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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0414
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F l o r e n z

in die Jahre 1655 (Einzug Johannas von Österreich nach dem Karton (1653) des Gia-
cinto Gimignani (f 1681), 1658 (Cosimo's Fahrt nach Rom, als Entwerfer ist Cosimo
Ulivelli bezeugt), 1660 (Cosimo I. gründet die St. Stephanusbruderschaft), 1661 (der
Herzog sendet Karl IX. von Frankreich Truppen zur Hilfe), 1662 (Arbeiten in der
Campagna von Pisa, die Vergrößerung des Palazzo Yecchio und die Erbauung der
Uffizien), 1665 (der Senat von Florenz bringt Cosimo I. seine Huldigungen dar). Die
Wiedergabe eines Behanges der Reihe — die Huldigungsszene in der Villa Reale della
Petraia zu Florenz — spricht besser als längere Ausführungen (Abb. 415). Welch ein
geradezu trostloser Unterschied zwischen der Geschichte Cosimo's I. und den Taten
Ludwigs XIV. nach Le Brun! Von dem großen Pathos, das die Handlung faßt, die
Massen gliedert, dem Teppich Leben, Bewegung und Würde verleiht, ist nicht eine
Spur vorhanden. Die Gestalt des Mcdici tritt in den Hintergrund, sie wirkt be-
langlos und konventionell. Die Gesichtszüge — abgesehen von der Kleinheit der Dar-
stellung — entbehren jeder Charakteristik; es will fast scheinen, als ob der regierende
Großherzog (Ferdinand IL), ein weit größeres Interesse der möglichst drastischen
Wiedergabe des Hofnarren, der mit seinem Hündchen spielt und den typischen Brief
in der Rechten hält, entgegenbringt. Eigenartig berührt die Unaufmerksamkeit, mit
der die Zuschauer, insbesondere die Hofschranzen, die feierliche Handlung verfolgen.
Die prächtige Bordüre der ersten Mediceergeschichte ist verschwunden, ein einfacher
Architekturfries, der letzten Endes auch noch hätte wegfallen dürfen, bildet die
Fassung.

Wirktechnisch ungleich günstiger ist der um die gleiche Zeitspanne von Fevere's
Atelier zur Verfügung gestellte Bathsebakarton, angeblich von der Hand der Artemisia
Gentileschi (gest. nach 1651). Der Teppich (H. 3,58 m, L. 2,33 m, Abb. 416) wird 1662
auf das Gezeug gelegt und im darauffolgenden Jahre vollendet.

D. ARTEMI .PINX.
P. FE^RE . PARISIIS EXTRAX.
1663.

Das für die Künstlerin charakteristische Streben nach starken naturalistischen Effekten,
nach Darstellungen leidenschaftlichen Geschehens, erscheint — durchaus nicht zu Un-
gunsten des Bildteppichs — stark abgeschwächt. Die in den Bildern Artemisias nicht
selten zu beobachtende Neigung für schmückendes Beiwerk, reiche Stickereien und
dergleichen, beschränkt sich in unserem Falle auf die klar und fein erfaßte Treibarbeit
des Wasserkessels in den Händen der herbeieilenden Magd. Die Architekturteile sind
— mit Ausnahme der plumpen Balustrade — mit Liebe behandelt, störend wirken der
allzu schematische Baumschlag, die öde Fläche des Himmels. Die Durchführung der
Köpfe und des Inkarnats steht wirktechnisch auf weit höherer Stufe als die Figuren-
wiedergabe der „Huldigungsszene", das Gewand der Wasserträgerin macht dem
Wirker alle Ehre.

Es gehört zu den Eigentümlichkeiten des Fevere'schen Ateliers, das in immer stär-
kerem Maße den Bilderkopien seine Aufmerksamkeit zuwendet, daß mit dem bislang
für die großen niederländischen und französischen Manufakturen deutlich erkennbaren
Streben, gewisse Maler als dauernde Mitarbeiter zu verpflichten, gebrochen wird;
wahllos liefern die verschiedensten Künstler ihre Beiträge. Außer den uns bereits be-
kannten Namen finden wir Benedetto Rossi (1656), Giambatlista Balalri (1656), der
sich sowohl als Bildhauer wie als Architekt und Maler betätigt, Vincenzo Dandini
(1663), ein Vertreter der breiteren römischen Manier, Niccolö (?) Chiavistelli (1663),
Carlo Bambocci (1665) — fast alles Maler zweiten und dritten Ranges —; der einzige
Künstler, der des öfteren wiederkehrt, ist, außer Lorenzo Lippi, Agostino Melissi.

Nicht minder verhängnisvoll erscheint die Tatsache, daß die Manufakturen Fevere's
und van Asselt's jede Fühlung mit den großen Werkstätten Frankreichs und der
Niederlande verloren haben. Ein Zuströmen bischen Blutes findet nicht mehr statt,
die Wirker sind durchgängig Italiener. Es ist kaum anzunehmen, daß die Leiter sich

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