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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Editor]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0423
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Mantua

Alles in allem reichen meines Erachtens vorerst die Unterlagen nicht aus, den Gon-
zagateppich endgültig einem niederländischen Atelier — am wenigsten Oudenaarde —
oder dem in Mantua tätigen Flamen Rubichetto zuzusprechen.

Zu Ende der siebziger Jahre des 15. Jahrhunderts erfährt die Manufaktur von Mantua
einen scharfen Rückschlag; die Wirker scheiden als Hofangestellte aus und arbeiten
auf Privatrechnung weiter, naturgemäß fließen die Belege außerordentlich spärlich. Es
ist wenig wahrscheinlich, daß gerade in den neunziger Jahren, die einen außerordent-
lichen Aufschwung aller Künste und Wissenschaften am Hofe der Gonzaga bringen,
die Bildwirkerei, das Lieblingskind fürstlichen Prunks, leer ausgegangen sein sollte.
Nur dürre Namen sind uns bekannt: 14-91 arbeitet ein Meister Giovanni, der wahr-
scheinlich mit dem in Bengarda de Gonzaga's Schreiben (3. August 14-66) an die
Marchesa Barbara von Brandenburg erwähnten „maestro Zohanne de Franza" iden-
tisch ist. Der Wirker, dem Markgraf Francesco Gonzaga (1491) ein Gelände zum
Hausbau überweist, verstirbt um 1507 im Alter von 70 Jahren. 1493 finden wir den
maestro Bartolomeo; 1496 reist „Pedro tapezero" nach Venedig, um im Auftrage der
Markgräfin Isabella nicht näher benannte Bildwirkereien einzukaufen.

Nicht viel besser ist es mit den urkundlichen Belegen bestellt, soweit das 16. Jahr-
hundert in Frage kommt. Auf Mantegna folgt 1506 als Mantuaner Hofmaler Lorenzo
Costa der Ältere. Das Wirken des Meisters ist in seinem Entwicklungsgang hinreichend
bekannt, nirgends findet sich eine Andeutung, daß Costa sich mit Bildteppichentwürfen
befaßte. 1524 erbleicht sein Stern vor Giulio Romano, der neuen Größe am Hofe der
Gonzaga; Costa, durch langandauernde Krankheit in seiner Arbeitsfähigkeit geschwächt,
zieht sich verbittert zurück, er stirbt am 3. Mai 1535. Giulio Romano's bedeutungs-
vollen Einfluß auf die Bildwirkerei habe ich in dem ersten Teile meiner „Wand-
teppiche" mehrfach berührt (15); für die Werkstätten Mantuas bleibt er augenschein-
lich ohne weittragende Bedeutung. Wir finden noch mehrfach Mantuaner Wirker
erwähnt, sie scheinen in der Hauptsache als Reparaturarbeiter, wohl auch als Verfertiger
einfacher Wappenteppiche und gewirkter Maultierdecken ihr Leben gefristet zu
haben. In den Jahren von 1508—1511 ist ein Giovanni Francesco tätig, Martino de
Burselo (Martino di Fiandra) arbeitet seit 1511 unter Markgraf Francesco, seit 1519
unter Federico II, er verstirbt am 28. November 1522 im Alter von 55 Jahren in der
Via de'Cervi; ein M° Pietro betreibt 1511 in der Via dellä Serpe eine Werkstatt;
Meister Giuseppe wird 1538 urkundlich erwähnt; Francesco de Benedetti segnet 1539
(50 Jahre alt) in der Via del Falcone das Zeitliche; 1540 folgt ihm der 85 Jahre alte
flämische Meister Aluisio, der in der St. Georgenvorstadt haust, in den Tod; Giacomo
della Porta und Federigo del Caletto (dei Caletti) betreiben 1547/49 kleine Wirkerei-
ateliers; Sigismondi Zambelli ist noch 1556 in Mantua tätig.

Die einzige Manufaktur von überragender Bedeutung ist die des Nikolaus Karcher;
die grundlegenden Abmachungen datieren vöm 8. X. 1539 (16). Ob Meister Karcher,
der in Ferrara gemeinsam mit seinem Bruder ein blühendes Atelier betreibt, endgültig
übersiedelt oder einen Vertrauensmann mit der Leitung der Mantuaner Manufaktur
beauftragt, läßt sich auf Grund der mir zur Verfügung stehenden urkundlichen Belege
nicht mit Sicherheit entscheiden. Tatsache ist jedenfalls, daß Meister Nikolaus noch
1541 für den Hof der Este tätig ist. 1545 verläßt Karcher den Dienst der Gonzaga
und wandert zusammen mit Jan Rost nach Florenz aus. Sein Name verschwindet
1553 aus den medieeischen Urkunden, 1555 ist der Meister wieder in Mantua tätig
(17); 1556 richtet er an seinen Gönner, den Kardinal Ercole Gonzaga, ein Unterstützungs-
gesuch — es handelt sich um die Ausstattung einer seiner Töchter —; im gleichen
Jahre scheint sein Ableben erfolgt zu sein. Eine Trennung der von dem Wirker in
Ferrara und in Mantua erzeugten Folgen gestaltet sich naturgemäß recht schwierig.
Das Nachlaßinventar des 1563 verstorbenen Kardinals Ercole Gonzaga, der als Vor-
mund des jungen Herzogs Francesco auch in künstlerischen Dingen den bestimmenden
Einfluß übte, nennt u. a. die Serie der „spielenden Kinder", angeblich nach den Ent-
würfen des Giovanni da Udine — ob nicht mit größerem Recht von Giulio Romano?

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