A u b u s s o n
Aubusson.
Zunächst schwebt die Frühzeit der Ateliers der Marche noch völlig im Dunkel.
Einen kärglichen Hinweis bringt FeJix Lecler in seinem «Album historique et pitto-
resque de la Creuse", demzufolge Eleonore von Bourbon, die Gattin Bernards von
Armagnac, im Jahre 1461 Wirker aus dem Hennegau in der heimischen Mark an-
siedelte. Ob diese Maßnahme von einschneidendem Einfluß war, ist zum mindesten
zweifelhaft. Jedenfalls sind die Manufakturen in der zweiten Hälfte des IS. Jahrhun-
derts in vollem Betrieb; die Ateliers zu Felletin und Riom sind durch Meisternamen
urkundlich gesichert. Tatsache ist ferner, daß bereits im 13. und 14 Jahrhundert ein
ständiges Einfluten niederländischer Wirker nach Frankreich und Italien zu verzeich-
nen ist. Mit starker Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß diese im Großbetrieb
erfahrenen Meister und Gesellen dem in den Gebirgstälern altbäuerlich eingesessenen
Kunstgewerbezweig neues Leben einflößten, ihm, wenn auch nur vorübergehend, zu
einer gewissen Blüte verhalfen. Mit besonderer "Vorsicht sind jedoch die allzu leicht-
fertig für die Ateliers der Marche ins Treffen geführten frühen Inventare (1) zu be-
handeln, die mitunter Wirkereifolgen „ä le (la) marche" (2) erwähnen. Es handelt
sich hierbei nur in den seltensten Fällen um die französische Landschaft; ä le marche
ist lediglich der terminus technicus für die Arbeit am tieflitzigen Stuhl, die Basselisse-
wirkerei (3). Die eigenartige Tatsache, daß im 14. und 15. Jahrhundert sich in den
Vermögensverzeichnissen der Großen Frankreichs nirgends ein einwandfreier Hinweis
auf die Ateliers der Marche findet, hat ihre einfache Erklärung darin, daß die Erzeug-
nisse dieser Werkstätten so ausgesprochen grob bäuerlicher Art waren, daß sie ledig-
lich von dem Kleinadel und dem Bürgertum als Gebrauchsteppiche geduldet wurden.
Die wenigen uns erhaltenen authentischen Arbeiten des 16. Säkulums rücken das Qua-
litätsgefühl der Wirker der Marche nicht gerade in ein helleres Licht (4). Es er-
scheint mir müßig, nachzuspüren, ob Aubusson oder Felletin das größere Alter zuzu-
sprechen ist; aller Wahrscheinlichkeit nach arbeiteten beide Manufakturen neben-
einander „de temps immemoriaP, um mit den Aubussoner Statuten vom Jahre 1665
zu sprechen. Wie wenig wichtig die Werkstätten der Marche gegenüber den Ateliers
von Nordfrankreich dem Gesetzgeber erscheinen mochten, zeigt zur Genüge, daß
erst 1581 ein königlicher Zollerlaß (5) Felletin und den Wirkereien der Auvergne
Beachtung schenkt. Die Erzeugnisse figurieren an letzter Stelle mit dem niedrigsten
Satze, d. h. es handelt sich um billigste Ware (6). Nur spärlich fließen zunächst die
urkundlichen Belege, soweit Aubusson in Frage kommt. Um 1500 arbeitet ein Meister
Jacques Garreau. 1501 siedeln die Gebrüder Andr6 und Jehan Augereaux nach Li-
moges über, um die Leidensgeschichte St. Martials in die Bildwirkerei zu übertragen.
1515 ist Jehan Garreau in Aubusson tätig, im gleichen Jahre werden Jehan Duprat
und Grand Jehan Pineton — sein Sohn Antoine Pineton erscheint 1530 — genannt.
1528 ist der etwa 15jährige Jehan Furgault Lehrling «du mestier de tapissier en la
boutique de Jehan Furgault son pere, demourant en la ville d'Aubusson" (7). Im
gleichen Jahre finden wir Jehan de Maillire und seinen Sohn Pierre (8), sowie die
Lehrlinge Denys Robichon und Thevenot. 1541 sind Jehan Petit Marthelade, 1548
Francois Galland und Simon Grellet urkundlich bezeugt; 1565 arbeitet der Ahnherr
der berühmten Wirkerfamilie der Mercier, ein Meister Anthoine; 1555' bis 1574
betreibt Anthoine Terrible in Aubusson eine Werkstatt. Der erstarkende Wohlstand
des Landes, das gesteigerte Luxusbedürfnis und der soziale Aufschwung des Bürger-
tums bleiben im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts nicht ohne fördernden Einfluß
auf die Manufakturen von Aubusson. Die Meisternamen häufen sich in überquellen-
der Fülle (9).
