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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Editor]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0373
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Toulouse. R e v e l

Toulouse. Revel.

Die einzigen Quellen sind bislang die Register der Sankt-Annenbruderschaft zu Tou-
louse und die Notizen, die Felix Pasquier verschiedenen Notariatsauszügen entnimmt (1).

Am 15. Juli 1485 bestellt der Toulouser Tuchhändler Jean Boysson in Revel (Depart.
Haute-Garonne) drei Verdüren: zwei Wandteppiche und eine gewirkte Tischdecke.
Wahrscheinlich handelt es sich um die grobe „menu vert"-Art, auf ein- oder mehrfarbigen
Grund gestreute Blumen und Zweige. Der Beleg ist nur insofern von Interesse, als
er uns Beweist, daß die Fabrikation der einfachen Millefleursteppiche im ganzen König-
reich — ähnliche Angaben finden sich auch für Mittel- und Nordfrankreich — seit
altersher geübt wurde; die Tatsache, daß fast stets kleine Landorte als Manufakturen
in Frage kommen — selten größere Städte — läßt auf den Charakter dieser fast
bäuerlichen Wirkereien schließen. Der Vertrag, den „Johannes Boyssonus mercator"
mit „Robinetus Bodislardi, habitator loci de Ravello" schließt, nennt in lateinischer
Fassung Maße und Preise.

In den dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts ist Hector Pechaut (Pichaud) als Wir-
ker in Toulouse tätig. Der Meister unterzeichnet am 5. Januar 1539 einen Lieferungs vertrag
mit den Vertretern der Sankt-Annenbruderschaft, die ihrer Kapelle in der Pfarrkirche
Notre-Dame-du-Taur einen würdigen Schmuck zu verleihen gedenken. Es handelt
sich um einen Bildteppich „en laquelle fera toute la genolosia (!) de Madone Saincte
Anne". Als Unterlage für die Güte der Ausführung, „de bone estofe, soye fine,
estain fin (erstklassige Wolle), de fines coleurs", dient der Teppich, den Meister Hector
bereits früher für die Sankt-Annenkapelle geliefert hat. Als Einheitspreis wird für die
halbe Toulouser Canne der Betrag von sechs Livres vereinbart (2). Die Fertigstellung
hat bis zum Juni 1540 zu erfolgen. Die Durchführung scheint zur Zufriedenheit der
frommen Bruderschaft erfolgt zu sein. Am 21. November 1540 treten die Abgeord-
neten von Sankt Anna gemeinsam mit Hector Pechaut vor dem Notar wiederum zu-
sammen. Es handelt sich um das 3. Stück der St. Annenfolge, die Geburt der Mutter
der Madonna. Der Einheitspreis bleibt der gleiche. Besonders ausführlich äußert sich
der Vertrag über die zu verwendenden Materialien und die Art der Farbengebung.
Die Ablieferung hat Johanni 1541 zu erfolgen. Ob mit diesen drei Behängen die Serie
abgeschlossen ist, oder ob Pechaut noch weitere Stücke auf das Gezeug legt, entzieht
sich meiner Kenntnis. Nach Angabe des Abbe Carr iere soll sich die von Meister Hector
gefertigte St. Annenfolge noch in dem Wandteppichschatz der St. Stephanuskirche
zu Toulouse befinden (1). Eine Nachprüfung blieb ohne Erfolg. Zu Beginn der sech-
ziger Jahre scheint das Atelier Pechaut's im Hause zum „Mohrenkopf" nicht mehr' be-
standen zu haben; am 7. Dezember 1564 tritt Pierre Ariste, „maistre tapissier de Thou-
louse", mit einem notariellen Vertrage in Erscheinung. Der königliche Rat Antoine de
Saint-Paul beauftragt den Wirker mit einer zwei Teppiche umfassenden Wappenfolge
«a. champ d'azeur et fleurs de liz dedans jaulnes, ombrees d'orange" — das übliche
Motiv des mit gelben Lilien übersäten blauen Grundes —, „avec le bort de hault de
fruitages et fulhages" — die bekannte Fruchtlaubwerkbordüre —, „au milieu duquel
y aura Pordre du Roy, et aux deux boutz ses devises; iceulx ordre et devises reausses
de soye". Es handelt sich hiernach um eine verhältnismäßig einfache Arbeit, die den
Vergleich mit der weit schwierigeren St. Annenfolge nicht aushalten kann. Die Ab-
lieferung des kleinen Teppichs hat bereits zu Weihnachten, die des größeren Stückes
zum 20. Januar 1565 zu erfolgen — die sehr kurze Frist setzt Basselissetechnik und
eine sehr leicht übertragbare Vorlage voraus —; der Einheitspreis beläuft sich auf nur
3 Livres 5 Sols für die Toulouser Quadrat- Canne.

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