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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 4) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62337#0046
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Das Cliocoladenmädchen.
Von I» E. Liotard.
Erst vor wenigen Minuten hatte sich der schwere Novembernebel verzogen und es fing in den
Straßen Dresdens zu tagen au. Es war gegen zehn Uhr. In der Augustusstraße sing es an,
höchst lebendig zu werden. Officiere, meist von hohen Chargen, passirten mit ernster Dienstmiene
zu Fuß uud zu Roß, alle in voller Uniform, wie zur Parade oder zur Schlacht bekleidet. Reiter
auf schweißtriefenden Pferden, militairifche Ordonnanzen ritten die Augustusstraße, wo nur die
Hofequipagen uud diejenigen des Ministers Grafen von Brühl im Trabe sich bewegen durften, im
vollen Galopp ab und keiner der vier Grenadiere, welche vor dem Brühlschen Palais auf Posten
standen, fand bei dieser Ordnungswidrigkeit etwas zu erinnern. Während des Nebels waren die
militairischen Gestalten nur sehr ungeuau zu erkennen gewesen; jetzt aber, beim jähen, weißen
Sonnenfunkel, war's unzweifelhaft, daß sächsische Uniformen durchaus nicht zu entdecken waren.
Wer Potsdam gesehen hatte, erkannte auf eiueu Blick, daß die vor Brühl's Palais schildern-
den Infanteristen dem ersten preußischen Regiment angehörten und daß die von der Augustus-
straße aus sichtbaren Posten am Schlösse vom Leibregiment des Königs Friedrich II. gestellt
waren.
In der That, die Soldaten Sachsens hielten die Hauptstadt des Kurfürsteuthums nicht mehr
besetzt — Preußen hatten dieses Amt übernommen. Die sächsische Armee unter dem Grafen von
Rntowsti, einem natürlichen Sohn König August's des Starken, hatte den Unglückstag im Lager
von Pirna erlebt und war, vierzehntausend Mann stark, von dem Großen Friedrich zu Gefangenen
gemacht worden. Der König von Polen und Kurfürst vou Sachfen, August III., welcher aus den
Königsteiu geflohen war, hatte nur durch Friedrichs wohlwollenden Entschluß freieu Abzug nach
Polen erhalten, und schor: vor ihm war sein Minister über alle Berge geflohen.
Im Palais Brühl aber residirte König Fritz von Preußen selbst und entwarf seine Pläne, der
Macht seiner Feinde zu begegnen. Er Hatte Oesterreich, Rußland und Sachsen bereits jetzt gegen
sich, die Reichstruppen — mit Ausnahme der Braunschweig-Luxemburger — so wie die Schweden
ungerechnet — aber aller Wahrscheinlichkeit nach würde auch Frankreich sein Schwert in den deut-
schen Kampf strecken und sich auf die Seite der Gegner des mächtig emporstrebenden Preußens
stellen. Das rege, kriegerische Leben, dessen Eentrum das Brühl'sche Palais geworden war, schien
zu beweisen, daß der König von Preußen mit rastloser Energie beschäftigt war, die Vortheile, welche
er bei Lobofitz und Pirna bereits errungen hatte, aus allen Kräften festzuhalten und gestützt auf
Sachsen, wo ein großer Theil feiner Truppen die Wintercantonnements bezogen hatte, den Krieg
über Schlesien hinaus nach Böhmen und in's Herz der Kaisermonarchie zu tragen.
Nach der Miene der Dresdner und auch der Dresdneriunen zu schließen, betrachteten sie


 
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