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Aubusson.
Zunächst schwebt die Frühzeit der Ateliers der Marche noch völlig im Dunkel.
Einen kärglichen Hinweis bringt FeJix Lecler in seinem «Album historique et pitto-
resque de la Creuse", demzufolge Eleonore von Bourbon, die Gattin Bernards von
Armagnac, im Jahre 1461 Wirker aus dem Hennegau in der heimischen Mark an-
siedelte. Ob diese Maßnahme von einschneidendem Einfluß war, ist zum mindesten
zweifelhaft. Jedenfalls sind die Manufakturen in der zweiten Hälfte des IS. Jahrhun-
derts in vollem Betrieb; die Ateliers zu Felletin und Riom sind durch Meisternamen
urkundlich gesichert. Tatsache ist ferner, daß bereits im 13. und 14 Jahrhundert ein
ständiges Einfluten niederländischer Wirker nach Frankreich und Italien zu verzeich-
nen ist. Mit starker Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß diese im Großbetrieb
erfahrenen Meister und Gesellen dem in den Gebirgstälern altbäuerlich eingesessenen
Kunstgewerbezweig neues Leben einflößten, ihm, wenn auch nur vorübergehend, zu
einer gewissen Blüte verhalfen. Mit besonderer "Vorsicht sind jedoch die allzu leicht-
fertig für die Ateliers der Marche ins Treffen geführten frühen Inventare (1) zu be-
handeln, die mitunter Wirkereifolgen „ä le (la) marche" (2) erwähnen. Es handelt
sich hierbei nur in den seltensten Fällen um die französische Landschaft; ä le marche
ist lediglich der terminus technicus für die Arbeit am tieflitzigen Stuhl, die Basselisse-
wirkerei (3). Die eigenartige Tatsache, daß im 14. und 15. Jahrhundert sich in den
Vermögensverzeichnissen der Großen Frankreichs nirgends ein einwandfreier Hinweis
auf die Ateliers der Marche findet, hat ihre einfache Erklärung darin, daß die Erzeug-
nisse dieser Werkstätten so ausgesprochen grob bäuerlicher Art waren, daß sie ledig-
lich von dem Kleinadel und dem Bürgertum als Gebrauchsteppiche geduldet wurden.
Die wenigen uns erhaltenen authentischen Arbeiten des 16. Säkulums rücken das Qua-
litätsgefühl der Wirker der Marche nicht gerade in ein helleres Licht (4). Es er-
scheint mir müßig, nachzuspüren, ob Aubusson oder Felletin das größere Alter zuzu-
sprechen ist; aller Wahrscheinlichkeit nach arbeiteten beide Manufakturen neben-
einander „de temps immemoriaP, um mit den Aubussoner Statuten vom Jahre 1665
zu sprechen. Wie wenig wichtig die Werkstätten der Marche gegenüber den Ateliers
von Nordfrankreich dem Gesetzgeber erscheinen mochten, zeigt zur Genüge, daß
erst 1581 ein königlicher Zollerlaß (5) Felletin und den Wirkereien der Auvergne
Beachtung schenkt. Die Erzeugnisse figurieren an letzter Stelle mit dem niedrigsten
Satze, d. h. es handelt sich um billigste Ware (6). Nur spärlich fließen zunächst die
urkundlichen Belege, soweit Aubusson in Frage kommt. Um 1500 arbeitet ein Meister
Jacques Garreau. 1501 siedeln die Gebrüder Andr6 und Jehan Augereaux nach Li-
moges über, um die Leidensgeschichte St. Martials in die Bildwirkerei zu übertragen.
1515 ist Jehan Garreau in Aubusson tätig, im gleichen Jahre werden Jehan Duprat
und Grand Jehan Pineton — sein Sohn Antoine Pineton erscheint 1530 — genannt.
1528 ist der etwa 15jährige Jehan Furgault Lehrling «du mestier de tapissier en la
boutique de Jehan Furgault son pere, demourant en la ville d'Aubusson" (7). Im
gleichen Jahre finden wir Jehan de Maillire und seinen Sohn Pierre (8), sowie die
Lehrlinge Denys Robichon und Thevenot. 1541 sind Jehan Petit Marthelade, 1548
Francois Galland und Simon Grellet urkundlich bezeugt; 1565 arbeitet der Ahnherr
der berühmten Wirkerfamilie der Mercier, ein Meister Anthoine; 1555' bis 1574
betreibt Anthoine Terrible in Aubusson eine Werkstatt. Der erstarkende Wohlstand
des Landes, das gesteigerte Luxusbedürfnis und der soziale Aufschwung des Bürger-
tums bleiben im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts nicht ohne fördernden Einfluß
auf die Manufakturen von Aubusson. Die Meisternamen häufen sich in überquellen-
der Fülle (9).
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