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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0474
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Turin

voll Vertrauen den Trank aus den Händen seines Arztes Philippus (nach L. Pescheux,
von Antonio Bruno durchgeführt). Als Spätling bildet „Alexander und die Gattin des
Darius" (R. F. Torino 1825) nach einem Karton Pescheux' den Abtakt der äußerst de-
korativen Serie. Trotz der Ungunst der Zeiten schwingt sich die Turiner Arazzeria
unter Bruno's Leitung zu einer letzten großen Folge auf. Die so oft in der ßild-
wirkerei wiedergegebene Geschichte der Dido und des Äneas findet eine späte Inter-
pretation. Die Folge war bereits um 1770 geplant, auf Francesco Demignot gehen
noch zwei Behänge zurück, ein dritter wird von Bruno vollendet, der Rest mit fünf
Teppichen entstammt Bruno's Werkstatt. Die beiden frühesten Stücke sind nach
Entwürfen von Francesco Demura, die übrigen nach Vorlagen G. Battista Crosato's
durchgeführt.

1. Die Kindheit des Äneas. (Fr. Demura, Fr. Demignot).

2. Die thronende Dido empfängt den Helden und seine Gefährten. (Fr. Demura,
Fr. Demignot.)

3. Dido und Äneas vollziehen das Opfer, gez. Manifattura Reale di Torino 1792.
(G. Battista Crosato, Fr. Demignot und Antonio Bruno.)

4. Äneas läßt Anker lichten zur Fahrt nach dem Chersones; Fabbrica di Torino
1802. Bruno.

5. Gründung Karthagos, Dido in der Tracht der Diana.

6. Äneas vor der thronenden Dido.

7. Dido lädt Äneas und die Seinen in die Burg zu festlichem Mahle.

8. Die verlassene Königin.

In der für die Manufaktur Turin charakteristischen Weise sind die seitlichen und
die untere Fassung stark vernachlässigt und im vorliegenden Falle zu einer einfachen
Leiste herabgedrückt. Das Mittelstück des oberen Rahmens bildet ein Medaillon mit
der Büste der Dido, in elegantem Linienzug vermitteln Ranken und Lorbeergehänge
den Ubergang zu der Ecklösung.

Die Erzeugnisse des 19. Jahrhunderts sind — nicht durch Verschulden Bruno's —
ohne sonderlichen Belang. „Achilles im Zelte" nach einem Entwürfe von L. Pescheux,
gezeichnet R. F. 1823, war ais erstes Stück einer großen Serie gedacht. Das Motiv wirkt
denkbar trocken; die obere Bordüre mit dem Wappen von Savoyen beschränkt sich
auf eine langweilige Häufung von Trophäen. Rücksichten auf Kartonersparnisse lassen
eine Wiederholung der Alexanderfolge als die zweckmäßigere Maßnahme erscheinen:

1. Alexander durchhaut den gordischen Knoten, R. F. de Torino 1829.

2. Der jugendliche Held empfängt das Szepter, R. F. di Torino 1830.

3. Der König zu Pferd, R. F. di Torino 1832. Bruno.

Als Spätlinge entstehen schließlich zwei Supraporten: ein muskulöser nackter Sklave
sitzt auf den Stufen eines Postamentes; zwei geflügelte Putten halten Blumengehänge (6).

Mit den vorauf erwähnten Behängen, die zum Teil auf der Mailänder Ausstellung
1874 einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, dürfte der Bestand der
Turiner Arazzeria erschöpft sein. Der Textilienschatz der Stadt Paris (7) verzeichnet
zwei Teppiche — „Krieg" als lanzenschwingender Bewaffneter (H. 5,00 m, L. 1,20 m),
„Frieden", durch einen lorbeergekrönten Greis versinnbildlicht (H. 5,00 m, L. 1,20 m) —,
deren untere Bordüre die Initialen Viktor Amadeus IL tragen. Da der Herrscher be-
reits 1732 das Zeitliche segnete, dürfte es zum mindesten zweifelhaft sein, ob die Be-
hänge in der herzoglichen Arazzeria gewirkt wurden. Beweise für eine Entstehung in
der Werkstatt des Nicolas Dumey (1720 bis 1731) sind zunächst nicht zu erbringen.
Abbildungen, die eine Klärung ermöglichen, waren nicht zu erlangen.

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