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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0459
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Venedig

Republik ihm durch Gewährung entsprechender Beihilfen ihr Entgegenkommen be-
weist. Nach ausführlichem Gutachten der Handelskammer, der „V Savi alla Mercan-
zia", bewilligt die Signoria unter dem 2. Mai 1761 dem Meister eine einmalige Unter-
stützung in Höhe von 500 Dukaten sowie eine lebenslängliche Rente — „e cosl ducati
25 pure v. c. al mese sua vita durante." Antonio Dini mietet Räume in einem Palazzo
des Dogen Mocenigo, die junge Manufaktur beginnt mit ihrer Tätigkeit in der calle
dei morti (S. S. Giovanni e Paolo). Das Unternehmen schlägt gut ein, die Aufträge
häufen sich, Grisellini würdigt Dini's Atelier einer ausführlichen Besprechung in dem
Giornale d'Italia vom 20. Oktober 1764, die zur Genüge beweist, daß der Wirker,
wie die meisten Atelierleiter des ausgehenden 18. Säkulums, sich weniger mit der
Herstellung umfangreicher Folgen, die ein nicht unbedeutendes Absatzrisiko bedingten,
sondern im wesentlichen mit mittelfeinen Gebrauchswirkereien befaßte. 1763 arbeiten
in dem Unternehmen außer dem Leiter und seinen beiden Töchtern sechs Gesellen und
verschiedene Hilfskräfte.

Zu den bekanntesten der uns erhalten gebliebenen Arbeiten Dini's zählen in erster
Linie das Prozessionsbanner der Congregazione di S. Maria Mater Domini und der
Behang, «tappeto11, für den Hochaltar in der Chiesa delle Fava. Zahlreiche größere
und kleinere Tafelteppiche, u. a. die Decken für das Gestühl der Signoria in S. Marco,
Kissenblätter, Gondeldecken, Porträts und Arabeskenwirkereien sowie die eigenartigen
für den Export nach Ägypten und der Türkei bestimmten Kleinarbeiten sind verloren
gegangen oder bis auf weiteres verschollen. Auch im kirchlichen Besitze hat sich
nur wenig gerettet (15). Die verschiedentlich Dini zugeschriebene Textilausstattung
der prächtigen, von Andrea Brustolon für die Venier di S. Vio geschnitzten Sessel
— jetzt im Civico Museo Correr zu Venedig — können, abgesehen von der Ver-
schiedenheit der Technik (petit point) schon aus rein zeitlichen Gründen — Brustolon
verstirbt am 25. Oktober 1732 — mit dem Wirker in keine Verbindung gebracht
werden (Abb. 479).

Antonio Dini segnet am 18. Juli 1771 in Padua das Zeitliche; seine beiden Töchter
führen das Unternehmen fort. Die Regierung erneuert in der liebenswürdigsten Form
die dem Vater gewährten Privilegien (16). Die „donne abilissime fabbricatrici di
arazzi11, um den schmeichelhaften Ausdruck der Signoria zu gebrauchen, verstehen es
leider nicht, die väterliche Manufaktur auf der alten Höhe zu erhalten. Die Bild-
wirkerei tritt gegenüber den leichteren Textiltechniken (Stickerei, Petit-Point) bald
zurück. Das 1785 von den Schwestern überreichte Fabrikationsverzeichnis enthält
nur gängige, wohlfeile Gebrauchsware. In dem Gesuch vom 9. August 1790 wird die
Ateliertätigkeit gegliedert in ,tla fabbrieazione degli Arazzi ad uso di Roma, e de
Tapeti ad uso de Sacri Tempi".

Der Sturz der Republik (1797) gibt dem nur mühsam durchgehaltenen Unternehmen
den Todesstoß; die Bittschrift (1798) der Schwestern an die neue Regierung scheint
ohne jeden Erfolg geblieben zu sein, das Atelier schließt endgültig seine Pforten (17).

Neben der Dini'schen Manufaktur die, wie gesagt, in der Spätzeit die Wirkerei-
technik vernachlässigt, bestehen verschiedene unbedeutende und kurzlebige Unter-
nehmungen. 1773 wird „una fabbrica d'arazzi all' uso di Fiandra cioe fatti sul telajo
orizzontale", also eine regelrechte Basselissemanufaktur, begründet, über die das
Giornale d'Italia unter dem 3. April des Jahres eingehend berichtet. Die Werk-
statt scheint nicht recht in Gang gekommen oder zum mindesten nach kurzer
Zeit erloschen zu sein.

1790 richtet Jean Lefebvre (le Fevre) von den Pariser Gobelins an die Signoria das
Ersuchen, die Ausbesserungsarbeiten der reichen Folgen im Dogenpalast ihm und nicht
den Geschwistern Dini zu übertragen. Die «Relazione dell' Inquisitorato alle Arti"
vom 19. Dezember 1790 kommt zu dem Ergebnis, daß es zweckmäßiger und billiger
sei, die einheimische Manufaktur mit der Arbeit zu betrauen. Tatsächlich scheint
weder der eine noch der andere Bewerber den Auftrag erhalten zu haben. Die In-
standsetzung der Behänge ist ziemlich ungleichwertig; die eingewirkte Legende R. D.

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