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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0276
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Bellegarde

Bellegarde. Riom. Perigueux.

Die dritte Wirkerstadt neben Aubusson und Felletin, deren Erzeugnisse unter dein
Sammelnamen „tapisseries d'Auvergne" figurieren, ist Bellegarde, der Hauptort des Landes
Franc-Alleu, in einer Entfernung von 10 Kilometern von Aubusson gelegen. Bellegarde
genießt den zweifelhaften Ruf, von den drei Wirkerstädten der Marche die minder-
wertigsten Erzeugnisse geliefert zu haben. Nur wenige Meister besitzen Werkstätten
von nennenswerter Bedeutung; die Mehrzahl lebt von Aufträgen aus dem benachbarten
Aubusson. Schriftlich niedergelegte Satzungen besaß die Zunft von Bellegarde augen-
scheinlich nicht. Ob überhaupt eine geregelte zünftige Aufsicht vorhanden war, ist
mehr als fraglich. Die früheste Erwähnung eines Wirkers (Jehan Vergniaud) fällt in
das Jahr 1550. Zweifelsohne waren die Kleinbetriebe der Stadt schon ein Jahrhundert
zuvor und länger im Gange. Zu Ende des 16. Säkulums scheint ein vorübergehender
Aufschwung eingetreten zu sein. Wir finden Blaise und Simon Vergniaud, die Söhne
des bereits erwähnten Meisters Jehan (um 1580), Francois de Peyroudette (1572), Mathieu
de la Chaise (1579, 1583), Annet Briffouliere (1578), Jacques Briffouliere (1588), Brunet,
sieur du Mont (1588), Anet Paret (1584), Andrieu Sementery (1583, 1585), Anthoine
Sementöry (1588) — die Familie ist im 17. Säkulum durch Jean Semente>y (1642) ver-
treten—, Michel Yillatte (1588) und Etienne Chaise (um 1600).

1665 führt Bellegarde, trotzdem der Colbert'sche Erlaß den Ort nicht erwähnt, den
stolzen Titel einer „Manufacture royale de Bellegarde". Ob die gelbe Wirkerkante
für die Ateliers der Stadt charakteristisch ist, wie mehrfach die französische Fachliteratur
annimmt, erscheint außerordentlich zweifelhaft, schon aus dem einfachen Grunde, weil
signierte Behänge von Aubusson und Felletin vielfach wahllos die gelbe, braune, braun-
schwarze und schwarze Lisiere führen. Die urkundlichen Unterlagen betreffs der in Belle-
garde gefertigten Behänge — es kommen im allgemeinen nur gewöhnliche Yerdüren, in Aus-
nahmefällen auch Personenfolgen in Frage — sind recht mager. Man scheint noch ver-
hältnismäßig lange an dem ältesten Verdürentyp („menu vert"), der Blumen und Ge-
zweig auf einfarbigen Grund streut, festgehalten zu haben, wenigstens ist ein Vermerk
des Intendanten von Moulins, Florent d'Argouges, kaum anders zu deuten: „... On y
fait quelques tapisseries de menu vert, qu' on apelle menu vert de Bellegarde'1. Wahr-
scheinlich handelt es sich bei den fünfzehn, 1601 in Bellegarde für den normannischen
Edelmann de Flee gefertigten Verdüren, die die Gebrüder Marthelade, Wirkerei-Händler
zu Aubusson, für den Preis von 550 liv. tourn. absetzen, um die gleiche Gattung. Besser
als längere Ausführungen illustriert ein notarieller Vertrag (20. Dezember 1634), den
Albert Castel bereits in seinen „Tapisseries, Paris 1876" bringt, die Eigenart, wenn der
Ausdruck überhaupt berechtigt ist, der Erzeugnisse von Bellegarde. Als Vertragschließende
treten auf „Jean du Pont, le Jeune, fils de feu Andrö, tapicier r&idant en ceste ville
de Bellegarde en Franc-Alleu, pays d'Auvergne" und der Auftraggeber Annet Railly,
ein Bellegarder Händler. Es handelt sich um 40 Quadratellen Verdüren „bonne mar-
chandise" (I?), der Einheitspreis beträgt 40sous, die Lieferfrist einen Monat 10 Tage
(bis zum 1. II. 1635); als Vorschuß werden 37 Livres gewährt, Jean du Pont ist An-
alphabet, „il ne scait pas signer". Preis und Frist erklären sich lediglich aus der Ver-
wendung des grobfädigsten, minderwertigsten Materials, aus einer mehr als primitiven
Zeichnung. 1665 begegnet uns wiederum die «menue verdure de Bellegarde", es handelt
sich diesmal um zwei Behänge, die der Aubussoner Wirker Etienne Matheyron, als
Zwischenhändler, an seinen in Angers ansässigen Fachgenossen Antoine Teillet verkauft,
Eine vorübergehende Besserung tritt in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein.
Der Herzog Francois von Aubusson und de la Feuillade (f 18. IX. 1691), der in Aubusson
einen vorbildlichen Betrieb unterhält, errichtet in Bellegarde eine kleine Filiale. Die
Werkstatt scheint nach kurzer Zeit wieder erloschen zu sein (1). Der ständige Nieder-

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