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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 4) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62337#0247
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Pietro Perugino.
Die Verschmelzung der umbrischen Kunstrichtung mit der florentinischen tritt uns, wie bei
Signorelli, auch bei Pietro Perugino entgegen, nur mit ganz anderm Resultat. Pietro, trotz!
seiner Lehrzeit in Florenz, trotz des wiederholten, jahrelangen Aufenthaltes daselbst, bleibt im
Wesentlichen seiner heimatlichen Auffassung treu, und Alles, was er dort gelernt hat, dient ihm
nur dazu, deu Ausdruck der holden Innigkeit und Schwärmerei, den er von dorther mitgebracht
Hatte, in solche Form zn kleiden, daß er auch dem modernen Geschmack verständlich blieb. Er hieß
Pietro Vanucci und stammte aus einer in seiner Heimat angesehenen Familie. Im Jahre 1446
war er in dem kleinen Orte Cittkdella Pieve, im westlichen Theile des Landes, geboren. Den
Beinamen Perugino erhielt er dann von der Stadt, in welcher ihm in der Folge der erste künstlerische
Unterricht zu Theil wurde. Dann aber zog ihn das große Kunstleben von Florenz an, er ging dorthin
und, obgleich schon über die eigentlichen Lehrjahre hinaus, trat er doch in die Werkstatt des Andrea
Verrocchio ein, bei welchem er gleichzeitig mit dem großen Lionardo da Vinci und mit
Lorenzo di Credi arbeitete. Bei Verrocchio, der Bildhauer, namentlich Bronzearbeiter war,
wurde ras scharfe, plastische Herausarbeiten der Formen besonders betont, zugleich wurde aber
auch in seiner Werkstatt die in Florenz noch wenig eingebürgerte Oelmalerei gepflegt. Nach dieser
Seite hin bildete sich Pietro Perugino vorzugsweise aus und brachte es in der malerischen Technik
zu einer Schönheit, wie sie damals außerhalb Venedigs in ganz Italien nicht erreicht wurde.
Bei gleichmäßiger, bis zur Glätte durchgeführter Vollendung steigerte er die Farbe zu höchster
Sättigung und Gluth und legte eine Empfindung in seine Gemälde, welche mit diesem coloristischen
Ausdruck in voller Harmonie steht. In seinen Madonnenbildern lebt holde Unschuld und Jugend-
schönheit, sanfte Hingebung und stille Andacht. Bei anspruchsloser, oft schüchterner Bewegung
sprechen die freundlichen, süßen Angesichter mit der hohen Stirn, den sanften Augen, dem feinen
Munde eigenthümlich an, nnd die Bilder befriedigen bei aller Bescheidenheit der Motive durch
ihre coloristische Schönheit und ihr Liniengefühl. Er fand lebhaften Beifall, errang sich in kurzer
Zeit, sobald er selbständig geworden, einen geachteten Künstlernamen und wurde auch von weither
mit Aufträgen überschüttet.
Auch er ward mit anderen Kunstgenossen vom Papst berufen, um zu Rom in der Sixtinischen
!Kapelle zu malen. Mehrere seiner Bilder sind zerstört worden, um dem jüngsten Gericht von
Michelangelo Platz zu machen, aber noch immer sind drei große Fresken von ihm da, ein Bild
aus der Geschichte des Moses, früher irrthümlich dem Signorelli beigemessen, die Taufe Christi
und Petri Berufung zum Schlüsselamt. Der historische Stil eines Ghirlandajo und Signo-
relli fehlt ihm, aber er ist an Motiven voll Aumuth und edler Ruhe reich. Bei der Archi-
tektur des Hintergruudes, deren Stil an Bramante's gleichzeitige Schöpfungen erinnert, gefällt
er sich darin, seine perspektivischen Stndien zu verwerthen. Bei der Fülle von Nebenfiguren
treibt er oft mit Gestalten, die nur des eleganten Costüms und der gefälligen Bewegung willen
da sind, Prunk.
Nach Florenz zurückgekehrt, entfaltete er eine außerordentliche Production. In der Wand-
malerei zeigte er sich auf seiner Höhe bei dem Gemälde des Kapitelsaals von S. Maria Maddelena
de' Pazzi, das in einer Umrahmung von drei luftigen Renaissancearkaden, mit dem Blick in fried-
 
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