Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Editor]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0419
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Florenz

scharf ab von den glänzenden Strahlenbündeln des zerschellenden Sonnenwagens, der
fein detaillierte Hintergrund zeigt eine Meeresbucht mit lagernden Hirten. _

Giovanni Gasto (t 9. VII. 1737), der letzte Großherzog aus dem Hause Media, er-
lebt die Vollendung des Teppichs nicht mehr, Franz Stephan von Lothringen besteigt
(1737) auf Grund der Bestimmungen des Wiener Friedens (1735) den_Thron Ioskanas.
Bereits am 5. Oktober 1737 verfügt der neue Landesherr die Schließung der alten
Manufaktur. Ein Sturm der Entrüstung erhebt sich. Ein Manuskript im Besitze des
Cav. G. Palagi urteilt recht drastisch über die Maßnahme; die Entlassung der \-V irker,
die in ihrer Kunst höchste Fertigkeit erreicht hätten, bringe dem Staat unermeßhcnen
Schaden, sie sei alles andere als ein Ruhmesblatt für den neuen Landesherrn ja ge-
radezu ein Akt der Barbarei. Bernini erledigt die Auflösungsarbeiten desflU^™e_n'"e°?'
er scheidet am 29. November 1737 aus; Demignot übernimmt am 26. Juli 173«: die
Leitung der herzoglich savoyischen Manufaktur in Turin; Giovanni Francesco 1 leri,
Antonio Luigi Minchioni, Marco Gösler, Carlo Mugnai, Bashano Pieroni Urlando
Filippini, Bernardino Cavaliere, Antonio Valenti, Niccolö Manzi finden willige Aufnahme
in der königlichen Bildteppichmanufaktur Neapel, deren Leitung Domenico del Kosso
übertragen wird

Fragen wir nach den Gründen, die den neuen Landesherrn, der übrigens ein aus-
gesprochener Liebhaber reicher Bild Wirkereien war und als deutscher Kaiser hauhg
sein Interesse für Kunst und Wissenschaft bekundete, zu dem rücksichtlosen Vorgehen
veranlaßten, so läßt sich - abgesehen von den schwierigen politischen Verhältnissen

- in erster Linie die schlechte Finanzlage des Großherzogtums anführen, die mit
der allzu teueren und langsamen Arbeitsmethode der Manufaktur in schroffem Wider-
spruche stand. i. • i u * *i

Der Eintritt ruhigerer Zeiten, die geringe Möglichkeit sich politisch zu betätigen-
Maria Theresia gestattet ihrem Gemahl trotz seiner Ernennung zum Mitregenten^ der
österreichischen Erblande (1740) keinen unmittelbaren Anteil an den Staatsgewalten

- bewegen den Großherzog 1740 zur versuchsweisen Neueröffnung der florentmischen
Manufaktur. Der Maler Lorenzo Corsini übernimmt die Leitung, die Arbeiten werden
nach den alten Modellen fortgesetzt. Die HautelisseWerkstatt haust m den Räumen
der Villa Poggio Imperiale, das Basselisseatelier ist in der alten Werkstatt von San
Marco tätig. Die Namen der alten Meister von La Malgrange, die den Wirkerbestand
darstellen, sind uns bekannt: Roch le jeune, Charles Depois, Alexandre bermain und
Joseph Vauthier. Als Patronenzeichner sind Girolamo Costner und Lorenzo ^orsim
tätig. Zu Ausgang des Jahres 1744 - das bevorstehende Ableben Karls VII. läßt das
ohnehin nur schwache Interesse des Kaiserin-Gemahls für Toskana ganz in den Hinter-
grund treten - schließt die zweihundert Jahre alte mediceische Bddtepp.chmanuiaktiir
endgültig ihre Pforten. Die Erzeugnisse aus der Zeit von 1740 bis 1744 sind schnell
aufgezählt. 1740 ist eine Wiederholung der Vulkanportiere in Arbeit - oder sollte
es sich noch immer um die Fertigstellung des bereits 1732/34 erwähnten Entwurfes
handeln? -; die Durchführung einer umfangreichen Möbelgarnitur m.t Hanken-
motiven, Blumen und Früchten zieht sich durch die vier Jahre des Bestehens hn
das Basselisseatelier befaßt sich mit der Herstellung einer golddurchwirkten Boidü.e
für eine Mosesgeschichte und übernimmt verschiedene Ausbesserungsarbeiten. Von
Bedeutung sind lediglich die Porträt- und Kle.nwirkere.en - blühende B umen in
Vasen gepflanzt -, ganz in der Art der gleichzeitigen Arbeiten der Gobelins. Em
gewirktes Bildnis aus dem Staatsatelier Franz Stephans zeigt den Großherzog in der
typischen Feldherrnpose, am Halse den Orden des goldenen Vließes; im Hin ergründe
sind die Türkenkämpfe flüchtig angedeutet eine reiche Draper.e bauscht sich zu
Häupten des Herrschers (Abb. 425). Die Wirkerei (H 1,10 m L 0,75 m) verrät eine
glänzende Technik, sie illustriert die überlegene Kunst der aus Lothringen überführten
Wirker.

26 Gobel, Wandteppiche II.

401
 
Annotationen