Rom. San.Michele
sich in ähnlicher Weise wie in den Gobelins nach den Tagen der großen franzö-
sischen Revolution — auch hier wurde das freie, durch gewisse Schranken ge-
regelte Unternehmertum durch ein reines Lohnverhältnis ersetzt —, die Arbeiten
nehmen einen schleppenden Gang, die Wirker haben es durchaus nicht eilig,
durch schnelle Fertigstellung der ihnen anvertrautea Folgen — Neuaufträge sind
immer ein unsicheres Ding — aus Lohn und Brot zu kommen. Das Ergebnis führt
zu einer neuen Vertragsgrundlage, die unter dem 31. März 1714 ihren notariellen
Niederschlag findet, als Maßstab dient der Einheitspreis für die römische Qnadrat-
palma (23) mit acht römischen Talern. Eine klare Trennung bringt auch diese Rege-
lung nicht, da die Schwierigkeit und die Verschiedenartigkeit der Arbeiten nicht ge-
nügend berücksichtigt sind. Als Unternehmer gelten Simonet und Procaccini; die
Lieferung der nötigen Rohmaterialien zählt, wie auch die kostenlose Ausbildung der
Lehrlinge, zu ihren ausdrücklichen Verpflichtungen. Privatarbeit ist gestattet, jedoch
unterliegt die Preisfestsetzung, die sich in angemessenen Grenzen zu bewegen hat, der
Nachprüfung der vorgesetzten Behörde. 1714 erscheinen als neue Kräfte Jacques
Gragnos und Mathieu Giaquö, weiterhin werden Felix Mollicuti und Victor Demignot
— er ist seit 1716 in der flnrentinischen Manufaktur tätig — verpflichtet. Das finan-
zielle Ergebnis ist und bleibt wenig erfreulich, unter dem 22. November 1717 treten
die Wirker in den Streik, Simonet und Procaccini verschwinden von der Bildfläche,
Pietro Ferloni übernimmt die Leitung, er bleibt bis zu seinem Ableben (1770) der
„capo arazziere" des Ateliers von San Michele.
Aus der Frühzeit des Unternehmens stammen zwei Bildwirkereien (Abb. 440, 441),
die de Somzee von dem Kardinal Despuig de Palma auf Majorka erwarb, ihr Ver-
bleib ist mir nicht bekannt. Die Teppiche gehören zu einer, wohl ursprünglich zwölf
Behänge zählenden Apostelserie (nach Procaccini), sie sind in Wolle, Seide und Gold
durchgeführt. Eine Bordüre war nie vorhanden, die untere schmale Wirkerkante
nennt GIO. SIMONET. DA. PARIGI. 1711 (Abb. 440). Die Reihe scheint mit mehr
oder weniger starken Abänderungen des öfteren gewirkt worden zu sein. Das Diario
Romano berichtet 1788 (n° 8868) von den als päpstliches Geschenk dem Großadmiral
von Frankreich, Herzog von Penthievre, überwiesenen Nischenbildnissen des St. Lukas
und St. Markus. Im gleichen Jahre laßt Benedikt XIV. dem Grafen von Werth die
„Petrus" und „Paulus"-Teppiche überreichen, Wiederholungen gehen 1788 an den
außerordentlichen österreichischen Gesandten Marquese Clerici. Schon zuvor (1733) ist die
Rede von den vier Bildwirkereien „der Evangelisten", die als Aufmerksamkeit Clemens XII.
dem Grafen D. Giulio Visconti zuteil wurden; ob sich die Darstellungen — nach Müntz
dienen Gemälde Guido Reni's als Vorbild — mit den beiden de Somzee'schen Wir-
kereien decken, erscheint allerdings fraglich. Die im Vatikan noch vorhandenen vier
Evangelistenteppiche — sitzende Gestalten — sind erst jüngeren Datums, nach An-
gabe Farabulini's dürfte die Entstehung (San Michele) in das Jahr 1871 fallen (Abb. 442)
(24). In ähnlicher Auffassung scheint eine Tugendserie — allegorische Frauengestalten
gegen Nischen gestellt — durchgeführt worden zu sein (28). Der Epoche Clemens XI.
(1700—1721) gehören zwei Porträtteppiche an, die den Papst im Brustbilde zeigen,
der eine zählt zu Anfang der siebziger Jahre des verflossenen Jahrhunderts zu dem
Bestände der Villa Albani, eine Wiederholung befindet sich in den Räumen des
Alcliers von San Michele. Ein V. Demignot. F. R. 1718 signierter kleiner Behang bringt
die Madonna mit dem schlummernden Christuskind (Abb. 443). Zu den eigenartigsten
Wirkereien der römischen Manufaktur — um 1728 — zählen die drei figürlichen Land-
schaftsteppiche in der „Floreria apostolica" des Vatikans: die heilige Familie auf der
Flucht nach Ägypten (Abb. 444), das Mädchen mit dem Korb, der lagernde Jäger
(Abb. 448). In Anlehnung an die berühmte „Geschichte Ludwigs XIV." nach Le Brun
entsteht der historische Behang: Papst Clemens XI. empfängt seinen Neffen, Kardinal
Annibale Albani, den Protektor von San Michele, in feierlicher Audienz.
