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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0343
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Reims. Charleville

licorne" (5) bringt keine sonderliche Förderung. Abgesehen davon, daß wir nicht
wissen, ob Colin Colin Sticker oder Wirker war — es handelt sich um ältere Teppiche,
denen, wie so häufig, das Wappen des neuen Besitzers als Eigentumstitel aufgestickt oder
eingewirkt wurde —, kennen wir nicht den Ort seiner Tätigkeit. Aller Wahrschein-
lichkeit nach handelte es sich um den Tapisserieverwalter der Kathedrale, der, nach
dem Betrag von 33 Sous zu urteilen, Sticker gewesen sein dürfte.

Es erscheint mir ferner nicht angängig, die außerordentlich interessanten 23 „toiles
peintes" im Museum zu Reims mit einer frühen Reimser Manufaktur in Verbindung
zu bringen. Die gemalten Tücher dienten als Dekoration der „eschaffauts", die bei den
Mysterien, Mimodramen und fürstlichen Einzügen eine bedeutsame Rolle spielten.
Die Herstellung der „toiles peintes" war ein selbständiger Kunstzweig, der namentlich
in Brügge geübt wurde; stellenweise dienten allerdings auch ausrangierte Hautelisse-
patronen der benachbarten Großmanufakturen Arras, Tournai, Brüssel oder Paris diesem
Zwecke. Wir finden zudem die Ausstattung der Mysterienbühnen durch „toiles pein-
tes" für zahlreiche Städte, die nie für eine Bildteppichmanufaktur in Frage kommen,
bezeugt. Nicht eine Folge aus dem reichen Textilienschatze der Kathedrale zu Reims
läßt sich mit einem ortsangesessenen Atelier mit Sicherheit in Verbindung bringen.

Gegen die Hypothese Loriquets, der im 16. Säkulum einen starken Reimser Wir-
kereibetrieb konstruiert, spricht unzweideutig die Tatsache, daß die große Symphorien-
reihe des Kanonikus Simon de Roucy (1835) keinem einheimischen Atelier, sondern
dem Tournaiser Meister Jehan du Moulin zur Durchführung überwiesen wird; selbst
Reparaturarbeiten, wie die Instandsetzung der Chlodwigserie, werden von Pariser
Wirkern erledigt. Nicht anders liegen die Verhältnisse im 17. Jahrhundert vor An-
kunft Pepersacks. Die „Hauselissiers" (6) aus Amiens, die Loriquet als Kronzeugen
anführt, sind keine Wirker, sondern Weber. Die Tatsache, daß sie bei dem Reimser
Sargenmacher Jean Mary als Gehilfen eintreten, dürfte genügen, die Art ihrer Technik
zu charakterisieren. Die Zunft der „Reimser Tapissiers" hat gleichfalls nichts mit einer
Wirkergilde zu tun; die Lettres patentes vom März 1627 beweisen unzweideutig (7),
daß es sich um Tapeziere, d. h. um Möbelarbeiter im heutigen Sprachgebrauche handelt,
wenn sie sich auch irreführend „marchands tapissiers de cette ville de Reims" nennen.
Es wäre zudem mehr als sinnlos, Brüsseler (8), Aubussoner und Pariser Wirker (9)
dauernd in Tätigkeit zu setzen, wenn leistungsfähige heimische Manufakturen vor-
handen gewesen wären. Der Versuch (1625) des Aubussoner Meisters Francois Lom-
bard, in Reims eine Werkstatt in Gang zu bringen, bleibt ohne nennenswerten Erfolg.

Daniel Pepersack, ein Flame — die Verbindung mit der Toulouser Familie Perpessac
erscheint mir allzu gewaltsam herbeigezogen — steht in Charleville im Dienste des
Prätendenten von Mantua — Karl Gonzaga, Herzog von Nevers und Rethel —; seine Frau
Elisabeth van Cuessem stammt aus den spanischen (österreichischen) Erblanden. Am 6. März
1629 schließen die Vertreter des Reimser Kapitels zu St. Peter mit dem Wirker einen Lie-
ferungsvertrag. Als Grundlage für die Güte der Arbeit dienen zwei Behänge mit Epi-
soden aus dem Leben des St. Jacobus — ein Teppich ist noch vorhanden —, 1618
von der Verwaltung der St. Jakobkirche von einer unbekannten Manufaktur (ob Pe-
persack?) erworben. Der Meister erhält zunächst den Auftrag auf Ausführung der
beiden ersten Behänge einer Petrusfolge „suivant les dessins, qui s'en font par le nomme
Murgallet, maitre peintre, demeurant ä Troyes". Als Einheitspreis werden 30 Livres
für die Pariser Ouadratelle vereinbart, Pepersack empfängt den üblichen Vorschuß
(300 Liv.) zur Beschaffung von Materialien usw. Das Kapitel von St. Peter scheint
sich schon des längeren mit dem Gedanken an die Beschaffung der Folge getragen zu
haben, bereits am 19. April 1627 stehen die Kirchenvertreter mit Pierre Murgallet be-
treffs Lieferung von sieben Patronen in Verbindung; die Gesamtvergütung beläuft sich
auf 400 Livres. Von der später leider allzu ausgiebig geübten Ölfarbentechnik der
Kartons ist noch keine Rede, die Durchführung erfolgt in Wasserfarben; besonderer
Wert wird auf eine reiche Bordüre gelegt. Die Pepersack 1629 übergebenen Kar-
tons — die Übertragung in Wolle und Seide hat innerhalb eines halben Jahres

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