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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0277
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Bellegarde. R i o in. Perigueux

gang der Manufaktur — wahrscheinlich spielt auch der Konkurrenzneid der Nachbar-
orte eine gewichtige Rolle — führt 1732 (28. Mai) zur Schließung der Ateliers von Belle-
garde. Mir sind mehrfach sehr grobe Verdüren, „menu vert", im Kunsthandel zu Gesicht
gekommen, die aller Wahrscheinlichkeit nach französischen Ateliers entstammen. Belle-
garder Figurenfolgen habe ich nicht ausfindig machen können. Ich muß mich auf die
einzige Angabe stützen, die Perathon bringt (2). Der Pariser Kunsthandel verzeichnete
hiernach in den neunziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts eine mit acht Behängen
vollständige Serie der Geschichte der Judith und des Holofernes. Die Textur war sehr
grob, die Durchführung mangelhaft. Die Signatur M. R. D. BG. ... CIX (Manufacture
Royale de Bellegarde . .. 1719) läßt über den Entstehungsort keinen Zweifel. Das Ver-
bot der Ateliers von Bellegarde, überhaupt aller bäuerlichen Betriebe, „hors de la villc et
fauxbourg d'Aubusson, et ä quinze lieues ä la ronde, ä l'exception du bourg de la Cour
et de la ville de Feuilletin", macht den kleinen ländlichen und städtischen Werkstätten,
nicht zum Schaden der Bildwirkerei, gründlich den Garaus. Es lohnt nicht der Mühe,
die einzelnen kleinen Wirkerorte näher aufzuführen. Von gewissem Interesse sind viel-
leicht die frühen Betriebe in Rodez — ein flämischer Meister ist 1461 mit Bettwirkereien
für den Bischof ßertrand beschäftigt — und in der östlich von Aubusson an der Am-
bene gelegenen Stadt Riom (Dep. Puy-de-Döme). Antoine Thomas (3) bringt einen Aus-
zug aus dem Archiv von Riom: „H. aoüt 1473. Acception de Jean Beraigne (Beranhe),
tapissier de Felletin, comme habitant de Riom avec exemption d'impöts". Die Steuer-
freiheit Beraigne's <,qui estoit tres bon ouvrier de tapisserie" zeigt zur Genüge, daß es
sich um einen Versuch der Stadtväter handelt, in Riom die Bildwirkerei einzuführen;
besonderer Wert wird auf die Ausbildung der Lehrlinge gelegt. Eine gewisse Fähig-
keit des Meisters soll nicht angezweifelt werden, zumal im 15. und in der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts Felletin augenscheinlich Aubusson in der Technik überlegen war.
Da zudem eine, wenn auch kleine Malerschule in Riom ihr Leben fristete, dürfte eine
kurze Blüte des neuerrichteten Ateliers nicht ausgeschlossen sein.

Perigueux, der Hauptort des Perigord (Dordogne), gehört von altersher zum Absatz-
gebiet der Manufakturen von Aubusson und Felletin. Es ist nicht weiter verwunderlich,
daß vereinzelte Meister, die in besonders enger Fühlung mit dem städtischen Patriziat, dem
Klerus und Landadel standen, vorübergehend oder dauernd, ihre Betriebe nach Perigueux
verlegten, um die ebenso teuren wie gefährliclienReisen auf ein Mindestmaß zu beschränken.
Eine sonderliche Bedeutung haben diese Filialstellen nie erlangt. Es handelt sich im
wesentlichen um Joseph Mouny, der am 13. Juli 1674 in der neuen Heimat die letzte
Ruhestätte findet; Antoine Maignat arbeitet in den neunziger Jahren als Rentrayeur, er
klappert von seinem Standort Perigueux die ganze Umgebung ab, während seine Aubus-
soner Manufaktur ihm den nötigen Vorrat an Rohmaterial und Arbeitskräften bedarfs-
gemäß liefert. Die Aufhebung des Ediktes von Nantes (1685) bereitet der kleinen
Wirkerkolonie das Ende. Verschiedene Tapissiers finden wir in Brandenburg wieder;
Pierre Bontant du Perigord arbeitet 1699 in Magdeburg (4).

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