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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0279
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Tours. Touraine. Grenze/ ebiete

Ehrenteppiche, der „quarreaulx". Noch höher im Preise stellt sich „une chambre de
verdure ä oyseaulx fort riche" — der bekannte Typ der durch eine farbenprächtige
Vogelwelt belebten Gartenteppiche — „montant comprises les goutieres IIP VIII
aulnes ä XXXS laulne, vallent 1111° LI1 Xs t". Die übrigen Posten der Rechnung
Bodineaus,' die sich mit mehr oder minder reichen Stoffen — „taffetas vert ou rouge,
toille brun" usw. — befassen, sind für uns ohne weiteres Interesse. Als Lieferanten
treten weiterhin in Erscheinung Andrö Denisot „marchant, demourant a Tours", der
Sohn des Jean Denizot, der bereits 1454 als Wirker in Tours ansässig war — er
beschafft eine „chambre de verdure" und geknüpfte Teppiche —, Guillaume Mesnager,
„marchant ä Tours", Jehan Beugnon, „marchant suyvant la cour", Francoys Drouin,
„marchant demourant ä Tours", Jehan Fuzelier, „marchant suyvant la cour", Philippe
de Moulins, „prestre du pays de Flandres" — er verkauft sieben Bahnen „de tappi-
serie blanche ä leuvre de damas", d. h. orientalische Seidenstoffe —, der Sticker Jehan
Hulot aus Tours, Colas Fagot, der beamtete Wirkereiaufseher des Dauphins, Jehan
Galocheau, „marchant demourant ä Tours", Jehan Le Fe vre, dem der königliche
Textilienschatz untersteht, Jacques Terris, ein beamteter Wirker, sowie schließlich
Lancelot Patel, „varlet de chambre et tapissier ordinaire du Roy". Die Aufzählung
stellt ein seltsam buntes Gemisch dar. Wo sind die Inhaber der großen Ateliers
von Tours?

Von der Tourainer Gruppe des Schlosses Amboise kommt in erster Linie Guil-
laume Mesnager in Betracht. Er bezieht 770 livres tournois für ein vollständiges
Wirkereizimmer mit Darstellungen aus der Geschichte des Moses „contenant huit
grans pieces et troys rabaz pour les pentes du ciel, contenans quatre cens quarante
aulnes mesure de Flandres, au feur de XXXVS t. fpour aulne". Eine zweite Folge
schildert Leben und Treiben der Holzhauer — der Vorwurf ist typisch für die Tour-
naiser Ateliers — in sieben Behängen (mit 7X30—210 flämischen Quadratellen
Inhalt) zu dem verhältnismäßig recht niedrigen Einheitspreise von 12 solz 6 deniers
(insgesamt 131 1. 5 s.). Der Ansatz will nicht recht zu den Vergütungen stimmen,
die für die in den Motiven entsprechenden Tournaiser Folgen gezahlt werden. Die
zeitlich spätere Holzhauerserie, die Jehan Grenierl50o veräußert, stellt sich auf 30 Livres
für die Quadratelle (3); die „verdure ä petits enfants", aus der Nachlaßmasse des Philipp
le Scellier (1483), erzielt 23 livres 6 sols 2 deniers (4). Die Holzhauerserie Mesnager's
dürfte hiernach eine ziemlich grobe Arbeit gewesen sein, die verhältnismäßig wenige
Figuren enthielt und den Nachdruck auf den schnell und wohlfeil herzustellenden
Verdürengrund legte. Wiederum erscheint in der Lieferungsaufstellung des Händ-
lers von Tours die „menue verdure": „Pour une autre chambre, menue verdure,
en laquelle y a unze pieces, contenans en tout troy cens quarante sept aulnes
flandres, au feur de douze solz six deniers l'aune" — der gleiche Ansatz wie bei
der Holzhauerreihe— „. . . ., pour cinq autres pieces menue verdure par bandes,
contenant quatre vingts huit aulnes et demye Flandres, achaptees de luy par le dit
seigneur au pris de huit sols dix deniers tournoys, . . ." Wenn hinsichtlich des
Begriffes der „menue verdure" noch ein Zweifel bestände, der Text des letzten
Passus müßte ihn zerstreuen. Es handelt sich um die in den französischen Adels-
schlössern des IS. Jahrhunderts häufig vorkommende „tenture limogdie", um eine
Wandbekleidung, die sich in verschieden getönte, in einem Stücke gewirkte Streifen
gliedert; auf den farbigen Grund legt sich hingestreutes Gezweig. Es erübrigt sich,
den Typ, der zweifellos von Tournai ausging, der in den Folgen des Rosenromans
seine glänzendsten Vertreter fand, an dieser Stelle eingehender zu erörtern (5). Die
Gründe in ihrer Mehrzahl sprechen dafür, in den von Mesnager gelieferten Reihen,
insbesondere in den „menue verdures", Erzeugnisse von Tours zu erblicken.'

Jehan Beugnon kommt nur als Lieferant geknüpfter Teppiche in Frage, das gleiche
gilt von Francois Drouin und Jehan Fuzelier, der vielleicht mit der ein Jahrhundert
zuvor in Arras tätigen Wirkerfamilie Le Fuzelier in Verbindung zu bringen ist (6).
Jehan Galocheau scheint lediglich Seidenhändler gewesen zu sein. Sein Lieferungsschein

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