillages et bestes
sauvages". Gabriel Constantin, Sieur de Varennes et de la Lorie (f 22. I. 1683), be-
sitzt in seinem Stadthause zu Angers „une tapisserie de feuillage renversö d'Auvergne"
(12) usw.
Die älteste Pcrsonenfolge, die sich urkundlich mit der Manufaktur Aubusson in Ver-
bindung bringen läßt, ist das „Leben des St. Martial'1, das die Gebrüder Augereaux
im Auftrage des Klosters Saint-Martial zn Limoges auf die Gezeuge legten. Abgesehen
von kurzen Angaben über die Motive der herzustellenden Folgen, finden wir im
Laufe des 16. Jahrhunderts nur wenige urkundliche Belege, die sich eingehender über
die Art der Durchführung einer umfangreicheren Personenserie äußern. Umso interes-
santer sind die vertraglichen Unterlagen, die die Lieferung der Reihen der Esther
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