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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0435
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Rom. Barberini

Arazzeria, in Verbindung, gewährt unter den liebenswürdigsten Formen am 16. März
1558 eine persönliche Audienz, macht günstige Anerbietungen; kurz die Beziehungen
sind auf das glücklichste eingeleitet. Das Ableben des Papstes zerschneidet plötzlich
die kaum geknüpften Fäden.

Wieder vergeht ein halbes Jahrhundert, ohne daß Rom, eine Stadt mit außerordent-
lich starker Bildteppicheinfuhr, ernstlich an die Errichtung einer eigenen Wirkerei-
manufaktur denkt. Francesco Prata bessert in den Jahren von 1605 bis 1617 im
päpstlichen Auftrage eine Anzahl Behänge aus, u. a. die Geschichte Cäsars, die Legende
des Tobias, das Leben Davids und verschiedene sonstige religiöse Wirkereien; die
Einzelheiten entbehren des Interesses. Nicht wesentlich anders dürfte die Tätigkeit
des Sylvestro Biliotto (7) (1623, 1625, 1631/32) und des Pietro Pasquali, der den Titel
eines «tapeziere di Palazzo" führt (1628, 1629), zu beurteilen sein.

Die Barberini'1sehe Manufaktur.

Um 1620 faßt der Kardinal-Legat Barberini, der Neffe des Papstes Urban's VIII., ein
begeisterter Liebhaber und Kenner des gewirkten Wandteppichs, den Plan, die edle
Kunst der Haute- und Basselisse in Rom einzubürgern. Der Kirchenfürst stattet, be-
gleitet von Gelehrten und Künstlern, zunächst Paris einen Besuch ab; die Früchte
der Besichtigung sind in einem Reisetagebuch niedergelegt. 1630 ergeht eine Rund-
frage an die päpstlichen Legaten in den maßgebenden Wirkerzentralen des Abend-
landes, die wertvolle Ergebnisse hinsichtlich der zu verwendenden Materialien, des
Färbereiprozesses usw. zeitigt; Brüssel allein verweigert jede Auskunft (8). Zu-
nächst beauftragt Barberini eine Reihe ihm geeignet erscheinender Maler mit der Her-
stellung der erforderlichen Skizzen und Kartons: Pietro Paolo de Gubernatis, der be-
reits seit 1633 mit umfangreichen Arbeiten für den päpstlichen Hof betraut ist, bezieht
120 römische Taler für die Kopie der spielenden Putten nach den Kartons des Gio-
vanni da Udine, 1634 wiederholt Antonio Eclissi — der Künstler steht seit 1630 im
Dienste des Kardinals Francesco Barberini — zwei Behänge der van Aelst'schen Taten
der Apostel (die Heilung des Gichtbrüchigen und die Bekehrung des Saulus) — eine
Kopie der RaffaePschen Folge aus dem Barberini'schen Atelier ist mir bislang nicht
bekannt. In weit höherem Maße sind Pietro da Cortona und Giovanni Francesco
Romanelli an den Entwurfsarbeiten beteiligt. Giacomo della Riviera, wahrscheinlich
ein Flame, übernimmt die technische Leitung der Manufaktur, sein Landsmann Michele
und der Franzose Antonio sind seine ersten Mitarbeiter. Die Wirker werden zu-
nächst in bescheidenen Räumen untergebracht, die Miete beträgt 31/2 Taler für die
Zeit von fünf Monaten. Um 1634 nimmt die Werkstatt ein Heilandsleben (12 Behänge)
in Angriff, 1635 gelangt die „Geburt Christi" zur Ablieferung. Im Mittelbilde — nach
dem Cortona'schen Entwürfe — hält die Madonna sitzend den göttlichen Knaben im
Schöße, hinter ihr nimmt Joseph Aufstellung, kniend verehren Hirten das Kind. Die
Bordüren (Abb. 428, 429) lehnen sich stark an den Pariser Typ an. Eckmedaillons
tragen die drei Bienen, die Mitte des oberen Rahmens zeigt die aufgehende Sonne des
Hauses Barberini. Weit schwächer in der Komposition ist die Anbetung der drei
Könige, die Handlung geht zu Füßen eines mächtigen Säulensockels in Szene. Gia-
como della Riviera verstirbt vor dem 26. Oktober 1639, als Nachfolger fungiert sein
Schwiegersohn Gasparro Rochi (Rocci). Der Atelierbestand ist nach wie vor nur
schwach, außer Michele und Antonio sind in den dreißiger Jahren der Wirker
Passarino Bartolomeo (1636/1637) sowie die arazziere banderero Gio. Pigoni und Fermo
Perini (1623, 1625, 1632) urkundlich bezeugt. Meister Rocci führt die Heilandsfolge
zu Ende. Er empfängt am 25. Februar 1643 134 Skudi als Restbetrag der auf 4SI
Skud i normierten „Auferstehung Christi". An den späteren Entwürfen ist Romanelli
beteiligt, seinem Schüler Paolo Spagna liegt die Übertragung in die naturgroßen
Kartons ob. Die zumeist IAC. D. L. RIV signierte Reihe ging mit dem Textilienschatze

27 Gol>el, Wandteppiche H.

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