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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0344
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Reims. Charleville

zu erfolgen — schildern: die Berufung des Apostels Petrus, der Heiland am See
Genezareth. Die Teppiche sind noch nicht fertiggestellt, als Pepersack im Oktober 1629
drei weitere Kartons — der weinende Petrus, der Herr wandelt auf den Wassern,
Schlüsselübergabe — zur Erledigung übermittelt werden. Dezember 1629 findet die
Ablieferung der mehrfach angemahnten beiden ersten Behänge statt. Zahlreiche Be-
anstandungen werden gezogen, die Streitigkeiten, die für unser Thema ohne sonder-
liches Interesse sind, ziehen sich rund drei Jahre hin. Den Kirchenältesten zu St. Peter
scheint die Lust oder das Geld ausgegangen zu sein; die so umfangreich gedachte
Serie kommt nicht über vier Teppiche hinaus. Die Schlußabrechnung datiert vom
9. Oktober 1633. Die Folge wurde in der großen Bevolution — soweit noch erhalten
— dem Volksrichter des Tribunals als wärmender Fußbelag überwiesen.

Pepersack, noch vollauf mit der Fertigstellung der Petrusreihe beschäftigt, übernimmt
am 30. März 1630 einen neuen Auftrag (10). Francois de Castille, seigneur de Ville-
mareuil, Intendant von „Monsieur" — der Titel eignet dem Bruder des Königs —, be-
stellt das „Leben des heiligen Augustinus" für das St. Stephanuskloster; die Kartons
stehen zur Übertragung bereit. Die Bordüre arbeitet mit dem üblichen Apparat an
Frücliten, Kartuschen und Camaieu-Medaillons, der Quadratellenpreis beläuft sich auf
33 Livres. Die Serie wandert in der Bevolutionszeit gleichfalls in das Kriminalgericht,
das augenscheinlich eine besondere Übung im Verschleiß religiöser Folgen besessen zu
haben scheint.

Der größte Auftrag, der Pepersacks Übersiedelung nach Beims zur Folge hat, wird
dem Meister im Vertrage vom 29. November 1633 durch den kunstsinnigen Erzbischof
Henri de Lorraine zuteil. Es handelt sich um 12 große und verschiedene kleinere
Behänge mit Darstellungen aus dem Leben des Heilands. Die Kartons liefert Pierre
Murgallet gemäß Abmachung vom 17. November 1633. Vor Übertragung in Natur-
größe hat der Maler dem Kirchenfürsten die Vorentwürfe, „chacune piece en crayon sur
du grand et fort papier", zur Genehmigung vorzulegen. Im Laufe eines Jahres sind
vier Patronen fertigzustellen, dergestalt, daß die 12 Hauptbehänge in der Frist von spä-
testens drei Jahren dem Wirker zur Verfügung stehen; das vierte Jahr (1637) ist der
Durcharbeitung der zugehörigen kleinen Begleitteppiche vorbehalten. Als Vergütung
wird ein Preis von 4 livres 10 solz tournois für die Pariser Quadratelle vereinbart,
als Vorschuß werden 150 Livres gewährt.

Mit der gleichen Ausführlichkeit äußern sich die Abmachungen mit Meister Peper-
sack (11). Sie verlangen in verständnisvoller Würdigung der Schwierigkeiten der
Motive ein enges Zusammenarbeiten von Maler und Wirker; ein Nachhelfen der
Wollen und Seiden durch flüssige oder trockene Farben ist auf das strengste ver-
boten; besondere Sorgfalt ist den Inkarnattönen zuzuwenden; im übrigen dient das
„Leben des heiligen Petrus" als qualitative Vergleichsbasis; der Quadratellenpreis wird
mit 36 Livres tournois vereinbart, der Vorschuß beläuft sich auf 1000 Livres tournois.
Die Durchführung der Folge hat in Beims zu erfolgen. Der Erzbischof stellt Meister
Daniel den großen Saal der Sankt-Nicasius-Abtei und verschiedene Nebenräume als
Werkstatt zur Verfügung, Pepersack selbst wird bei Jehan Guerlet „maitre tapissier
en ceste ville de Beims" Wohnung nehmen. Die Übersiedelung von Charleville findet
statt. Der Hauptweit der Murgallet'schen Kartons liegt in den dekorativ verhältnis-
mäßig glücklich gelösten Bordüren. Die Mitteldarstellungen sind öde und konventionell;
allzu große einheitliche Flächen, — der langweilige Himmel, die riesigen Fliesen,
(Abb. 345) — harmonieren wenig glücklich mit der gezwungenen Haltung der Figuren,
den Dutzendgesichtern der Apostel. Pepersack's Kunst hat es leider nicht verstanden,
durch geschickte Farbeniibergänge — Schraffen — und eingefügte interessante Einzel-
heiten die mittelmäßigen Kartons Murgallet's genießbarer zu machen. Im Gegenteil!
Der Meister weicht mitunter nicht unerheblich von seinen Vorlagen im Interesse eines
vereinfachten Wirkereiverfahrens ab; Blau und Grün sind allzu ausgiebig verwandt, die
gelben und weißen Lichter fallen unangenehm heraus; Pepersack's technisches Können
erreicht kaum den Durchschnitt der gleichzeitigen Brüsseler Arbeiten. An der wenig

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