Die großen religiösen Wirkereien beschränken sich fast durchweg auf die Wieder-
gabe von Gemälden zeitgenössischer oder früherer Meister. Die Einheitlichkeit der
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sich in ähnlicher Weise wie in den Gobelins nach den Tagen der großen franzö-
sischen Revolution — auch hier wurde das freie, durch gewisse Schranken ge-
regelte Unternehmertum durch ein reines Lohnverhältnis ersetzt —, die Arbeiten
nehmen einen schleppenden Gang, die Wirker haben es durchaus nicht eilig,
durch schnelle Fertigstellung der ihnen anvertrautea Folgen — Neuaufträge sind
immer ein unsicheres Ding — aus Lohn und Brot zu kommen. Das Ergebnis führt
zu einer neuen Vertragsgrundlage, die unter dem 31. März 1714 ihren notariellen
Niederschlag findet, als Maßstab dient der Einheitspreis für die römische Qnadrat-
palma (23) mit acht römischen Talern. Eine klare Trennung bringt auch diese Rege-
lung nicht, da die Schwierigkeit und die Verschiedenartigkeit der Arbeiten nicht ge-
nügend berücksichtigt sind. Als Unternehmer gelten Simonet und Procaccini; die
Lieferung der nötigen Rohmaterialien zählt, wie auch die kostenlose Ausbildung der
Lehrlinge, zu ihren ausdrücklichen Verpflichtungen. Privatarbeit ist gestattet, jedoch
unterliegt die Preisfestsetzung, die sich in angemessenen Grenzen zu bewegen hat, der
Nachprüfung der vorgesetzten Behörde. 1714 erscheinen als neue Kräfte Jacques
Gragnos und Mathieu Giaquö, weiterhin werden Felix Mollicuti und Victor Demignot
— er ist seit 1716 in der flnrentinischen Manufaktur tätig — verpflichtet. Das finan-
zielle Ergebnis ist und bleibt wenig erfreulich, unter dem 22. November 1717 treten
die Wirker in den Streik, Simonet und Procaccini verschwinden von der Bildfläche,
Pietro Ferloni übernimmt die Leitung, er bleibt bis zu seinem Ableben (1770) der
„capo arazziere" des Ateliers von San Michele.
Aus der Frühzeit des Unternehmens stammen zwei Bildwirkereien (Abb. 440, 441),
die de Somzee von dem Kardinal Despuig de Palma auf Majorka erwarb, ihr Ver-
bleib ist mir nicht bekannt. Die Teppiche gehören zu einer, wohl ursprünglich zwölf
Behänge zählenden Apostelserie (nach Procaccini), sie sind in Wolle, Seide und Gold
durchgeführt. Eine Bordüre war nie vorhanden, die untere schmale Wirkerkante
nennt GIO. SIMONET. DA. PARIGI. 1711 (Abb. 440). Die Reihe scheint mit mehr
oder weniger starken Abänderungen des öfteren gewirkt worden zu sein. Das Diario
Romano berichtet 1788 (n° 8868) von den als päpstliches Geschenk dem Großadmiral
von Frankreich, Herzog von Penthievre, überwiesenen Nischenbildnissen des St. Lukas
und St. Markus. Im gleichen Jahre laßt Benedikt XIV. dem Grafen von Werth die
„Petrus" und „Paulus"-Teppiche überreichen, Wiederholungen gehen 1788 an den
außerordentlichen österreichischen Gesandten Marquese Clerici. Schon zuvor (1733) ist die
Rede von den vier Bildwirkereien „der Evangelisten", die als Aufmerksamkeit Clemens XII.
dem Grafen D. Giulio Visconti zuteil wurden; ob sich die Darstellungen — nach Müntz
dienen Gemälde Guido Reni's als Vorbild — mit den beiden de Somzee'schen Wir-
kereien decken, erscheint allerdings fraglich. Die im Vatikan noch vorhandenen vier
Evangelistenteppiche — sitzende Gestalten — sind erst jüngeren Datums, nach An-
gabe Farabulini's dürfte die Entstehung (San Michele) in das Jahr 1871 fallen (Abb. 442)
(24). In ähnlicher Auffassung scheint eine Tugendserie — allegorische Frauengestalten
gegen Nischen gestellt — durchgeführt worden zu sein (28). Der Epoche Clemens XI.
(1700—1721) gehören zwei Porträtteppiche an, die den Papst im Brustbilde zeigen,
der eine zählt zu Anfang der siebziger Jahre des verflossenen Jahrhunderts zu dem
Bestände der Villa Albani, eine Wiederholung befindet sich in den Räumen des
Alcliers von San Michele. Ein V. Demignot. F. R. 1718 signierter kleiner Behang bringt
die Madonna mit dem schlummernden Christuskind (Abb. 443). Zu den eigenartigsten
Wirkereien der römischen Manufaktur — um 1728 — zählen die drei figürlichen Land-
schaftsteppiche in der „Floreria apostolica" des Vatikans: die heilige Familie auf der
Flucht nach Ägypten (Abb. 444), das Mädchen mit dem Korb, der lagernde Jäger
(Abb. 448). In Anlehnung an die berühmte „Geschichte Ludwigs XIV." nach Le Brun
entsteht der historische Behang: Papst Clemens XI. empfängt seinen Neffen, Kardinal
Annibale Albani, den Protektor von San Michele, in feierlicher Audienz.
Die großen religiösen Wirkereien beschränken sich fast durchweg auf die Wieder-
gabe von Gemälden zeitgenössischer oder früherer Meister. Die Einheitlichkeit der
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