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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Editor]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0379
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Nancy

gestammten Fürstenhaus die Rückkehr nach Lothringen; Leopold Joseph Karl, der
Sohn des am 18. April 1690 verstorhenenen Siegers von Mohacs, besteigt den Thron.
Die Blütezeit der letzten lothringischen Bildteppichmanufaktur beginnt, sie endet im
wesentlichen mit der Aufgabe des Herzogtums durch Franz Stephan, der 1737 das
Erbe seiner Väter mit dem Großherzogtum Toskana vertauscht.

Der' Anstellungsvertrag Charles Mit6's datiert vom 4. August 1698, am darauffolgen-
den Tage leistet der Wirker Dienst- und Treueid. Von der Niederlassung des Jean Glo,
der unter dem 2. Januar 1674 von dem Stadrat von Nancy die Erlaubnis erhält «de
travailler en tapisserie de feuillage, aux offres qu'il a faits de faire meilleur marchö de
6 gros par aune que Jean Francois, aussi tapissier en cette ville" ist nicht mehr die
Rede. Es steht zudem nicht mit Sicherheit fest, ob Glo oder Francois überhaupt
regelrechte Wirker waren, ob es sich nicht vielmehr um die Herstellung der „ta-
pisseries de bergame" — gewebte Wand- und Möbelbezüge — handelte.

Wie die meisten fürstlichen Wirker der Zeit bezieht Charles Mite" neben festem
Gehalt (180 Livres jährlich) und freier Wohnung im Schlosse, genau geregelte Sonder-
vergütungen für die neu auszuführenden oder instandzusetzenden Folgen. Zunächst
wird der Meister mit Reparaturarbeiten betraut. Erst 1705 beginnt das Mitö'sche
Atelier mit einer umfangreichen Neuserie, mit den „Siegen Karls V.", die Herzog Leo-
pold in pietätvoller Erinnerung an die Taten seines Vaters auf die Gezeuge legen läßt.
Schwierigkeiten bereitet die Beschaffung geeigneter Farbstoffe, 1710 legt Mite" einen
Drogengarten an, er züchtet Waid, Wau und andere Farbkräuter.

Die beiden Folgen umfassen je fünf Teppiche — Belagerung und Einnahme von
Buda, Schlacht von Mohacs, Eroberung von Siebenbürgen, Herzog Karl auf dem Triumph-
wagen, Viktorien leiten das Gespann —, sie tragen als Hoheitsmarke das Doppelkreuz
von Lothringen, den Stadtnamen NANCY mit der Jahreszahl (1705) und Mitö's Mono-
gramm C. M. E. Die schmale Rahmenfassung zeigt unten in der Mitte die von Palm-
wedeln und Fruchtwerk gerahmte Schrifttafel. Als Gegenstück erscheint in dem oberen
Teile der Bilddarstellung das mit kriegerischen Emblemen verbrämte Wappen von
Lothringen. Die Darstellungen wirken durchaus nicht immer glücklich; die Schlacht
von Mohäcs mit der Häufung enthaupteter nackter Leichen (22) entspricht durchaus
nicht dem Wesen des Bildteppichs. Im übrigen erinnert der Vordergrund der Schlacht
mit den allzu großen grünen und braunen Flächen, mit der schematischen Durch-
bildung des Baumschlages stark an die gleichzeitigen Arbeiten von Aubusson. Andere Ent-
würfe wiederum, wie die Eroberung von Siebenbürgen, zeigen eine wesentlich glück-
lichere Lösung (Abb. 348). Charakteristisch ist die den Gobelins nachgeahmte, dem
Rahmen angefügte seitliche Fassung — Karyatiden mit den Initialen des Herzogs —.
Die Entwürfe der Folge gehen auf Jean Louis Guyon und Charles Herbei (f 1703)
zurück, die die Taten Karls V. in nicht weniger als 17 Episoden festhalten. In welcher
Weise die Arbeitsteilung stattfand, läßt sich, da die Originale bei dem Brande des
Lunöviller Schlosses (1719) der Vernichtung anheimfielen, nicht mehr beurteilen. Nach
Boyer de St. Suzanne (23) hingen die Kartons bereits bei dem Einzüge des Herzogs
am 10. November 1698, nach anderen Quellen fällt die Entstehungszeit in die Jahre
1701/2 (24). Die endgültige Zahlungsanweisung, in Höhe von 4000 Livres, datiert vom
August 1701. Du Rup übernimmt vor 1709 die Übertragung der „Belagerung von
Buda" in die werkgerechten Patronen, andere Episoden bearbeiten Martin, Guyon,
CL Jacquard und ihre Gehilfen. Die noch vorhandenen Rechnungsbelege geben ein
ziemlich einwandfreies Bild über den Fortschritt der Arbeiten. Die Belagerung von
Buda, „faitte sur le tableau de Du Rup", wird mit einem Einheitspreise von 325 Li-
vres für die Quadratelle bewertet (27. XII. 1709). Mite" erhält dementsprechend für
19 6/io Quadratellen den Betrag von 6276 1. 11 s. 3 d. Das Memorandum betreffend
«la tapisserie que le sieur Mite" tapissier de S. A. R. a faicte pour le cabinet de Saditte
Altesse Royal, contenante cinq pieces, repr<üsantant les Conquettes de Charles Cinq,
faicts en or de Paris et soye dölivröe au Bureau de l'hostel le 10e avril 1710" bringt
die genauen Größenmaße der einzelnen Stücke (25).

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